„Ein Meilenstein der Fusionsforschung“: Laserfusions-Experte Markus Roth über Durchbruch in den USA und Perspektiven



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18.08.2021 13:46

„Ein Meilenstein der Fusionsforschung“: Laserfusions-Experte Markus Roth über Durchbruch in den USA und Perspektiven

Darmstadt, 18. August 2021. Am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) in Kalifornien ist in diesen Tagen ein Durchbruch in der Fusionsforschung geglückt. Erstmals konnte fast genau so viel Energie erzeugt werden, wie Laserenergie aufgewendet wurde – mehr als 1.300 Kilojoule. Professor Markus Roth, Physiker und Experte für Laserfusions-Forschung an der TU Darmstadt, hat am Bau des bei dem Experiment verwendeten Lasers mitgearbeitet und erläutert Hintergründe und Bedeutung des Forschungserfolgs für die Forschung und die weltweite Energiewirtschaft:

„Dies ist ein Meilenstein in der Fusionsforschung mit Lasern und wird die weitere Forschung zur Nutzung der Fusion zur Energiegewinnung stark beflügeln.
Das Ergebnis ist besonders für die zivile Nutzung für die Energieversorgung von Interesse. Es zeigt den großen Fortschritt im Verständnis der zugrunde liegenden Physik, der Entwicklung in der Lasertechnik und der Herstellung von Fusionstargets mit hoher Qualität.
Bei allen Versuchen in der Vergangenheit verhinderten Instabilitäten oder eine Asymmetrie im Strahlungsfeld eine Zündung. Die großartigen Fortschritte der letzten Jahre im Verständnis der Laser-Plasma-Wechselwirkung gipfelten in dem Experiment am 8. August am Lawrence Livermore National Laboratory, bei dem rund zehnmal mehr Energie durch die Fusion erzeugt wurde als in den bisherigen Experimenten.
Dieser Sprung entspricht im Prinzip einem sogenannten break-even: Es wird genauso viel Fusionsenergie erzeugt, wie Laserenergie aufgewendet wird.“

Hintergrund: Worum geht es?
Bei der Trägheitsfusion, wie sie am Lawrence Livermore National Laboratory verfolgt wird, befindet sich eine etwa zwei Millimeter große Kapsel, welche mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllt ist, im Inneren eines etwa einen Zentimeter langen, hohlen Metallzylinders. Von beiden Enden des Zylinders strahlen jeweils 96 Laserstrahlen in den Hohlraum und erzeugen im Inneren ein extremes Strahlungsfeld. Dieses verdampft die Außenseite der Kapsel, und das Innere der Kapsel wird ins Zentrum hin beschleunigt. Dort treffen alle Teile des Deuterium- und Tritium-Brennstoffs mit ca. 300 bis 400 Kilometern pro Sekunde aufeinander und erzeugen eine Dichte und eine Temperatur, die die Atomkerne miteinander verschmelzen lässt. Das dabei entstehende Helium heizt den Brennstoff weiter auf und erlaubt es einem bestimmten Anteil des Brennstoffs zu verschmelzen, bis der Brennstoff schließlich wieder auseinanderfliegt. Bei diesem Prozess werden große Mengen Energie freigesetzt, was das Verfahren im Prinzip für die Energieproduktion interessant macht.

Laserfusionsforschung an der TU Darmstadt
Die Fusionsforschung an der TU Darmstadt arbeitet seit vielen Jahren auf dem Gebiet der zivilen Nutzung der Fusion mit dem Lawrence Livermore National Laboratory zusammen. Dabei verfolgt die TU Darmstadt das Prinzip des „direct-drive“, bei dem die Kapsel direkt von Laserstrahlen getrieben wird. Dieses Verfahren ist ein vielversprechender Ansatz für die kommerziell attraktive Energieproduktion und ist unbrauchbar für militärische Anwendung. Die TU Darmstadt hat darüber hinaus ein Verfahren entwickelt, welches verspricht, mit kleineren Laseranlagen und höherem Energiegewinn einen effizienteren Weg zur sauberen, sicheren und zuverlässigen Energieversorgung zu beschreiten. Dieses Prinzip, die sogenannte „schnelle Zündung“, wurde von TU-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern entwickelt und wird in Forschergruppen in aller Welt aktuell verfolgt. Die jüngsten Ergebnisse aus Kalifornien zeigen den Fortschritt der letzten Jahre und werden diese Forschungsanstrengungen in naher Zukunft intensivieren.

Der Experte
Prof. Dr. Markus Roth
Arbeitsgruppe Laser- und Plasmaphysik, Institut für Kernphysik am Fachbereich Physik
• Doktorarbeit: Aufbau des ersten Hochenergielasers an der Gesellschaft für Schwerionenforschung.
• Postdoc: Konzept und Design des PHELIX-Lasers an der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI). GSI-Mitarbeiter.
• Forschungsaufenthalt am Lawrence Livermore National Laboratory: Mitarbeit beim Aufbau der National Ignition Facility, Laserentwicklung zum Aufbau des PHELIX-Lasers, Forschung mit dem ersten Petawatt-Lasersystem der Welt. Entdeckung lasergetriebener Ionenstrahlen. Entwicklung des Konzepts der schnellen Zündung mit Laser-Ionenstrahlen für effiziente Trägheitsfusion zur Energiegewinnung.
• Forschung zur Laserfusion an großen Laseranlagen in aller Welt.
• Preise als American Physical Society Fellow, Rosen Scholar and Honorary Professor at Kyoto.
• Berater der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA, des Department of Energy (DOE) und des Lawrence Livermore National Laboratory und des Los Alamos National Laboratory.
• Gründung eines Startup-Unternehmens in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt. Die Focused Energy GmbH erforscht in Darmstadt die direkte Laserfusion und die schnelle Zündung mit Ionenstrahlen in enger Zusammenarbeit mit der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Hinweis an die Redaktionen:
Professor Markus Roth steht Ihnen für Interviews zum Thema Laserfusionsforschung und für einordnende Informationen zum Durchbruch zur Verfügung:
Tel.: 06151/16-23580
E-Mail: markus.roth@physik.tu-darmstadt.de

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Die TU Darmstadt zählt zu den führenden Technischen Universitäten in Deutschland und steht für exzellente und relevante Wissenschaft. Globale Transformationen – von der Energiewende über Industrie 4.0 bis zur Künstlichen Intelligenz – gestaltet die TU Darmstadt durch herausragende Erkenntnisse und zukunftsweisende Studienangebote entscheidend mit.
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Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Markus Roth
Arbeitsgruppe Laser- und Plasmaphysik, Institut für Kernphysik am Fachbereich Physik
Tel.: 06151/16-23580
E-Mail: markus.roth@physik.tu-darmstadt.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Energie, Physik / Astronomie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW