„Mischimpfung verstärkt die Immunantwort“



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10.08.2021 09:15

„Mischimpfung verstärkt die Immunantwort“

ExpertInnen-Interview zu den Zwischenergebnissen der heterologen Impfstudie an der Medizinischen Universität Innsbruck (HEVACC): Wie effizient der Organismus auf eine Kreuzimpfung aus Vektorimpfstoff und mRNA-Vakzin mit der Bildung von Antikörpern reagiert, konnte bislang kaum mit wissenschaftlichen Daten belegt werden. Eine Zwischenevaluation der heterologen Impfstudie an der Medizin Uni Innsbruck lässt nun den Schluss zu, dass die Kombinationsimpfung auch gegen die Delta-Variante besser schützt.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Innsbruck, 10.08.2021: Das Institut für Virologie der Medizin Uni Innsbruck führt seit Mai 2021 eine erste klinische Studie zur Wirksamkeit einer heterologen Impfung – Erstimpfung mit Vaxzevria (AstraZeneca), gefolgt vom Impfstoff Comirnaty (BionTech/Pfizer) – durch.
Derzeit empfehlen einige europäische Staaten, eine erfolgte Erstimpfung mit Vaxzevria mit dem Impfstoff Comirnaty aufzufrischen. Daten hinsichtlich der Wirksamkeit und Verträglichkeit, die im Rahmen von klinischen Prüfungen erhoben wurden und diese Empfehlungen stützen, gab es dafür bislang nicht. Nun liegen erste wichtige Ergebnisse aus der HEVACC-Studie vor, die von der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung der Virologinnen Dorothee von Laer und Janine Kimpel an mehreren Zentren in Österreich (Medizinische Universität Innsbruck, Bezirkskrankenhaus Kufstein, Bezirkskrankenhaus Schwaz und Medizinische Universität Wien) durchgeführt wird.
Für die Studie, die noch bis April 2022 laufen soll, konnten bislang 282 TeilnehmerInnen rekrutiert werden. Der homologe AstraZeneca-Arm wurde zwischenzeitlich eingestellt, für den heterologen Arm (Mischimpfung) und den homologen Biontech Arm werden aber noch weitere neue TeilnehmerInnen aufgenommen. Interessierte können sich unter der E-Mail-Adresse hevacc@i-med.ac.at melden.
Wir haben die Studienleiterinnen Dorothee von Laer und Janine Kimpel zu ersten Zwischenergebnissen befragt:

Können Sie nach der ersten Zwischenevaluation der laufenden HEVACC-Studie bereits erste wichtige Ergebnisse nennen?

Dorothee von Laer: Die wichtigste Erkenntnis ist, dass eine Impfung mit dem Vaxzevria Impfstoff von AstraZeneca gefolgt von einer zweiten Impfung mit dem Comirnaty Impfstoff von Pfizer eine deutlich stärkere Immunantwort gegen das SARS-CoV-2 auslöst als die zweimalige Vaxzevria Impfung. Außerdem stellen wir in unserer Studie fest, dass die Zweitimpfung mit dem Comirnaty Impstoff nach Vaxzevria Erstimpfung sehr gut verträglich ist. Und wir sehen, dass nach der Kombinationsimpfung Antikörper und T-Zellen auch gegen die Delta Variante gebildet werden. Die Antikörperantworten der heterologen Impfung gegen Beta und Delta sind dabei höher als gegen die Alpha Variante nach zweimaliger Vaxzevria Impfung.

Gibt es nun ausreichend Daten, um die Mischimpfung empfehlen zu können und ist eine Zulassung des heterologen Impfschemas absehbar?

Von Laer: Die Daten, dass eine Kombinationsimpfung im Vergleich zu einer reinen Vaxzevria Impfung, zumindest kurzfristig, eine stärkere Immunantwort auslöst, sind sehr solide. Der Aspekt der Sicherheit ist in Anbetracht der Tatsache, dass die akuten Reaktionen bei der zweiten Vaxzevria Impfung deutlich schwächer sind und die extrem seltenen Gerinnungsstörungen in der Regel nach der ersten Vaxzevria Impfung auftreten, nicht primär ein Grund dafür, statt Vaxzevria Comirnaty bei der zweiten Impfung einzusetzen. Die Kombinationsimpfung wird sicher zeitnah für die einmal mit Vaxzevria Geimpften empfohlen werden. Ob es allerdings zu einer gesonderten formalen Zulassung kommt, bleibt offen. Schwierigkeiten könnten dadurch entstehen, dass AstraZeneca und Pfizer eine solche Zulassung wohl gemeinsam beantragen müssten.

Lassen sich die Zwischenergebnisse der HEVACC-Studie auch auf andere Impfstoff-Kombinationen bzw. andere Hersteller umlegen?

Janine Kimpel: Wir rechnen schon damit, dass auch bei den anderen Vektorimpfstoffen eine Zweitimpfung mit einem mRNA Impfstoff der reinen Vektorimpfung überlegen ist.

Warum wurde der AstraZeneca-Arm der Studie eingestellt und wie läuft die Studie jetzt weiter?

Kimpel: Der reine Vaxzevria Arm musste eingestellt werden, weil die Immunantworten so klar schlechter waren als im Vaxzevria/Comirnaty Arm. Die weitere Verimpfung im Rahmen der Studie wäre daher aus ethischen Gründen nicht mehr zu rechtfertigen gewesen. Unklar ist aber noch die Dauer der Immunität bei der heterologen Impfung im Vergleich zu den homologen Impfungen. Daher werden Antikörper und T-Zell-Antworten aller ProbandInnen weiter regelmäßig analysiert.

Gibt es Einschränkungen für Mischimpfungen, die über die allgemeinen Kontraindikationen bei Covid-Impfung hinausgehen? Wer sollte eine Mischimpfung bekommen?

Kimpel: Auf Grund der Daten ist klar zu empfehlen, dass alle bislang einmal mit Vaxzevria geimpften eine Zweitimpfung mit Comirnaty erhalten sollten. Wahrscheinlich gilt das auch für die Auffrischungsimpfung bei zweimal Vaxzevria Geimpften. Man könnte eventuell in Zukunft Menschen über 50, die nicht das Risiko der seltenen Gerinnungsstörung nach Vaxzevria haben und die auch nicht so starke Impfreaktionen zeigen, primär mit der Vaxzevria/Comirnaty Kombination impfen.

Welche Vor- und Nachteile der jeweiligen Impfungen bezüglich der Art der Immunantwort (Antikörper/T-Zellen) können durch die heterologe Impfweise verstärkt werden?

Von Laer: Noch ist nicht vollkommen klar, warum die Immunantwort bei der Kombinationsimpfung höher ist als bei der reinen Vaxzevria Impfung. Wir wissen aber, dass bei Vektorimpfstoffen die zweite Impfung größtenteils nicht so gut greift.
Vorstellbar ist, dass die Immunantwort gegen den Vektor selbst, die sich bei der ersten Impfung bildet, die Antwort gegen das eigentliche Impfantigen bei der zweiten Impfung stört.

Spielen die Reihenfolge, welcher Impfstoff zuerst verabreicht wird, sowie der Impfabstand eine Rolle?

Kimpel: Dieser Fragestellung sind wir nicht nachgegangen. Personen nach Comirnaty für eine Vaxzevria Zweitimpfung zu gewinnen, wäre aussichtslos gewesen. In Oxford läuft aber eine solche Studie, deren Ergebnisse zeitnah zu erwarten sind.

Kam es im Rahmen Ihrer Studie – trotz Impfung – zu Infektionen mit SARS-CoV-2 und in der Folge auch zu schweren Verläufen?

Von Laer: Hierzu lassen wir aus unserer Studie noch keine Aussage treffen, da die Nachbeobachtungszeit bislang zu kurz war. Allerdings ist damit zu rechnen, dass auch die Kombinationsimpfung – wie alle Impfungen – keinen hundertprozentigen Schutz bietet. Bei hoher Inzidenz in der Bevölkerung wird es auch immer wieder zu Impfdurchbrüchen kommen. Allerdings schützt die Impfung zu über 95 Prozent gegen schwere Verläufe.

Falls im Herbst eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird, können Sie Menschen, die zuvor zwei mRNA-Teilimpfungen erhalten haben, einen Vektorimpfstoff empfehlen und umgekehrt?

Von Laer: Eine dritte Impfung mit dem mRNA Impfstoff für mit Vaxzevria immunisierte Personen ist absolut zu empfehlen. Für die umgekehrte Situation gibt es leider noch keine Daten.

Steckbriefe:
Dorothee von Laer, gebürtige Hamburgerin und Fachärztin für Virologie, Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie leitet seit 2010 das Institut für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im Bereich der therapeutischen Viren. Unter zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen gelang ihr mit der Entwicklung des onkolytischen Virus VSV-GP ein entscheidender Schritt in Richtung klinischer Anwendung der Krebsimmuntherapie.

Janine Kimpel hat an der Johann-Wolfgang Goethe Universität Frankfurt Biologie studiert und ist nach Forschungsaufenthalten in den USA und Deutschland seit 2010 am Institut für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck beschäftigt. Ihr wissenschaftlicher Schwerpunkt liegt im Bereich der viralen Vektorimpfstoffe.


Weitere Informationen:

https://www.i-med.ac.at/virologie/hevacc.html [HEVACC-Studie]
https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2021/40.html [Pressebild zum Herunterladen]


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW