Hepatitis B: Was der Mensch vom Esel lernen kann



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16.03.2021 14:50

Hepatitis B: Was der Mensch vom Esel lernen kann

Die Entdeckung bisher unbekannter Hepatitis-B-Viren bei Eseln und Zebras eröffnet neue Möglichkeiten, den Verlauf der Erkrankung zu verstehen. Ein weltweites Forscherkonsortium konnte zeigen, dass die Infektion mit diesem Virus ganz ähnlich verläuft wie die chronische Hepatitis B beim Menschen. Federführend bei dieser Studie waren DZIF-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Infektionen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) gehören zu den großen globalen Gesundheitsproblemen. Besonders kritisch ist die hohe Zahl an chronischen Verläufen, an deren Folgen weltweit jährlich über 800.000 Menschen sterben. Es gibt bisher keine Therapie, die zur Heilung führt. „Mit der Entdeckung eines neuartigen Virus in Eseln und Zebras haben wir nun die Chance, den chronischen Verlauf der Erkrankung besser zu verstehen und damit auch schwere klinische Verläufe abzumildern oder zu verhindern“, erklärt Prof. Dr. Jan Felix Drexler, DZIF-Wissenschaftler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) identifiziert und beobachtet er neu auftretende Viren, die auch dem Menschen gefährlich werden könnten.

„Vor fünf Jahren konnten wir erstmals zeigen, dass Esel Viren tragen, die mit dem Hepatitis-C-Virus verwandt sind“, erklärt Andrea Rasche, Erstautorin der Studie und DZIF-Wissenschaftlerin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Da beim Menschen das Hepatitis-B-Virus und das Hepatitis-C-Virus oft gemeinsam vorkommen, haben die Forschenden daraufhin weltweit auch nach HBV gesucht. Neben Feldarbeit kamen umfangreiche molekularbiologische, serologische, histopathologische und evolutionsbiologische Methoden zum Einsatz. „Wir haben fast 3000 Proben von Einhufern, also von Eseln, Zebras und Pferden in fünf Kontinenten auf das Hepatitis-B-Virus untersucht und fanden heraus, dass Esel das neue Virus weltweit tragen“, erklärt Drexler.

Die Ursprünge des neuen HBV könnten mit der Domestizierung des Esels in Afrika vor einigen Tausend Jahren zusammenhängen. Esel werden sowohl mit HBV, als auch mit HCV natürlich infiziert. Zebras sind ebenfalls mit HBV infiziert, Pferde sind voraussichtlich ebenfalls empfänglich, allerdings konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ersten Studien keine infizierten Pferde finden. In natürlich infizierten Eseln verläuft die Infektion ähnlich der chronischen Hepatitis B des Menschen.

„Das neue HBV scheint einen noch unbekannten Rezeptor für den Eintritt in die Wirtszelle zu nutzen“ erklärt Felix Lehmann, ebenfalls Erstautor der Studie und DZIF-Wissenschaftler an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), wo er die Molekularbiologie der Virusbindung und die Aufnahme in der Zellkultur untersucht hat. Die Entstehung des menschlichen HBV und die Entstehung seiner Rezeptornutzung sind weiterhin unklar und werden von den Forschenden gemeinsam untersucht werden.

„Da das Virus nicht in der Lage ist, menschliche Leberzellen zu infizieren, kann eine Infektion des Menschen mit diesem Virus mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden“, betont Prof. Dr. Dieter Glebe, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-B-Viren und Hepatitis-D-Viren an der JLU Gießen und DZIF-Wissenschaftler im Forschungsbereich „Hepatitis“. Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, mit dem Virus in Eseln und Zebras die Pathogenese der chronischen Hepatitis-B und der HBV/HCV-Koinfektion besser zu verstehen und mit dem gewonnenen Wissen auch eine Grundlage für neue Therapien zu legen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Kontakte
Prof. Dr. Jan Felix Drexler
Charité – Universitätsmedizin Berlin und
DZIF-Forschungsbereich „Emerging Infections“
Telefon: 030 450 625461
E-Mail: felix.drexler@charite.de

Prof. Dr. Dieter Glebe
Nationales Referenzzentrum für Hepatitis-B-Viren und Hepatitis-D-Viren
Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen und
DZIF-Forschungsbereich „Hepatitis“
Telefon: 0641 99-41246
E-Mail: dieter.glebe@viro.med.uni-giessen.de


Originalpublikation:

Rasche et al.: A hepatitis B virus causes chronic infections in equids worldwide.
PNAS 118, 2021
https://doi.org/10.1073/pnas.2013982118


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW