Mechanismus hinter mangelnder Wirkung von Schuppenflechte-Medikamenten identifiziert



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22.10.2021 20:00

Mechanismus hinter mangelnder Wirkung von Schuppenflechte-Medikamenten identifiziert

Bisher galt Interleukin-12 – ein Botenstoff der Immunzellen – als einer der Auslöser für die Entstehung von Schuppenflechte. Nun zeigen Forschende der Universität Zürich, dass Interleukin-12 die Hautkrankheit nicht verursacht, sondern davor schützt. Das erklärt auch, weshalb gängige Schuppenflechte-Medikamente, die diesen Botenstoff blockieren, kaum wirken.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Schuppenflechte, auch Psoriasis genannt, ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunkrankheit, die sich durch gerötete, schuppende Hautveränderungen manifestiert. Sie ist nicht ursächlich behandelbar, aber die Symptome können mit modernen Therapiemethoden deutlich gelindert werden. Komplexe Veränderungen in den Netzwerken der Immunzellen und den Botenstoffen, mit denen sie miteinander kommunizieren, sind verantwortlich für die Entwicklung der Krankheit. Klinische Studien zeigen, dass Psoriasis-Medikamente besser wirken, wenn nur der Botenstoff Interleukin-23 blockiert wird statt wie bisher üblich Interleukin-23 und Interleukin-12 kombiniert. Nun haben Forschende der Universität Zürich (UZH) die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen aufgedeckt.

Rolle von Interleukin-12 in der Schuppenflechte entschlüsselt

Die Forschungsteams von Immunologie-Professor Burkhard Becher und Gruppenleiterin Sarah Mundt vom Institut für Experimentelle Immunologie der UZH haben systematisch untersucht, welche Funktion Interleukin-12 bei der Schuppenflechte einnimmt. Sie zeigen, dass Interleukin-12 die Krankheit nicht etwa mitverursacht, sondern im Gegenteil: davor schützt. «Diese Resultate haben uns überrascht, da Medikamente zur Behandlung der Schuppenflechte bis jetzt auch auf die Blockade von Interleukin-12 ausgerichtet waren», sagt Becher.

Interleukin-12 sorgt für das normale Verhalten von Hautzellen

Detaillierte Untersuchungen in Mäusen und mit menschlichem Gewebe zeigen nun, dass auch verschiedene Zelltypen in der Haut mit Rezeptoren für Interleukin-12 ausgestattet sind. Nicht nur die T-Zellen des Immunsystems, sondern auch Keratinozyten, hornbildende Hautzellen, können somit den Botenstoff erkennen. Wie das Forscherteam herausfand, ist diese Erkennung von Interleukin-12 durch diese Hautzellen auch verantwortlich für den schützenden Effekt des Botenstoffes. «Interleukin-12 ist essenziell für die normale, physiologische Funktion der Keratinozyten. So verhindert es etwa die erhöhte Zellteilung, die man bei der Schuppenflechte beobachtet», sagt Mundt.

Therapie von Schuppenflechte-Patienten verbessern

«Unsere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass die Blockade von Interleukin-12 bei Schuppenflechte nicht sinnvoll ist. Solche Medikamente sollten deshalb nicht mehr zur Therapie von Psoriasis-Patientinnen und -patienten eingesetzt werden», sagt Pascale Zwicky, Doktorandin und Erstautorin der Studie. Schuppenflechte-Medikamente sollten demnach nur noch den Botenstoff Interleukin-23 blockieren, aber nicht mehr Interleukin-23 und -12 gemeinsam.

Die Erkenntnisse der UZH-Forschenden könnten auch für die Behandlung von anderen Krankheiten wichtig sein. «Die kombinierte Blockade von Interleukin-23 und -12 wird auch in der Behandlung von chronisch entzündlichen Darmkrankheiten und Psoriasis-Arthritis eingesetzt», sagt Burkhard Becher. «In diesen Krankheiten ist die Rolle von Interleukin-12 noch nicht genügend erforscht. Aber auch hier ist eine schützende Rolle des Botenstoffs möglich.»


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Sarah Mundt
Institut für Experimentelle Immunologie
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 37 27
E-Mail: mundt@immunology.uzh.ch


Originalpublikation:

Pascale Zwicky, Florian Ingelfinger, Bruno Marcel Silva de Melo, et. al. IL-12 regulates type 3 immunity through interfollicular keratinocytes in psoriasiform inflammation. Science Immunology. 20 October 2021. DOI: 10.1126/sciimmunol.abg9012


Weitere Informationen:

https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2021/Schuppenflechte.html


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW