Mit Deepflash zur Diagnose



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09.06.2021 11:00

Mit Deepflash zur Diagnose

Mikroskopische Bilder von Gewebeschnitten lassen sich jetzt viel einfacher auswerten – mit einem innovativen digitalen Tool. Dafür haben zwei Würzburger Forscher gleich drei Preise bekommen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Informationstechnologie kann das Leben in vielen Bereichen erleichtern – auch in der Forschung. In der Medizin etwa ist es nach wie vor Standard, Mikroskopiebilder von Gewebeschnitten händisch auszuwerten. Auf diese Weise wird beispielsweise beurteilt, wie viele Krebszellen sich in einem Lymphknoten befinden.

„Oft sitzt man stundenlang in einem dunklen Raum und zählt die Zellen auf einem Bild, das mit einem Fluoreszenzmikroskop aufgenommen wurde. Das kostet unglaublich viel wertvolle Zeit“, erzählt Philipp Sodmann, der am Universitätsklinikum Würzburg in der Herzforschung tätig ist.

Doch jetzt tut sich für die Lebenswissenschaften ein neuer Horizont auf: Das neue digitale Tool deepflash2 erleichtert die Analyse von Mikroskopiebildern ganz wesentlich. deepflash2 ist frei verfügbar und basiert auf Methoden des maschinellen Lernens.

Jury hebt einen Qualitätsaspekt hervor

Matthias Griebel vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Business Analytics der Universität Würzburg hat das Tool im Rahmen seiner Promotion entwickelt. Das Tool bildete das Fundament der Lösung, die er gemeinsam mit dem Mediziner Philipp Sodmann für einen internationalen Data-Science-Wettbewerb entwickelt hat. In diesem Wettbewerb war das Team der beiden Würzburger erfolgreich: Es erhielt im Mai 2021 den mit 10.000 US-Dollar dotierten Innovationspreis und eine Gold-Medaille der Online-Plattform Kaggle.

Die hochkarätig besetzte Jury mit Fachleuten aus Medizin, Biologie und Künstlicher Intelligenz (KI) bescheinigte deepflash2 eine weitere Qualität: Das Programm erkennt auch Uneindeutiges.

„In der Biologie ist nicht alles schwarz oder weiß“, erklärt Matthias Griebel. Nicht selten zweifeln Forschende, ob Zellen, die sie in einem Gewebeschnitt sehen, noch funktionsfähig sind. In solchen Fällen weist deepflash2 darauf hin: Hier müssen noch einmal Menschen draufschauen! Eben dies macht das Tool nach Meinung der Jurymitglieder besonders innovativ.

Frei verfügbar für Forschende

Noch ist deepflash2 ein Geheimtipp für Forschende, die sich mit der Biobildanalyse befassen. Das grandiose Abschneiden beim Data-Science-Wettbewerb will Matthias Griebel nun aber zum Anlass nehmen, um verstärkt Werbung für sein Werkzeug zu machen.

Da es sich um ein Open-Source-Tool handelt, können andere Forschende es kostenlos im Browser nutzen oder auf dem eigenen Computer installieren. Inzwischen tüftelt Griebel schon daran, deepflash2 durch die Erkenntnisse aus dem Wettbewerb weiter zu verbessern.

Zum Tool deepflash2 bei Github: https://matjesg.github.io/deepflash2/

Anwendbar auch ohne KI-Wissen

Wirtschaftsinformatiker Griebel macht seine Doktorarbeit bei Professor Christoph Flath. Großen Wert legt er bei der Entwicklung darauf, dass auch Forschende ohne KI-Expertise das Tool problemlos nutzen können.

Die komplizierten Vorgänge hinter den Kulissen brauchen die Anwenderinnen und Anwender in Medizin und Biowissenschaft nicht zu interessieren. Für sie ist es laut Griebel vor allem wichtig, die Biobildanalyse schneller und gleichzeitig zuverlässiger zu gestalten. Damit ein künstliches neuronales Netz das leisten kann, muss es anhand umfangreicher Datensätze intensiv trainiert werden, so der Wissenschaftler.

Entscheidungen trifft der Mensch

An Ende bleiben es aber Menschen, die eine Schlussfolgerung aus den Bildern ziehen. Das dürfte alle beruhigen, die befürchten, dass Künstliche Intelligenzen in der Medizin künftig über Wohl und Wehe entscheiden werden. Genau das, betont Philipp Sodmann, sei nicht der Fall und werde sicher nie der Fall werden.

Sodmann appelliert, die vielfältigen Möglichkeiten der KI zu erkennen. Der Data-Science-Wettbewerb zum Beispiel fand vor dem Hintergrund des 2016 gestarteten Projekts „Human BioMolecular Atlas Program“ statt. Dessen Ziel ist es, jede einzelne der rund 37 Billionen Zellen des Menschen abzubilden und zu charakterisieren. Ohne KI wäre das unmöglich.

Preis für die beste Präsentation

Für den Data-Science-Wettbewerb von Kaggle waren insgesamt Lösungen von rund 1.200 Teams aus mehr als 50 Ländern eingereicht worden. Matthias Griebel und Philipp Sodmann landeten auf Platz 10.

„Wobei sich die ersten Plätze in einem Kopf-an-Kopf-Rennen entschieden“, so Griebel. Aufregend war für ihn und seinen Kollegen auch die Präsentation des Projekts vor internationalem Publikum. Dabei sahnten die zwei Würzburger nochmals ab: Sie gewannen auch den Preis für die beste Präsentation, zusätzlich zur Gold-Medaille und zum Innovationspreis.

Geeignet für verschiedene Krankheitsbilder

Matthias Griebel möchte nicht im Elfenbeinturm vor sich hinforschen. Ihm ist es wichtig, Tools zu entwickeln, die am Ende den Menschen helfen. Und vielleicht sogar Menschenleben retten.

Können Mikroskopiebilder schneller und sicherer ausgewertet werden, kann es auch schneller zu einer Diagnose kommen. Und zwar bei ganz verschiedenen Erkrankungen. Weil das Programm deepflash2 trainierbar ist, kann es zum Beispiel lernen, verschiedene funktionelle Gewebseinheiten zu erkennen. So kann der Algorithmus mithilfe des maschinellen Lernens beigebracht bekommen, auf einem Bild die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zu identifizieren.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Matthias Griebel, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Business Analytics, Universität Würzburg, matthias.griebel@uni-wuerzburg.de


Weitere Informationen:

https://matjesg.github.io/deepflash2/ deepflash2 bei Github


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Informationstechnik, Medizin, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Personalia
Deutsch


Quelle: IDW