05.08.2021 11:11
Abwasser-Monitoring als Pandemie-Frühwarnsystem für Metropolen
Ein Forschungsteam unter der Leitung des Tropeninstituts am LMU Klinikum München hat die Ergebnisse einer der ersten und bisher längsten Untersuchungen zur Abwasserüberwachung auf das neuartige Coronavirus in Bayern in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment veröffentlicht. Die einjährige Verlaufsstudie im Münchner Stadtgebiet bestätigt das Potential des Abwasser-Monitorings, um die Dynamik der Pandemie und die Ausbreitung neuer Virusvarianten frühzeitig zu erkennen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Abwasser-Monitoring zum Nachweis von SARS-CoV-2 gewinnt zunehmend an Bedeutung. Lokale Abwasseruntersuchungen erfolgen seit dem Auftreten der Pandemie ab 2020. Im Frühjahr 2021 bekräftigte die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung, eine systematische Abwasser-Überwachung von SARS-CoV-2 und seinen Varianten in allen EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Besonders in Metropolen, in denen sich das Virus rapide verbreiten kann, bietet die Abwasser-basierte Epidemiologie (Waste-water based epidemiology, WBE) große Vorteile.
Die einjährige Verlaufsstudie, die im April 2020 startete, ist eine der ersten und längsten Untersuchungen zur Nachverfolgung der SARS-CoV-2 RNA Viruslast im Abwasser weltweit und insbesondere in Deutschland. Nun wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment veröffentlicht. Unter der Leitung des Tropeninstituts am LMU Klinikum München beteiligten sich die Virologie des Max von Pettenkofer-Instituts, das Genzentrum der LMU, die Münchner Stadtentwässerung, die Branddirektion München, das Gesundheitsreferat der Stadt München und die Task Force Infektiologie des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) an der Studie.
Finanziert wurde die Forschung durch das Bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Wissenschaftsminister Bernd Sibler betont die praktische Relevanz der Untersuchung: „Sie leistet einen wertvollen Betrag, trotz der anhaltenden Corona-Pandemie weitere Schritte zur Normalisierung des öffentlichen Lebens in den Blick zu nehmen. Deshalb haben wir die Studie Prospektive COVID-19 Kohorte München – KoCo19 mit rund einer Million Euro unterstützt.“
Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch Abwasser-Analyse bereits Wochen früher festgestellt als in offiziellen Meldezahlen:
In ihrer Untersuchung im Raum München sammelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Anfang April 2020 über ein Jahr lang wöchentlich Abwasserproben an sechs Standorten im Münchner Stadtgebiet. Die Proben wurden im Labor mittels RT-PCR (reverse transcription polymerase chain reaction) und Genomsequenzierung untersucht, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 in München im zeitlichen und räumlichen Verlauf zu messen. Durch die Entschlüsselung des Erbguts anhand der Sequenzierung isolierter Virus-RNA erhielten die Forscher zudem Informationen, ob in den Proben besorgniserregende Virusvarianten (variants of concern, VOC) auftraten.
Die Ergebnisse zeigten, dass die in den Proben nachgewiesene SARS-CoV-2-RNA-Last gut mit den offiziellen Daten der 7-Tage-Inzidenz in den jeweiligen Stadtgebieten übereinstimmte. Studienleiter PD Dr. med. Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum berichtet: “Durch die im Abwasser gemessene Viruslast haben wir die lokale Inzidenz für die Verbreitung von SARS-CoV-2 bereits drei Wochen früher festgestellt als in den Meldezahlen der Behörden, die auf der Analyse von Atemwegsabstrichen basieren. Zudem konnten wir die zunehmende Ausbreitung der Virusvariante B.1.1.7 (Alpha) in der Münchner Bevölkerung bereits Anfang Januar 2021 nachweisen, Wochen bevor diese durch die Sequenzierung von Abstrich-Proben von Patienten in München in relevanter Zahl festgestellt werden konnte.”
Insgesamt bestätigt die Studie das Potential des Abwasser-Monitorings als Frühwarnsystem für die SARS-CoV-2 Pandemie und die Vorteile im Vergleich zu Massentests durch Abstriche. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Verbreitung besorgniserregender Virusvarianten in der lokalen Bevölkerung. Außerdem weist die Abwasser-Beprobung weniger Verzerrungen z.B. durch geänderte Regeln bei der Probenahme oder bei Meldewegen auf, als dies bei auf Abstrich-/Meldedaten basierten Statistiken der Fall ist.
Originalpublikation:
Rubio-Acero R, Beyerl J, Muenchhoff M, Sancho Roth M, Castelletti N, Paunovic I, Radon K, Springer B, Nagel C, Boehm B, Böhmer M, Graf A, Blum H, Stefan S, Keppler O, Osterman A, Khan Z, Hölscher M, Wieser A
Spatially resolved qualified sewage spot sampling to track SARS-CoV-2 dynamics in Munich – One year of experience, Science of The Total Environment, Volume 797, 2021, 149031, ISSN 0048-9697, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.149031
*Partner der Studie:
– Leitung: Tropeninstitut (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin), LMU Klinikum München
– Center for International Health (CIH), LMU Klinikum München
– Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Standort München
– Münchner Stadtentwässerung
– Branddirektion München
– Gesundheitsreferat der Stadt München
– Task Force Infektiologie, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL)
– Genzentrum der LMU München
– Max von Pettenkofer-Institut für Virologie, LMU
Finanzierung:
Die Studie wurde durch das Bayerische Ministerium für Wissenschaft und Kunst und das LMU Klinikum München finanziert.
Die Studie ist begleitend und ergänzend zur KoCo19 Studiengruppe (Repräsentative SARS-CoV-2 Studie in München, “Prospektive COVID-19 Kohorte München – KoCo19”), unter Beteiligung von: Helmholtz Zentrum München, Universität Bonn, Universität Bielefeld, Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt01KI20271) und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (Medical Biodefense Research Program) sowie der BMBF Initiative “NaFoUniMedCovid19“ (01KX2021), Unterprojekt B-FAST.
Pressefoto:
https://ars.els-cdn.com/content/image/1-s2.0-S0048969721041036-ga1_lrg.jpg
Copyright: Grafik zur Publikation “Spatially resolved qualified sewage spot sampling to track SARS-CoV-2 dynamics in Munich – One year of experience”, erschienen in Science of The Total Environment, Volume 797, 2021
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
PD Dr. med. Andreas Wieser
Tropeninstitut (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin) LMU Klinikum München
Max von Pettenkofer-Institut, LMU
Tel: +49 89 2180-78 296
E-Mail: wieser@mvp.lmu.de
Pressekontakt:
Judith Eckstein, M.A.
Tropeninstitut (Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin)
LMU Klinikum München
Telefon: +49 89 4400-59839
E-Mail: presse@lrz.uni-muenchen.de
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.149031
Weitere Informationen:
https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/abwasser-monitoring-als…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch