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20.08.2025 10:59
Spurensuche im Museum. NS-Raubgut in der Sammlung entdeckt
Oldenburg. Metallobjekte, die jahrzehntelang als römische Funde aus dem niedersächsischen Bentumersiel galten, entpuppen sich als mögliches NS-Raubgut. Neue Recherchen des Landesmuseums Natur und Mensch Oldenburg in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) und dem Fries Museum in Leeuwarden brachten eine brisante Herkunftsgeschichte ans Licht.
Die sieben Metallobjekte – darunter Fibeln, eine Statuette und andere Metallobjekte – wurden 1983 vom Landesmuseum angekauft, nachdem sie gemeinsam mit weiteren Stücken von einem Sammler angeboten worden waren. Als Fundort war damals „Bentumersiel“ angegeben – ein bedeutender archäologischer Fundplatz an der Ems mit einem ungewöhnlich hohen Anteil von Funden römischer Militaria und Luxusgüter. Schon zu diesem Zeitpunkt des Kaufs wurden Zweifel laut: Denn in den damaligen Akten wurde vermerkt „angeblich Bentumersiel?“
Im Rahmen eines aktuellen archäologischen Projektes am Landesmuseum Natur und Mensch wurden die der Fundstelle Bentumersiel zugeschriebenen Stücke gemeinsam mit dem LEIZA erneut ausgewertet – mit einem eindeutigen Ergebnis: Sie sind zeitlich und auch in ihrer Zusammensetzung untypisch für diese Fundstelle.
Neue Recherchen auf Basis der Ankaufsdokumentation weisen nun in eine andere Richtung – nach Arnheim in den Niederlanden und in die Zeit der schweren Kämpfe im Zweiten Weltkrieg. In der Endphase des Krieges, während der Schlacht um die Rheinbrücke von Arnheim, kam es nachweislich zu Plünderungen leerstehender Häuser durch Wehrmachtseinheiten – in diesem Zusammenhang ist auch die Verschleppung von Kulturgut dokumentiert. Fotografien der angebotenen Funde und Beschriftungsvergleiche legen nahe, dass die Objekte aus der Privatsammlung des Arnheimer Fotografen und Privatsammlers Adam Jacobus Hieronimus Van der Toorn (1870–1919) stammen. Diese Sammlung befindet sich heute zu großen Teilen im Fries Museum Leeuwarden und im Museum Arnhem. Sie wurde von den Erben an die niederländischen Museen übergeben.
„Die Indizien sprechen klar dafür, dass es sich bei den Objekten um Raubgut handelt“, so Archäologin Dr. Annette Siegmüller derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg. „Die aktuellen Recherchen erweitern nicht nur das Wissen zu unserer Sammlung, sondern sie sind Teil unserer ethischen Verantwortung im Umgang mit Sammlungsgut.“
Museumsdirektorin Dr. Ursula Warnke erklärt: „Museen sind nicht nur Orte der Bewahrung, sondern auch der kritischen Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlungsgeschichte. Provenienzforschung bedeutet, genau hinzusehen – auch dort, wo Herkunft lange als gesichert galt. Wir nehmen diese Aufgabe ernst und verstehen Transparenz, Kooperation und Aufarbeitung als festen Bestandteil unserer Museumsarbeit.“
Das Landesmuseum geht derzeit der Frage nach, was aus den übrigen, nicht angekauften Objekten des damaligen Konvoluts wurde. Von diesen sind lediglich Fotografien erhalten. Sie zeigen kunstvoll gearbeitete Metallobjekte und seltene Knochenfunde, deren Formgebung eine Ansprache als frühmittelalterliche Objekte aus dem niederländischen Küstengebiet erlaubt. In Kooperation mit den niedersächsischen und niederländischen Museumskolleg*innen wird nun versucht, ihre Herkunft und ihren Verbleib weiter aufzuklären.
Es ist geplant, die nun neu zugeordneten Funde und ihre bewegte Sammlungsgeschichte im Herbst temporär im Museum zu zeigen.
Presseabbildungen
zum Download unter https://www.naturundmensch.de/presse
1_Die Archäologen Dr. Frank Both und Dr. Anette Siegmüller haben die wirkliche Herkunft der Funde im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg ausfindig gemacht.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
2_ Dr. Frank Both und Dr. Anette Siegmüller begutachten die neu zugeordneten Funde.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
3_ Römische Statuette aus dem angebotenen Konvolut. © Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
4_Dokumentation der zum Kauf angebotenen Funde.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
5_Dr. Anette Siegmüller mit Fotografien der 1982 dem Museum angebotene Funde, die letztlich die Zuordnung des Fundkonvoluts zur Sammlung Van der Toorn ermöglichten.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
6_1983 erworbene Metallfunde mit der Herkunft angeblich Bentumersiel, die sich nun als Raubgut während des zweiten Weltkriegs entpuppten.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
7_ Der Vergleich der Etiketten auf Fotografien lenkt die Spur ins Fries Museum zum Sammler Van der Toorn.
© Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Anette Siegmüller a.siegmueller@landesmuseen-ol.de
Bilder
Die Archäologen Dr. Frank Both und Dr. Anette Siegmüller haben die wirkliche Herkunft der Funde im L …
Copyright: Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg
1983 erworbene Metallfunde mit der Herkunft angeblich Bentumersiel, die sich nun als Raubgut während …
Copyright: Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg

Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
