Teilen:
06.08.2025 17:00
Nanophotonik: Ultraschneller Lichtschalter
LMU-Forschende entwickeln eine Methode, mit der sich die Wechselwirkung von Licht mit einem Material ultraschnell kontrollieren lässt. Dies eröffnet neue Wege für schnellere optische Computer, Quantenkommunikation und photonische Schaltkreise.
In der Nanophotonik werden winzige Strukturen verwendet, um Licht auf der Nanoskala zu kontrollieren und für technologische Anwendungen nutzbar zu machen. Ein zentrales Element sind dabei sogenannte optische Resonatoren, die Licht einer bestimmten Farbe (Wellenlänge) einfangen und verstärken. Bisherige Methoden, diese Resonanzen zu steuern, glichen eher einem Dimmer: Man konnte die Resonanz abschwächen oder ihre Farbe leicht verschieben. Ein echtes, vollständiges An- und Ausschalten war jedoch nicht möglich, da die Resonatoren immer eine grundlegende Kopplung zum Licht beibehalten.
Einem Team um Andreas Tittl, Professor für Experimentalphysik an der LMU, ist nun gemeinsam mit Partnern von der Monash University in Australien genau dieser Durchbruch gelungen. Wie die Forschenden im Fachmagazin Nature berichten, haben sie eine neue Methode entwickelt, um die Kopplung zwischen einem Nanoresonator und Licht gezielt und auf ultraschnellen Zeitskalen zu steuern. So kann eine Resonanz innerhalb weniger Pikosekunden aus dem Nichts erschaffen oder wieder komplett zum Verschwinden gebracht werden.
Unsichtbar für das Licht
Der Schlüssel dazu liegt in einem raffinierten Design von sogenannten Metaoberflächen – ultradünnen Schichten, die mit speziell angeordneten Nanostrukturen versehen sind. Die Forschenden entwarfen und bauten Strukturen aus jeweils zwei winzigen Silizium-Stäbchen, die bewusst geometrisch unterschiedlich geformt, also asymmetrisch sind. Der Clou: Obwohl die Stäbchen verschieden sind, heben sich ihre optischen Antworten für eine bestimmte Lichtwellenlänge exakt gegenseitig auf. Die Struktur ist also physisch vorhanden und bleibt trotzdem für das Licht quasi unsichtbar: die Resonanz ist „ausgeschaltet“.
Genau diese Asymmetrie ermöglicht den Schaltvorgang. Da die beiden Nano-Stäbchen unterschiedlich sind, reagieren sie auch unterschiedlich auf Licht verschiedener Wellenlängen und Polarisationen. Die Physiker nutzen dies aus, indem sie mit einem ultraschnellen Laserpuls von nur 200 Femtosekunden Dauer gezielt nur eines der beiden Nano-Stäbchen anregen. Dadurch werden dessen optische Eigenschaften kurzzeitig verändert, die feine Balance wird gestört und die Resonanz koppelt plötzlich an das Licht – sie wird „eingeschaltet“.
Gezielte Symmetriebrechung
„Das Herzstück unserer Arbeit ist diese bewusste Symmetriebrechung auf extrem kurzen Zeitskalen“, sagt Andreas Tittl. „Wir erzeugen eine perfekte optische Balance in einem strukturell asymmetrischen System. Indem wir dieses Gleichgewicht mit einem Laserpuls gezielt stören, gewinnen wir einen völlig neuen Freiheitsgrad, um die Licht-Materie-Wechselwirkung zu kontrollieren. Wir können eine Resonanz nach Belieben erzeugen, auslöschen oder ihre Bandbreite wie mit einem Regler präzise anpassen.“
Neben dem numerischen Design und der anschließenden Herstellung der Metaoberflächen im Reinraum stellte auch die optische Messung ihres zeitlichen Verhaltens eine große Herausforderung dar. „Nur mit Hilfe unseres zeitaufgelösten Spektroskopie-Ansatzes konnten wir diese ultraschnellen Vorgänge experimentell einfangen und quasi in Echtzeit zusehen, wie die Resonanz innerhalb von Pikosekunden erscheint und wieder verschwindet“ sagt Leonardo de S. Menezes, der die Spektroskopie-Experimente verantwortet hat. „Unsere Messungen zeigten, dass die Kopplung ans Licht enorm gesteigert werden konnte, während unerwünschte Energieverluste im Material selbst kaum auftraten. Das war der definitive Beweis, dass unser Ansatz der zeitlichen Symmetriebrechung genau wie vorhergesagt funktioniert.“
In ihren Experimenten, maßgeblich ausgeführt von den beiden Erstautoren Andreas Aigner und Thomas Possmayer, demonstrierte das Team vier verschiedene Schaltvorgänge: das Erzeugen einer Resonanz aus einem „dunklen“ Zustand, das vollständige Auslöschen einer bestehenden Resonanz sowie das gezielte Verbreitern oder Schärfen des Resonanzprofils. Beim Schärfen konnten die Forschenden beispielsweise den Gütefaktor der Resonanz, ein Maß für ihre Qualität, um mehr als 150 Prozent erhöhen. Diese Kontrolle erfolgt mit extrem hoher Präzision und Geschwindigkeit und vermeidet die störenden Verluste, die bei bisherigen Methoden oft auftreten.
Paradigmenwechsel für die Nanophotonik
Die Fähigkeit, die Kopplung an das Licht direkt zu steuern, ist ein Paradigmenwechsel für die aktive Nanophotonik. Das Prinzip ist zudem nicht auf Silizium beschränkt, sondern lässt sich leicht auf andere Materialien und noch schnellere Schaltmechanismen erweitern, was das Potenzial für zukünftige Anwendungen weiter vergrößert. Die präzise Kontrolle über die An- und Abwesenheit von Resonanzen könnte nicht nur verlustarme, rein optische Schalter für die Telekommunikation oder die optische Datenverarbeitung ermöglichen, sondern auch die Erforschung komplexer Quantenphänomene wie etwa den sogenannten Zeitkristallen vorantreiben.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Andreas Tittl, Nanoinstitut, Fakultät für Physik / LMU
Forschungsgruppe Funktionale Nanophotonik
Tel: 0049 89 2180 83960
Email: Andreas.Tittl@physik.uni-muenchen.de
Originalpublikation:
Andreas Aigner, Thomas Possmayer, Thomas Weber, Alexander A. Antonov, Leonardo de S. Menezes, Stefan A. Maier & Andreas Tittl. Optical control of resonances in temporally symmetry-broken metasurfaces. Nature 2025
https://www.nature.com/articles/s41586-025-09363-7
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-09363-7
Bilder
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Informationstechnik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
