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05.04.2024 10:13
Astronomie: Wie entstehen Braune Zwerge?
Neue Beobachtungen geben Aufschluss darüber, ob die Geburt der Riesenplaneten ähnlich abläuft, wie bei Sternen.
Die Geburt von Sternen ist, besonders in der Frühphase, ein chaotischer und dynamischer Prozess, der durch komplexe Gasstrukturen in Form von Spiralen und Ausläufern geprägt ist. Solche Strukturen werden als “Fütterungsfäden” (feeding filaments) bezeichnet, die das gasförmige Material aus der Umgebung wie kosmische Nabelschnüre in den heranwachsenden Stern einspeisen.
Kosmische Nabelschnur
Braune Zwerge sind Himmelskörper deren Masse weniger als ein Zehntel der Masse der Sonne beträgt. Sie sind damit zu klein, um Kernfusion zu betreiben und wie Sterne zu leuchten. Bisher war der Wissenschaft unbekannt, ob auch sie auf ähnliche Weise entstehen wie sonnenähnliche Sterne. Um das zu überprüfen, muss man es mit sehr empfindlichen und hochauflösenden Bildgebungsverfahren schaffen, Braune Zwerge während ihrer frühesten Entstehungsphase zu beobachten. Einem internationalen Team um LMU-Physikerin Dr. Basmah Riaz von der Universitäts-Sternwarte München ist das nun gelungen: Die Forschenden haben den extrem jungen Braunen Zwerg Ser-emb 16 mithilfe des hochentwickelten ALMA-Observatoriums in Chile vor die Linse bekommen und ihre Ergebnisse kürzlich im Fachmagazin Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht.
„Unsere Beobachtungen haben spektakuläre großräumige Spiral- und Ausläuferstrukturen aufgedeckt, die noch nie zuvor bei einem neugeborenen Braunen Zwerg gesehen wurden“, sagt Riaz. Die Fäden erstrecken sich über ein riesiges Gebiet von ungefähr 2000-3000 Astronomischen Einheiten und sind mit Ser-emb 16 verbunden. In dessen Umgebung sind auch Klumpen von Materieansammlungen zu sehen, die sich möglicherweise ebenfalls zu jungen Braunen Zwergen weiterentwickeln könnten. “Diese Beobachtungen zeigen zum ersten Mal den Einfluss der äußeren Umgebung, der zu einer asymmetrischen Ansammlung von Masse durch Fütterungsfäden auf einen entstehenden Braunen Zwerg führt”, meint die Astronomin.
Kollabierende Klumpen oder magnetische Kerne?
Die spiralförmigen Strukturen und Ausläufer liefern wichtige Hinweise darauf, wie Braune Zwerge geboren werden. Die Forschenden simulierten mögliche Szenarien und verglichen sie mit den Daten aus dem ALMA-Observatorium. Die großen Gebilde könnten zum Beispiel durch Kollisionen kollabierender Materie-Klumpen innerhalb einer Sternentstehungsregion zustande kommen. Derartige Zusammenstöße müssten dafür mindestens einmal im Laufe der Entwicklung von Sternbildungskernen stattfinden. “Wir haben durch neuartige numerische Simulationen gezeigt, dass Kollisionen den Kollaps selbst bei kleinen Klumpen auslösen, wodurch Braune Zwerge entstehen. Dabei bilden sich Spiralen und Ausläufer verschiedener Größen und Formen, weil die Kollisionen in der Regel seitlich und nicht frontal stattfinden”, sagt Co-Autor Dr. Dimitris Stamatellos von der University of Central Lancashire, England. Stimmt dieses Modell, so deute dies auf einen dynamischen Entstehungsprozess von Braunen Zwergen hin, ähnlich wie bei sonnenähnlichen Sternen, bei denen chaotische Wechselwirkungen mit der Umgebung schon in frühen Stadien häufig auftreten.
In einem anderen Szenario zeigten die Simulationen, dass die beobachteten Strukturen der großen (Pseudo)-Scheibe um einen sehr jungen Braunen Zwerg entsprechen, und dass diese durch die Rotation des Kerns in Gegenwart eines starken Magnetfelds verdreht wurde. Wenn dieses Modell korrekt ist, bedeutet das, dass das Magnetfeld eine wichtige Rolle im Entstehungsprozess des Braunen Zwerges spielt.
Ein Vergleich der Beobachtungen mit den Modellen stützt das Gravitationseinbruchsszenario. Es erklärt die asymmetrische Massenakkretion in Form von Spiralen und Ausläufern, wie sie auch um neue Sterne herum zu sehen sind. „Bei Ser-emb 16 handelt es sich also um den besonderen Fall eines Braunen Zwerges, der sich in einem sternähnlichen Entstehungsprozess befindet“, erklärt Professor Masahiro Machida von der Kyushu University in Japan, ebenfalls Co-Autor der Studie. Basmah Riaz ergänzt: „Unsere ALMA-Daten liefern einen einzigartigen Einblick in die frühen Entstehungsstadien von Braunen Zwergen und die Rolle der Gasansammlungen in der äußeren Umgebung.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Basmah Riaz
Universitätssternwarte München
Tel.: 089-2180 75973
briaz@usm.lmu.de
Originalpublikation:
Basmah Riaz, D. Stamatellos & M. Machida: Observations of spiral and streamer on a candidate proto-brown dwarf. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2024.
https://doi.org/10.1093/mnras/stae724
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Informationstechnik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch