Wie Sprache entstanden ist: Erst verstehen, dann reden



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27.05.2019 17:00

Wie Sprache entstanden ist: Erst verstehen, dann reden

Warnrufe der Grünmeerkatzen erlauben Rückschlüsse auf die Evolution von Sprache

Die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen ist einzigartig im Tierreich. Wie sie im Laufe der Evolution entstanden ist, wird unter anderem anhand des Alarmrufsystems der Grünmeerkatzen erforscht. Die im südlichen Afrika lebenden Grünmeerkatzen warnen ihre Artgenossen vor Raubfeinden mit speziellen Warnrufen, die „Leopard“, „Adler“ oder „Schlange“ bedeuten. In einer jetzt veröffentlichten Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) – Leibniz-Institut für Primatenforschung untersucht, wie Westliche Grünmeerkatzen auf unbekannte Geräusche reagieren. Dazu haben sie eine Drohne über eine Gruppe Westlicher Grünmeerkatzen hinwegfliegen lassen und ihnen später eine Tonaufnahme der Drohnengeräusche vorgespielt. Aus den Reaktionen der Tiere konnten die Forscher schließen, dass die Tiere sehr schnell lernen, was das Drohnengeräusch bedeutet. Die Affen haben jedoch keinen neuen Warnruf kreiert, sondern einen Ruf verwendet, den die verwandten Südlichen Grünmeerkatzen für Raubfeinde aus der Luft verwenden. Dies legt nahe, dass die Art der Lautäußerungen schon vor langer Zeit im Laufe der Evolution festgelegt wurden (Nature Ecology & Evolution).

Südliche Grünmeerkatzen haben drei große Raubfeinde: Leoparden, Adler und Schlangen. Für jeden dieser Räuber haben sie spezielle Warnrufe entwickelt, auf die die Tiere mit entsprechenden Strategien reagieren: Beim Ruf „Leopard“ klettern sie auf einen Baum, beim Ruf für „Adler“ suchen sie den Himmel ab und verstecken sich, beim Ruf „Schlange“ stellen sie sich auf zwei Beine und verharren reglos. Die nah verwandten Westlichen Grünmeerkatzen verwenden ebenfalls Warnrufe für Leoparden und Schlangen, jedoch keinen für Raubfeinde aus der Luft. Mit diesen Tieren hat das Team um Verhaltensforscherin Julia Fischer vom Deutschen Primatenzentrum nun einen Playback-Versuch durchgeführt, um die Evolution des Alarmrufsystems zu untersuchen und letztlich Rückschlüsse auf die Entstehung von Sprache zu erlangen.

Das Drohnen-Experiment

Westliche Grünmeerkatzen leben unter anderem in der Nähe der DPZ-Forschungsstation Simenti im Senegal. Julia Fischer und ihr Team haben diese Tiere mit einer neuen, potentiellen Gefahr aus der Luft konfrontiert: einer Drohne, die sie in 60 Metern Höhe über die Tiere hinwegfliegen ließen. Die Geräusche der Drohne wurden dabei aufgezeichnet und den Tieren später vorgespielt. So wollten die Forscher überprüfen, wie schnell die Tiere lernen, welche Bedeutung die Töne haben. Im Playback-Experiment reagierten die Tiere auf die Drohnengeräusche mit Warnrufen, einige suchten den Himmel ab und versteckten sich. Diese Warnrufe unterschieden sich deutlich von den Lauten, die die Tiere in Gegenwart von Schlangen und Leoparden ausstoßen. Die Rufe ähnelten jedoch den Warnrufen, die Südliche Grünmeerkatzen ausstoßen, wenn sich ein Adler aus der Luft nähert.

Schnelles auditives Lernen

„Die Tiere haben schnell gelernt, was die zuvor unbekannten Geräusche bedeuten und sich diese Information gemerkt“, sagt Julia Fischer, Leiterin der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum und Hauptautorin der Studie. „Dies zeigt ihre Fähigkeit zu auditivem Lernen.“

Lautgebung tief in der Evolution verankert

Die Westlichen Grünmeerkatzen haben ihre Artgenossen vor der neuen Gefahr aus der Luft mit einem Ruf gewarnt, der sehr ähnlich klingt wie der Ruf, den die nah verwandten Südlichen Grünmeerkatzen bei Gefahr durch einen Adler ausstoßen. „Die Rufstruktur scheint früh in der Evolutionsgeschichte der Meerkatzen angelegt worden zu sein“, so Julia Fischer.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Julia Fischer
Tel.: +49 (0) 551 3851-375
E-Mail: jfischer@dpz.eu


Originalpublikation:

Wegdell F, Hammerschmidt K, Fischer J (2019): Conserved alarm calls but rapid auditory learning in monkey responses to novel flying objects. Nature Ecology & Evolution, DOI: 10.1038/s41559-019-0903-5, http://dx.doi.org/10.1038/s41559-019-0903-5


Weitere Informationen:

https://www.dpz.eu/de/aktuelles/neuigkeiten.html – Pressemitteilung auf der DPZ-Homepage
http://medien.dpz.eu/pindownload/login.do?pin=ED59R – Druckfähige Bilder, Videos und Audiodateien


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW