05.01.2021 10:58
Studie: Wie (un)beliebt ist die „Corona-Warn-App“?
Forscher*innen aus Berlin und Bochum untersuchten, welche Personen die „Corona-Warn-App“ in Deutschland nutzen, welche nicht und wie sie ihre Entscheidung begründeten.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
In ihrer Studie setzen vor allem Angehörige einer Risikogruppe sowie jüngere Personen die App zur Kontaktverfolgung ein. Männer nutzen sie häufiger als Frauen, Vollzeit-Beschäftigte eher als Personen in Ausbildung. Personen, die die „Corona-Warn-App“ nicht nutzen, sind in dieser Studie im Durchschnitt älter, weiblich und gesünder. Sie vertrauen anderen im Allgemeinen weniger und befinden sich eher in Ausbildung oder Studium.
Dagegen hängen weder Bildungsjahre noch Elternschaft signifikant mit der Nutzung der Kontaktverfolgungs-App zusammen.
Dies fand ein Forschungsteam um Dr. Susanne Bücker von der Ruhr-Universität Bochum und Prof. Dr. Kai Horstmann von der Humboldt-Universität zu Berlin heraus. Die Expert*innen für Persönlichkeitspsychologie befragten im Rahmen der Bochum Berlin Covid-19 Längsschnitt-Studie online 1.972 Deutschen im Alter von 18 bis 88 Jahren, ob diese die App nutzen und warum, beziehungsweise warum nicht. Die Studie ist im European Journal of Public Health erschienen.
Unter den 1.972 Studienteilnehmer*innen nutzten 1.291 die „Corona-Warn-App“. Als Begründung nannten sie vor allem, dass es keinen Grund gäbe, sie nicht einzusetzen. Außerdem würden die Vorteile der App ihre Risiken aufwiegen und sie helfe dabei, die Pandemie zu verlangsamen. Die 681 Studienteilnehmer*innen, die die „Corona-Warn-App“ nicht nutzen, hegen vor allem Bedenken in Bezug auf den Datenschutz, die Effektivität der App zur Eindämmung der Pandemie oder sie verfügen über unzureichende technische Möglichkeiten.
Die „Corona-Warn-App“ wurde von der Bundesregierung und dem Robert-Koch-Institut entwickelt, um die Ausbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Sie erfasst Begegnungen per Bluetooth-Funktion und warnt die Nutzer*innen, wenn sie mit einer Person in Kontakt waren, die kürzlich positiv auf das Corona-Virus getestet wurde – sofern diese den positiven Befunde selbst in die „Corona-Warn-App“ eingetragen hat. Kontaktverfolgungs-Apps wie die deutsche „Corona-Warn-App“ sind allerdings erst dann besonders effektiv, wenn sie von vielen Personen aktiviert werden.
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Warn-App-Kampagnen vor Veröffentlichung der App die Bedenken von App-Ablehner*innen zum Datenschutz und zur Effektivität nicht vollständig ausräumen konnten. Das Forschungsteam schlägt vor, dass Personengruppen, die die App durchschnittlich seltener nutzten, Zielgruppe zukünftiger Kampagnen des Gesundheitswesens in der Bekämpfung der COVID-19 Pandemie sein könnten. Jedoch ist weitere Forschung zur Infektionsprävention (inkl. Nutzung von Kontaktverfolgungs-Apps) notwendig, die repräsentative Stichproben nutzt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Kai Tobias Horstmann
Humboldt-Universität zu Berlin
Psychological Assessment of Person-Situation-Dynamics
mail: kai.horstmann@hu-berlin.de
Originalpublikation:
“Short report: Who does or does not use the “Corona-Warn-App” and why?” European Journal of Public Health, ckaa239, https://doi.org/10.1093/eurpub/ckaa239
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch