Forschende entdecken Ansatz gegen die Entstehung von Krebs-Metastasen



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02.06.2021 17:00

Forschende entdecken Ansatz gegen die Entstehung von Krebs-Metastasen

Noch Jahre nach einer scheinbar erfolgreichen Krebsbehandlung können Tochtergeschwüre im Körper entstehen. Diese Metastasen stammen aus Krebszellen, die aus dem Ursprungstumor in andere Organe gewandert sind und dort lange inaktiv blieben. Forschende haben nun entdeckt, wie diese «schlafenden Zellen» im Ruhezustand gehalten werden und wie sie aufwachen und Metastasen bilden. Davon berichten sie im Fachjournal «Nature».

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Es ist eine unheilvolle Saat, die ein Tumor im Körper hinterlassen kann: Einzelne Krebszellen wandern aus dem Tumor in andere Gewebe des Körpers und überstehen dort in einer Art Winterschlaf auch Chemotherapien. Derzeit setzt die Krebsmedizin darauf, Betroffene nach der Erkrankung zu beobachten, um das Erwachen dieser Zellen und die Entstehung von Metastasen festzustellen. Eine der grössten Fragen in der Krebsforschung ist, was genau dieses «Aufwachen» auslöst.

«Dieser Ruhezustand ist ein wichtiges Zeitfenster für neue Therapieansätze, wenn die Anzahl an Krebszellen und ihre Heterogenität noch zu bewältigen sind», erklärt Prof. Dr. Mohamed Bentires-Alj, Forschungsgruppenleiter am Departement Biomedizin der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel. Daher sei das Verständnis der Mechanismen hinter dem Ruhezustand dieser Krebszellen wichtig, um eine erneute Krebserkrankung zu verhindern. Seinem Team gelang nun ein wichtiger Schritt in diese Richtung.

Seine Mitarbeiterin Dr. Ana Correia und Kollegen nutzten Versuche mit Mäusen und menschlichen Gewebeproben, um den Übergang vom «Winterschlaf» zum «Wachzustand» von Krebszellen zu entschlüsseln, die von einem Brusttumor aus in die Leber gewandert waren.

Wächter der schlafenden Krebszellen

Die Schlüsselrolle bei diesem Übergang spielen zwei Zelltypen: zum einen sogenannte natürliche Killerzellen, also Immunzellen, die entartete oder infizierte Zellen abtöten, aber auch ihre Vermehrung ausbremsen können. Genau dies scheinen sie bei den schlafenden Krebszellen zu tun, wie die Forschenden feststellten. Die natürlichen Killerzellen schütten einen Botenstoff namens Interferon-gamma aus, der die Krebszellen im Winterschlaf hält.

Der andere Zelltyp, die sogenannten hepatischen Sternzellen, beeinflusst die natürlichen Killerzellen. Werden diese Leber-Sternzellen aktiviert, hemmen sie die Immunzellen, wodurch wiederum die Krebszellen aus dem Winterschlaf erwachen können. «Es kann verschiedene Gründe geben, warum die hepatischen Sternzellen aktiviert werden, zum Beispiel eine chronische Entzündung im Körper oder eine anhaltende Infektion», erklärt Correia. Die genauen Ursachen wollen die Forschenden in weiteren Studien aufklären.

Die nun veröffentlichten Ergebnisse zeigen mehrere mögliche Angriffspunkte auf, um eine Metastasenbildung zu verhindern: Eine Immuntherapie auf der Basis von Interleukin-15, die die Anzahl natürlicher Killerzellen im Gewebe erhöht, eine Interferon-gamma-Therapie, die den Schlafzustand der Krebszellen aufrechterhält, sowie Hemmstoffe gegen den Mechanismus, durch den die hepatischen Sternzellen die natürlichen Killerzellen lahmlegen. Entsprechende Therapien existieren bereits. Sie müssen allerdings zunächst klinisch getestet werden.

Natürliche Barriere gegen Metastasen

«Unsere Ergebnisse wecken die Hoffnung, dass Immuntherapien mit Fokus auf die natürlichen Killerzellen sich gut als präventive Strategie eignen, um zu verhindern, dass ruhende Krebszellen sich zu Metastasen weiterentwickeln», so Bentires-Alj. «Die nächste Etappe auf dem langen Weg zu einer Therapie wird sein, zu zeigen, dass eine Stimulation der natürlichen Killerzellen auch beim Menschen die Metastasenbildung verhindert. Ein Vorhaben, für das wir derzeit Finanzierung suchen und das wir mit unseren Kollaborationspartnern am Universitätsspital diskutieren.»

«Diese Zellen stellen eine natürliche Barriere des Körpers gegen Metastasenbildung in der Leber dar», erklärt Correia. Könnte man sie nutzen, um auch die Entstehung von Tochtergeschwüren in anderen Organen zu unterbinden, liesse sich eine erneute Krebserkrankung womöglich dauerhaft verhindern. «Mein Team untersucht solche Mechanismen bereits in anderen Geweben, wo sich typischerweise Metastasen bilden können, und die Ergebnisse sind vielversprechend», ergänzt Bentires-Alj.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Mohamed Bentires-Alj, Universität Basel, Departement Biomedizin, Universitätsspital Basel, Tel. +41 (0)61 26 53 313, E-Mail: m.bentires-alj@unibas.ch


Originalpublikation:

Ana Luísa Correia, Joao C. Guimaraes, Priska Auf der Maur, Duvini De Silva, Marcel P. Trefny, Ryoko Okamoto, Sandro Bruno, Alexander Schmidt, Kirsten Mertz, Katrin Volkmann, Luigi Terracciano, Alfred Zippelius, Marcus Vetter, Christian Kurzeder, Walter Paul Weber, and Mohamed Bentires-Alj
Hepatic stellate cells suppress NK cell sustained breast cancer dormancy
Nature (2021), doi: 10.1038/s41586-021-03614-z


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW