Kleines Protein liegt Fresszellen schwer im Magen



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27.07.2021 12:35

Kleines Protein liegt Fresszellen schwer im Magen

Das Multiple Myelom ist eine Art des Knochenmarkkrebses, an dem vor allem Menschen über 60 Jahren erkranken und die in vielen Fällen nicht geheilt werden kann. Forscher am Universitätsklinikum der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nun einen neuen Ansatz für eine mögliche Therapie dieses Krebses gefunden. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift „Immunity“ (DOI: 10.1016/j.immuni.2021.07.002) veröffentlicht.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das Multiple Myelom entsteht, wenn sich eine bestimmte Art von weißen Blutkörperchen, die sogenannten B-Zellen, unkontrolliert im Blut vermehrt. In der Folge werden die Knochen zerstört, die Patienten leiden außerdem unter Blutarmut, chronischen Infektionen und Nierenproblemen. Obwohl mehrere wirksame Chemotherapien zur Verfügung stehen, spricht etwa ein Drittel der Patienten nicht auf die verfügbaren Behandlungen an. Selbst wenn die Behandlung wirkt, wird der Tumor nicht geheilt, sondern kann irgendwann zurückkehren. Bereits bekannt war bisher, dass die Fresszellen des Immunsystems, die eigentlich wichtig für die Abwehr von Eindringlingen im Körper sind, beim Multiplen Myelom für den Tumor arbeiten. Sie unterstützen Entzündungen und fördern damit das Überleben des Tumors und dessen Wachstum.

Die Studie des FAU-Forschungsteams um PD Dr. Heiko Bruns (Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie; Direktor: Prof. Dr. med. Andreas Mackensen) in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Mailand hat nun herausgefunden, was auf molekularer Ebene passiert, wenn die Fresszellen entzündliche Signale im Knochenmark ausschütten. Ein Blutbestandteil namens Beta-2-Mikroglobulin scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Denn je stärker der Knochenkrebs den Körper befallen hat, desto mehr dieses Eiweißes ist im Blut der Patientinnen und Patienten nachweisbar. Das Erlanger Team entdeckte nun, dass dies nicht nur ein Nebeneffekt der Erkrankung ist, sondern dass dieses Eiweiß die Fresszellen dazu bringt, die Erkrankung zu verschlimmern. Das Eiweiß wird nämlich von den Fresszellen verschlungen – aber nicht verdaut und abgebaut. Es liegt den Fresszellen gewissermaßen schwer im Magen, was diese dazu bringt, entzündlichen Signale auszusenden, die wiederum den Tumor und seine schädlichen Wirkungen im Körper zugutekommen. Das Forschungsteam konnte nachweisen, dass die Krebserkrankung deutlich abgemildert werden kann, wenn es gelingt, diese Entzündungssignale zu blockieren.

Dr. Heiko Bruns fasst zusammen: „Fresszellen, Makrophagen, sind essenzielle Zellen, um unseren Organismus gegen Tumorentstehung zu verteidigen. Viele Tumore können diese Verteidigungslinie durchbrechen, weil es ihnen gelingt, der Makrophagen-Aktivität zu entgehen. Wir haben gesehen, dass das Multiple Myelom eine noch feinere Strategie anwendet: Es spielt die Makrophagen-Aktivität zu seinem eigenen Vorteil aus. Das Verständnis, wie das Multiple Myelom dies erreicht, ist äußerst relevant. Eine zielgerichtete Blockierung des Inflammasoms könnte zukünftig eine neue begleitende Therapiestrategie für Patientinnen und Patienten darstellen.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Heiko Bruns
Lehrstuhl für Hämatologie / Internistische Onkologie
heiko.bruns@uk-erlangen.de


Originalpublikation:

DOI: 10.1016/j.immuni.2021.07.002


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW