Künstliche Atome: Internationales Forschungsteam beschreibt neue Anwendungen für Halbleiter-Quantenpunkte



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11.08.2021 10:46

Künstliche Atome: Internationales Forschungsteam beschreibt neue Anwendungen für Halbleiter-Quantenpunkte

Halbleiter bestimmen unseren Alltag: Sie bilden die Grundlage für die Elektronik in Computern oder Mobiltelefonen und tragen maßgeblich zur Optoelektronik durch Laser und Leuchtdioden bei. Entscheidend für den technischen Einsatz ist die Möglichkeit, die Dimensionalität von Halbleitern und damit die freie Beweglichkeit von Ladungen einzuschränken – von drei auf zunächst zwei und dann weiter auf eine und null Dimensionen. In nulldimensionalen Strukturen, auch Quantenpunkte genannt, weisen Elektronen, die darin eingeschlossen sind, diskrete Energiewerte auf, ähnlich wie Elektronen in Atomen. Daher werden Quantenpunkte oft auch künstliche Atome genannt.

Prof. Manfred Bayer, Physiker sowie Rektor der TU Dortmund, hat zusammen mit internationalen Forschern nun weitere Anwendungspotenziale für Quantenpunkte in Halbleitern aufgezeigt.

Die Entwicklung von Quantenpunkten begann Mitte der 1980er-Jahre. Für ihre Herstellung haben sich zwei unterschiedliche Verfahren etabliert: Das eine physikbasiert im Hochvakuum (epitaktische Quantenpunkte), das andere chemiebasiert durch Synthese in entsprechenden Lösungen (kolloidale Quantenpunkte). Beide Verfahren fanden schnell ihren Weg in die Anwendung: Epitaktische Quantenpunkte kommen zum Beispiel in Quantenpunktlasern, kolloidale Quantenpunkte als „Farbwandler“ zur Erzeugung der Farben Grün und Rot in Fernsehern zum Einsatz. In jüngster Zeit haben Forscher*innen größere Fortschritte insbesondere in der Herstellung von Quantenpunkten gemacht, die weitere Anwendungen ermöglichen.

Um Perspektiven und Probleme solcher Anwendungen geht es in dem Artikel, an dem Fachleute aus Toronto, Chicago, Los Alamos, Tokio, Barcelona und Dortmund mitgewirkt haben. Er wurde kürzlich im führenden Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht. Darin wird eine Vielzahl von möglichen Einsatzgebieten solcher nulldimensionaler Strukturen diskutiert. So könnten kolloidale Quantenpunkte die Photovoltaik revolutionieren, indem sie beispielsweise in Fenster eingebettet werden. Dafür müssen sie so beschaffen sein, dass sie Licht im sichtbaren Bereich passieren lassen, um die Räume nach wie vor hell zu gestalten. Licht im infraroten Bereich müssen sie dagegen absorbieren, so dass es dann in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Dies kann durch die geeignete Wahl von Material und Größe der Quantenpunkte erreicht werden. Auf diese Weise könnten beispielsweise sämtliche Fensterfronten in Hochhäusern für die Photovoltaik genutzt werden. Mit dieser Technologie könnte auch das Sonnenlicht in Gewächshäusern gezielt gelenkt werden, sodass Nutzpflanzen schneller reifen und geerntet werden können.

Die Forscher führen eine Vielzahl weiterer Anwendungen im Artikel auf (siehe Abbildung). Diese betreffen sehr unterschiedliche Technologiefelder wie beispielsweise die Herstellung von energieeffizienten Displays und Beleuchtungsmodulen für die Optoelektronik, Sensorik wie etwa in Wärmebildkameras, das Feld der Quantentechnologien oder den Einsatz als medizinische Marker. In vielen Bereichen scheinen die Anwendungen zum Greifen nahe. In anderen sind wiederum noch signifikante Herausforderungen zu lösen – sei es die Entwicklung von umweltfreundlichen Materialien ohne Schwermetalle, die ressourcenschonende, „grüne“ Herstellung der Quantenpunkte durch neuartige chemische Ausgangsstoffe oder ihr Recycling. Auch daran arbeiten bereits Forscher*innen weltweit intensiv.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Manfred Bayer
Fakultät Physik, TU Dortmund
manfred.bayer@tu-dortmund.de


Originalpublikation:

García de Arquer et al.: Semiconductor quantum dots: Technological progress and future challenges. Science 373, DOI: https://doi.org/10.1126/science.aaz8541


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW