14.07.2021 10:00
Doppelt bindet besser: Neue zielgerichtete, hochempfindliche Bildgebung für die Diagnostik des schwarzen Hautkrebses
Das maligne Melanom ist die aggressivste Form von Hautkrebs und mit stark steigender Inzidenz eine der häufigsten Tumorerkrankungen. Bei früher Diagnose kann der Krebs meist operativ entfernt und der Patient geheilt werden. Sind jedoch Metastasen aufgetreten, verschlechtert sich die Prognose. Für eine erfolgreiche Therapie ist es dann essenziell, sämtliche Krebszellen mittels zielgerichteter Bildgebung aufzuspüren. Dabei werden allerdings häufig Metastasen übersehen, wodurch eventuell nicht die optimale Behandlung gewählt wird. Daher haben Mannheimer Forscher jetzt – gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung – neue Bildgebungsagenzien entwickelt, die sämtliche Tumorherde darstellen können.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das maligne Melanom, aufgrund der dunklen Farbe auch schwarzer Hautkrebs genannt, ist die aggressivste Form von Hautkrebs und mit stark steigender Inzidenz eine der häufigsten Tumorerkrankungen in Deutschland. Das maligne Melanom stellt bei Frauen die vierthäufigste und bei Männern die fünfthäufigste Krebserkrankung dar. Seit den 1970er Jahren hat sich die Zahl der Fälle mehr als verfünffacht. Wird die Erkrankung im Frühstadium entdeckt, sind die Heilungschancen sehr hoch, da der Tumor operativ entfernt werden kann. Sind die Tumorherde jedoch in gesundes Gewebe eingewachsen und haben durch Absiedelung über Blut- und Lymphbahnen Metastasen gebildet, verschlechtert sich die Prognose.
Für die Auswahl der optimalen Therapie ist es von größter Wichtigkeit, das Ausmaß der Erkrankung zu kennen, also alle Tumorherde sicher zu identifizieren. Hierfür eignet sich insbesondere die Ganzkörper-Bildgebung, speziell die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), durch die entartetes Gewebe sicher von gesundem Gewebe unterschieden werden kann. Dabei kommen radioaktiv markierte Substanzen, sogenannte Bildgebungsagenzien, zum Einsatz, die zielgerichtet an für die Tumorzellen spezifische Oberflächeneiweiße binden.
Beim malignen Melanom wird üblicherweise der Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R) als Zielstruktur für den Nachweis von Tumorzellen genutzt. Der MC1R verleiht dem schwarzem Hautkrebs seine Farbe und ist bei der Erkrankung in sehr hoher Dichte vorhanden. Bei der Metastasierung kann dieses Oberflächeneiweiß jedoch verloren gehen, sodass dort MC1R-zielgerichtete radiomarkierte Substanzen nicht mehr binden und die entsprechenden Tumorherde nicht dargestellt werden können.
In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt haben Wissenschaftler* der Abteilung für Molekulare Bildgebung und Radiochemie an der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), unter der Leitung von Prof. Dr. Björn Wängler, das Problem gelöst, indem sie neue Bildgebungsagenzien entwickelten, deren radiomarkierte Moleküle an gleich zwei unterschiedliche Oberflächeneiweiße binden. Das erste, der oben genannte MC1R, kommt vor allem auf dem ursprünglichen Tumorherd vor, das zweite vor allem auf Metastasen. Es handelt sich dabei um das sogenannte Integrin αvβ3, ein Oberflächeneiweiß, das insbesondere bei Metastasierung und fortschreitendem Tumorwachstum des malignen Melanoms eine wichtige Rolle spielt.
Durch die starke Bindung der neuen radioaktiven Substanzen an beide relevanten Zieleiweiße können erstmals alle Phasen der Erkrankung und sämtliche Tumorherde mit hoher Empfindlichkeit in der PET dargestellt werden (siehe Abbildung).
Die Entwicklung dieser komplett neuen Substanzklasse umfasste das molekulare Design und die Etablierung eines geeigneten Reaktionsweges. Um systematisch Einflüsse verschiedener Strukturelemente auf die biologischen Eigenschaften der Substanzen ermitteln zu können, wurde der molekulare Aufbau variiert. Anschließend erfolgte die Radiomarkierung der Verbindungen mit dem Positronen-Emitter 18F, um sie mittels Positronen-Emissions-Tomographie nachweisbar zu machen. Hierbei kam eine in der Arbeitsgruppe entwickelte, sogenannte SiFA-Technologie zum Einsatz, die sich besonders für die klinische Translation eignet.
Um das Potenzial der Substanzen für die Tumorbildgebung im Patienten zu ermitteln, wurden sie zunächst an Tumorzellen getestet. Die vielversprechendsten radiomarkierten Substanzen prüften die Wissenschaftler anschließend auch im Tiermodell des malignen Melanoms, um die Belastbarbarkeit des neuen Ansatzes zu belegen. „Die neu entwickelten Verbindungen sind tatsächlich in der Lage, über beide Oberflächeneiweiße an Tumorzellen zu binden. Somit ist das Konzept der zweifach zielgerichteten Anreicherung in malignen Melanomen vollständig tragfähig“, so Björn Wängler. Der Forschungsgruppenleiter sieht daher ein großes Potenzial, maligne Melanome mittels der neuartigen Substanzen künftig auch im Patienten in der klinischen Bildgebung darstellen zu können.
Die Ergebnisse des Mannheimer Forscherteams wurden jüngst in der renommierten Fachzeitschrift Pharmaceuticals publiziert.
* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.
Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung
Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit rund 120.000 Euro unterstützt.
Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 250 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Kontakt:
Henrike Boden
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
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Fax: +49 (0) 89 544187-20
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Dr. Eva Maria Wellnitz
Universitätsmedizin Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Leiterin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
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68167 Mannheim
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:
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Abteilung für Molekulare Bildgebung und Radiochemie
Theodor-Kutzer-Ufer 1-3
68167 Mannheim
Tel.: +49 (0) 621 383-5590
Fax: +49 (0) 621 38- 1473
E-Mail: bjoern.waengler@medma.uni-heidelberg.de
https://www.umm.uni-heidelberg.de/forschung/forschungsschwerpunkte/translational…
Originalpublikation:
Cheng X, Hübner R, von Kiedrowski V, Fricker G, Schirrmacher R, Wängler C, Wängler B.
Design, Synthesis, In Vitro and In Vivo Evaluation of Heterobivalent SiFAlin-Modified Peptidic Radioligands Targeting Both Integrin αvβ3 and the MC1 Receptor – Suitable for the Specific Visualization of Melanomas? Pharmaceuticals. 2021 7 June; 14(6), 547.
DOI: 10.3390/ph14060547
https://www.mdpi.com/1424-8247/14/6/547
Weitere Informationen:
https://www.wilhelm-sander-stiftung.de/
https://www.umm.uni-heidelberg.de/inst/radchem/
https://www.umm.uni-heidelberg.de/medien/pressemitteilungen/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch