Hybride Pfeilspitze gegen Autoimmunerkrankungen



Teilen: 

16.08.2024 09:09

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Hybride Pfeilspitze gegen Autoimmunerkrankungen

Forschende entwickeln einen bakteriell produzierten Wirkstoff, der die zelluläre Immunantwort gezielter hemmt, ohne das Abfallsystem der Zelle zu blockieren

Das Immunoproteasom ist für die zelluläre Immunantwort unerlässlich. Bei Autoimmunerkrankungen ist es jedoch überaktiv. Bisher gelang es jedoch nicht, es selektiv zu hemmen, ohne andere Mechanismen der Zelle zu beeinträchtigen. Nun konnten Forschende um Prof. Helge Bode durch eine selbst entwickelte Technik die Bildung eines bakteriellen Naturstoffes manipulieren, so dass ein neuartiger, selektiverer Wirkstoff entsteht. Die Ergebnisse bereiten damit den Weg für eine gezieltere Hemmung des Immunoproteasoms.

Bevor das Immunystem Eindringlinge wie Bakterien und Viren bekämpfen kann, muss es ihre molekulare Gestalt kennen. Dazu nimmt ein zellulärer Enzymkomplex, das sogenannte Immunoproteasom, den Angreifer auseinander und präsentiert den Immunzellen seine genaue Struktur.

Greift ein überaktives Immunproteasom fälschlicherweise körpereigene Strukturen an, kann es zu Immunerkrankungen kommen. Um sie zu regulieren, suchen Forschende seit langem nach Hemmstoffen gegen das Immunoproteasom. Dabei muss jedoch sichergestellt sein, dass die anderen Proteasom-Varianten der Zelle – zum Beispiel solche, die für das zelluläre Recycling und die Abfallentsorgung notwendig sind – nicht ebenso blockiert werden. Selektivität der Wirkstoffe ist hier höchstes Gebot, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Helge Bode am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg forscht seit Jahren daran, Enzymkomplexe am Reißbrett zu designen und mithilfe der synthetischen Biologie neue Naturstoffe zu erzeugen.

Bisherige mögliche Kandidaten für Medikamente gegen Immunerkrankungen, aber auch Antibiotika oder solche gegen Krebs, stammen nicht nur aus der Stoffgruppe der Peptide (= Eiweiße), sondern auch aus der Gruppe der langkettigen Fettsäuren, sogenannter Polyketide. Während Peptide meist durch nicht-ribosomale Peptidsynthetasen (NRPS) produziert werden, entstehen Polyketide durch Polyketidsynthasen (PKS).

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michael Groll (TU München) und Prof. Dr. Markus Kaiser (Universität Duisburg-Essen) gelang es dem Team, ein Hybrid aus Peptid und Polyketid zu entwickeln und in wenigen Schritten zusammenzubauen. „Die von uns entwickelte XUT Technologie nutzt Schnittstellen, die in sogenannten Thiolierungs- (T) Domänen vorkommen. Da es diese T-Domänen sowohl in NRPS und PKS gibt, kann man auch beide Sorten von Enzymen, Peptide und Polyketide, miteinander fusionieren“, erklärt Leonard Präve, Erstautor der Studie, die online in der Fachzeitschrift Chem erschienen ist.

Solche Hybride aus NRPS und PKS stellt die Natur auch selbst her. Eine bestimmte Substanzklasse, die Syrbactine, finden sich z.B. bei Bakterien, die Pflanzen oder auch Insekten schädigen. Indem Syrbactine das Proteasom in diesen höheren Organismen hemmen, stirbt die Zelle durch „Verstopfung“ ihrer Abfallentsorgung. Da eben diese Wirkung im Falle von Tumorzellen wünschenswert ist, gelten Syrbactine als Kandidaten für Krebsmedikamente.

Zwar gibt es bereits Medikamente, die auf der Hemmung des Proteasoms beruhen, doch gab es jedoch bislang keinen biotechnologischen Zugang zu einem spezifischen und damit nebenwirkungsarmen Wirkstoff gegen das Immunoproteasom aus der Klasse der Syrbactine.

„Mit unserer Technik konnten wir die Syrbactine in mehreren Schritten ganz rational so verändern, dass erstmals ein neuartiger, selektiverer Hemmstoff gegen das humane Immunoproteasom entsteht“, ergänzt Helge Bode. Zwar ist der erzeugte Wirkstoff noch nicht selektiv genug, zeigt aber schon die Richtung auf, wie weitere Varianten nun optimiert werden können, um Nebenwirkungen zu reduzieren.

Diese sollen in Zukunft am Reißbrett und im hohen Durchsatz erzeugt werden, um so die besten Varianten für die spezifische Anwendung aussuchen zu können.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Helge B. Bode

+49 6421 178-501
+49 6421 178-509
helge.bode@mpi-marburg.mpg.de


Originalpublikation:

Präve, L.; Kuttenlochner, W.; Tabak, W. A. W.; Langer, C.; Kaiser, M.; Groll, M.; Bode, H. B.
Bioengineering of Syrbactin Megasynthetases for Immunoproteasome Inhibitor Production
Chem


Bilder

Die Abbildung zeigt die kovalente Bindung eines Syrbactin-Moleküls an das Proteasom, wodurch dieses gehemmt wird. Durch synthetisch-biologische Modifikationen der Syrbactin-produzierenden Enzyme entwickelte das Forscherteam Wirkstoffvarianten, die se

Die Abbildung zeigt die kovalente Bindung eines Syrbactin-Moleküls an das Proteasom, wodurch dieses
Prof. Dr. Michael Groll
TU München/Groll


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW