Den Feind zum Freund machen



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12.07.2024 10:14

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Den Feind zum Freund machen

Klingt paradox: Das Varizella-Zoster-Virus breitet sich im Körper besser aus, indem es die Immunabwehr verstärkt, wie MHH-Forschende jetzt herausfanden.

Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) kann Windpocken, aber auch Gürtelrose und schwere Komplikationen verursachen. Wenn jemand zum ersten Mal mit dem VZV in Kontakt kommt, gelangt das Virus über die Atemwege zu den Schleimhäuten im Nasen-Rachen-Raum und das angrenzende lymphatische Gewebe, von wo aus es die T-Lymphozyten infiziert. In diesen Abwehrzellen breitet sich das VZV im ganzen Körper aus und erreicht so auch die Hautzellen – was zu Windpocken führt – und die Nervenzellen, wo es dauerhaft bleibt. Wenn VZV später im Leben wieder aktiv wird, verursacht es Gürtelrose.

Um sich gegen VZV zu wehren, bildet der Körper unter anderem Interferone. Doch die Abwehr funktioniert nur begrenzt. Forschende unter der Leitung von Professor Dr. Abel Viejo-Borbolla am Institut für Virologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun analysiert, wie es dem Virus gelingt, diesem Abwehrmechanismus zu entkommen. Das Ergebnis klingt paradox: Das Virus schwächt die Immunantwort nicht ab, sondern verstärkt sie gezielt – zu seinem eigenen Vorteil. Das Forschungsteam veröffentlichte seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Virus nutzt Abwehr als trojanisches Pferd

„Das Glykoprotein C von VZV bindet insbesondere an Interferon gamma. Das führt zu einer Modulation der von diesem Interferon ausgelösten Signale, was zu einer erhöhten Produktion bestimmter Proteine führt, beispielsweise des interzellulären Adhäsionsmoleküls 1“, erläutert Dr. Carina Jacobsen, Erstautorin des Artikels, den Mechanismus. Dieses Molekül fördert die Haftung, so dass T-Zellen leichter an die infizierten Hautzellen binden und mehr Virionen von den Hautzellen auf die Immunzellen übertragen werden können. Gewissermaßen hat das Virus es dann geschafft, das trojanische Pferd zu besteigen – um sich im ganzen Körper auszubreiten.

Die Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für die Entwicklung neuer Medikamente gegen diese und möglicherweise andere Viren.

SERVICE
Die wissenschaftliche Publikation „Viral modulation of type II interferon increases T cell adhesion and virus spread“ finden Sie hier: https://www.nature.com/articles/s41467-024-49657-4


Bilder

Die Erstautorin Dr. Carina Jacobsen (links) und Nina Plückebaum (Zweitautorin) an dem Gerät, mit dem die Wechselwirkung zwischen dem viralen Protein (Glykoprotein C) und dem Interferon gemessen wird.

Die Erstautorin Dr. Carina Jacobsen (links) und Nina Plückebaum (Zweitautorin) an dem Gerät, mit dem
Copyright:Lucas Mendes-Monteiro


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW