Mit mobilem EEG gelingt der Brückenschlag vom Labor in die Praxis



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19.09.2019 13:45

Mit mobilem EEG gelingt der Brückenschlag vom Labor in die Praxis

Multitasking ist zwar ein geflügeltes Wort, in der Praxis jedoch durchaus problematisch. So zeigt eine aktuelle Studie vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo), dass sich zwei parallele Aufgaben gegenseitig in die Quere kommen können. In der Studie lösten die Teilnehmenden gleichzeitig kognitive Aufgaben und überquerten einen Hindernisparcours. Dabei wurde mit Hilfe eines mobilen EEG die Hirnaktivität in der Außenumgebung bei Bewegung zuverlässig erfasst – ein Novum in der EEG-Forschung. Denn die Ergebnisse stimmen mit ähnlichen Laborerkenntnissen überein. Die Studie ist aktuell im Nature-Journal „Scientific Reports“ erschienen.

Seit fast 100 Jahren existiert die Elektroenzephalographie (EEG), bei der mittels Elektroden die Hirnaktivität erfasst wird. Die Methode zählte lange Zeit zum klassischen Repertoire der Laborforschung, da sie empfindlich gegenüber Bewegung ist und starke, nicht transportable Verstärker benötigt. Inzwischen werden auch mobile Geräte entwickelt, die mit kleinen Verstärkern arbeiten und daher überall einsatzfähig sind. Wie zuverlässig die Geräte arbeiten, wird derzeit erforscht. Dazu werden häufig bereits bekannte Ergebnisse aus dem Labor in der Praxis unter veränderten Bedingungen wiederholt. So wurden in der aktuellen IfADo-Studie von Psychologe Julian Reiser die mobilen EEG-Geräte unter freiem Himmel bei laufenden Teilnehmenden genutzt.

Arbeitsgedächtnis auf Outdoor-Parcours getestet

Insgesamt nahmen 20 Personen zwischen 20 und 30 Jahren an dem Versuch teil. Sie erhielten über Kopfhörer kurze hohe und tiefe Töne, wobei sie auf die hohen Töne mit einem Knopfdruck reagieren mussten. Gleichzeitig mussten die Versuchspersonen entweder stehen, einige Runden gehen oder einen Hindernisparcours ablaufen, der beispielsweise Balancebalken und Treppen enthielt. Jeder Teilnehmende absolvierte sechs Durchläufe in zufälliger Reihenfolge. Neben der Reaktionszeit auf die akustischen Signale und der subjektiven Beanspruchung wurden auch die elektrophysiologischen Daten der Hirnaktivität erfasst. Die Wetterbedingungen waren bei den Durchläufen vergleichbar.

Je komplexer die Bewegung, desto mehr ist das Arbeitsgedächtnis gefordert

Das Team um Reiser beobachtete signifikant längere Reaktionszeiten, je höher die Bewegungskomplexität war. Ebenso nahm die Fehlerhäufigkeit zu sowie die subjektiv wahrgenommene Beanspruchung. Dies zeigte sich auch in der per EEG gemessenen Hirnaktivität: Je mehr Bewegung, desto geringer die Aktivität der P3-Komponente. Diese zeigt unter anderem an, wie viel Aufmerksamkeit eine bestimmte Aufgabe benötigt. Offenbar können die Ressourcen, die für Bewegungen benötigt werden, nicht mehr im gleichen Maße für die Gedächtnisaufgabe genutzt werden wie im Stehen. Diese Ergebnisse lassen auf gemeinsamen Ressourcen für motorische und kognitive Funktionen schließen.

Die Theorie der gemeinsamen Ressourcen ist dabei nicht neu, konnte nun jedoch erstmals draußen bei Bewegung untermauert werden. Durch die Ähnlichkeit zu bisherigen Laborerkenntnissen zeigt die aktuelle Studie, dass die mobilen Geräte die Hirnaktivität in Vor-Ort-Untersuchungen auch bei Bewegung zuverlässig messen können. Das öffnet den Weg für ganz neue Möglichkeiten – gerade für angewandte Fragestellungen beispielsweise im realen Arbeitskontext. Am IfADo wurden bereits weitere Studien mit verschiedenen mobilen EEG-Methoden und Anwendungen gestartet.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Julian Reiser
Abteilung Ergonomie
Telefon: + 49 231 1084-260
E-Mail: reiser@ifado.de


Originalpublikation:

Reiser, J. E., Wascher, E., Arnau, S. (2019). Recording mobile EEG in an outdoor environment reveals cognitive-motor interference dependent on movement complexity. Scientific Reports 9:13086. doi: 10.1038/s41598-019-49503-4
https://www.nature.com/articles/s41598-019-49503-4.pdf?origin=ppub


Weitere Informationen:

http://www.ifado.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Psychologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW