03.02.2021 10:27
Neue Kombinationstherapie bietet Chance auf Heilung der Hepatitis B
Rund 260 Millionen Menschen, mehr als drei Prozent der Weltbevölkerung, sind chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) infiziert; langfristig kommt es häufig zu Komplikationen wie Leberzirrhose oder Leberkrebs. Eine Heilung ist mit den vorhandenen Medikamenten bisher nicht möglich. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) haben nun eine Kombinationstherapie gefunden, die im Modell eine hohe Wirksamkeit zeigt.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Der neue Therapieansatz beruht darauf, das virale Hepatitis-B-Genom, das sich im Zellkern infizierter Leberzellen befindet, stillzulegen. Nach Infektion der Leberzelle wird das virale Genom im Zellkern in ein geschlossenes DNA-Ringmolekül umgewandelt. Bei dieser Desoxyribonukleinsäure handelt es sich um eine stabile, sogenannte covalently closed circular DNA (cccDNA), die als Vorlage für die Produktion neuer Viren dient. Die cccDNA stellt das zentrale Reservoir der Hepatitis-B-Viren dar und ermöglicht ihr Überdauern in der Leber. Die Virologin Prof. Dr. Maura Dandri und ihr Team am UKE konnten die HBV-cccDNA im Tiermodell daran hindern, weitere Viren zu produzieren.
Angriffspunkt ihrer Therapie ist das virale Protein HBx, das die ringförmige HBV-DNA im Zellkern vor Stilllegung schützt, indem es einen wirtseigenen Faktor (SMC-Komplex) daran hindert, an diese zu binden. Sie behandelten die Tiere einerseits mit dem antiviralen Zytokin Interferon-alpha, einer körpereigenen Substanz des Immunsystems, andererseits unterdrückten sie die Bildung des Proteins HBx durch RNA-Interferenz, einer Methode, bei der die Umsetzung von RNA in Protein behindert wird. In beiden Fällen konnten sie die HBx-Konzentration verringern und damit die cccDNA stilllegen. Diese Behandlung kombinierten sie zusätzlich mit der Gabe von Bulevirtide, welches den Eintritt der Viren in die Zellen und damit eine Neuinfektion verhindern kann. Auf diese Weise wurde der Effekt der cccDNA-Stilllegung auch nach Behandlungsende aufrechterhalten. Bulevirtide, besser bekannt unter dem Forschungsnamen Myrcludex, wurde im DZIF mitentwickelt und vor kurzem als Wirkstoff gegen Hepatitis D auf dem europäischen Markt zugelassen.
„Diese Kombinationstherapie konnte die cccDNA im Kern nachhaltig stilllegen“, erklärt Prof. Dandri. Sie leitet im DZIF das Projekt „HBV Cure“ und im UKE die Arbeitsgruppe „Virushepatitis“. Auch wenn es bisher nur im Mausmodell getestet wurde, ist Prof. Dandri überzeugt von der Kombination: „Diese Ergebnisse zeigen, dass das HBV-Genom mit bestimmten Kombinationstherapien ausgeschaltet werden kann. Diese Ansätze können nun in klinischen Studien angewandt werden, um eine funktionelle Heilung der chronischen Hepatitis B zu erreichen.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Maura Dandri-Petersen
UKE und DZIF
T: + 49 40 7410 52949
E-Mail: m.dandri@uke.de
Originalpublikation:
Therapeutic shutdown of HBV transcripts promotes reappearance of the SMC5/6 complex and silencing of the viral genome in vivo, Gut, 2020. DOI: doi: 10.1136/gutjnl-2020-322571
https://gut.bmj.com/content/early/2021/01/27/gutjnl-2020-322571.info
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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