Neue Erkenntnisse zum Tourette-Syndrom



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03.06.2024 13:00

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Neue Erkenntnisse zum Tourette-Syndrom

Nicht alles, was ein Tic ist, ist Tourette. Nach der Corona-Pandemie haben „funktionelle Tic-ähnliche Beschwerden“ drastisch zugenommen. Viele Patienten wurden falsch diagnostiziert.

Ein Forscherteam der Uniklinik Dresden, Universität Lübeck/UKSH sowie der Universität Trier hat neue Erkenntnisse zu Tics und den ebenfalls häufigen funktionellen Tic-ähnlichen Störungen vorgelegt: „Nach der Pandemie haben nicht nur in Deutschland, sondern weltweit die Zahl der Tic-ähnlichen Störungen drastisch zugenommen“, stellt Prof. Dr. rer. nat Christian Beste vom Uniklinikum Dresden fest. „Da die Diagnosestellung häufig nicht einfach ist, haben wir in den letzten Jahren dazu intensiv geforscht, um den Menschen zu helfen“, erklärt Frau PD. Dr. Anne Weißbach von der Universität zu Lübeck/UKSH.

Doch nicht alle Extrabewegungen und plötzlichen Laute wie Schimpfwörter oder Armzucken sind Tics/Tourette. Dies hat in den letzten Jahren zu Verwirrungen geführt. „Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass funktionelle Tic-ähnliche Störungen vom Tourette-Syndrom unterschieden werden können. Hierzu gibt es mittlerweile auch international einen Konsens“, erklärt Prof. Dr. Alexander Münchau von der Universität zu Lübeck/UKSH und Mitbegründer der „Agentur für Überschüsse“. „Tourette beginnt im Kindesalter, die Tics sind zu einem gegebenen Zeitpunkt gleich, sind kurz und abrupt und treten verstärkt auf, wenn Betroffene allein sind.“ Dahingegen beginnen funktionelle Tic-ähnliche Störungen „meist erst ab der Pubertät, treten üblicherweise in der Öffentlichkeit auf, sind variabel und komplexer“. „Die Handlungsprozesse, die Tics zugrunde liegen, sind gar nicht so anders, als diejenigen, die wir beim Greifen nach einer Tasse Kaffee verwenden,“ erklärt Prof. Dr. Christian Frings von der Universität Trier.

Beispiele für „funktionelle Tic-ähnliche Störungen“ sind „auf den Tisch hauen“, „anderen ins Essen greifen“ oder „sich selbst auf den Oberkörper schlagen“. Die Symptome des Tourette-Syndroms sind individuell sehr unterschiedlich. Hauptmerkmale sind einfache motorische Tics wie Augenblinzeln, Zwinkern, Kopfbewegungen, Schulterbewegungen und einfache vokale Tics wie Räuspern, Fiepen oder einzelne Laute.

Um ein Bewusstsein für die Unterscheidung zu schaffen und verständlich eine Orientierung zu bieten, gibt es von der 2011 gegründeten „Agentur für Überschüsse“ – ein Neurologie-Performance-Netzwerk bestehend aus Ärzten und Kreativen – ein neues Aufklärungsvideo: „Nicht alles was zuckt, ist Tourette“, das den Unterschied zwischen Tourette und funktionellen Tic-ähnlichen Störungen darstellt. Tom aus Ticcing, Protagonist des Videos und selbst eine von Tourette betroffene Person, ist im Auftrag der „Agentur für Überschüsse“ unterwegs. Er kümmert sich um Tics, aber auch um Bewegungsstörungen, die aussehen wir Tourette, aber nicht Tourette sind.

Christina Bolte, Psychologin von der Universität zu Lübeck/UKSH erklärt, „dass Tic-ähnliche Störungen gut durch Physiotherapie und manche Formen der Verhaltenstherapie behandelbar sind. Dies trifft vor allem für aufmerksamkeitsbasierte Verfahren zu. Hierzu zählen Behandlungsansätze, bei denen die bewusste Verlagerung der Aufmerksamkeit von Patient:innen im Zentrum steht (z. B. metakognitive Therapie).“

Das Video „Nicht alles was zuckt, ist Tourette“ ist abrufbar über https://ueberschuesse.net/de/projekte/

Mehr Informationen und Ratgeberlinks von der „Agentur für Überschüsse“ http://www.ueberschuesse.net

Über das Forscherteam (Dresden, Lübeck, Trier)
Die gemeinsame Forschungsgruppe der Technischen Universität Dresden, Universität zu Lübeck/UKSH sowie der Universität Trier wurde 2019 gegründet und erforscht das Tourette Syndrom. Sie besteht unter anderem aus Prof. Dr. rer. nat Christian Beste (Uniklinikum Dresden), Psychologin Tina Rawish (Universität zu Lübeck/UKSH), Psychologin Christina Bolte, Dr. med. Theresa Paulus (Universität zu Lübeck/UKSH), PD Dr. med. Anne Weissbach (Universität zu Lübeck/UKSH), Prof. Dr. med. Alexander Münchau (Universität zu Lübeck/UKSH) und Prof. Dr. Christian Frings (Universität Trier).

Agentur für Überschüsse
Die Agentur für Überschüsse wurde 2011 gegründet und vermittelt mit kreativen Formaten aktuelle Forschungsstände der Neurologie an ein breites und buntes Publikum. Dabei sind ihre Projekte, wie etwa 2022 die Produktion des Dokumentarfilms TICS, auf Aufklärung, Empowerment und Kommunikation ausgerichtet. http://www.ueberschuesse.net

Tourette-Syndrom
Das Tourette-Syndrom ist nach dem französischen Nervenarzt Dr. Georges Gilles de la Tourette benannt. In Deutschland sind von der überwiegend genetisch bedingten neuropsychiatrischen Krankheit ca. 40.000 Menschen betroffen. Die Symptome sind individuell sehr unterschiedlich. Hauptmerkmale sind einfache motorische Tics wie Augenblinzeln, Zwinkern, Kopfbewegungen, Schulterbewegungen und einfache vokale Tics wie Räuspern, Fiepen oder einzelne Laute.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Christian Frings
Psychologie
Mail: chfrings@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2957


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW