25.06.2021 20:00
Proteingleichgewicht im Fortpflanzungssystem kann Krankheiten verhindern
Wissenschaftler:innen der Uni Köln fanden heraus, dass das Proteingleichgewicht in Geschlechtszellen die Proteinansammlung in anderen Geweben durch spezifische Signalisierung beeinflusst / Veröffentlichung in ‘Science Advances’
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass ein gesundes Fortpflanzungssystem krankheitsbedingte Proteinansammlungen in entfernten Geweben, wie etwa Neuronen, und die Veränderung von Mitochondrien – den Kraftwerken der Zellen – verhindern kann. Ein Ungleichgewicht von Proteinen, zum Beispiel eine Ansammlung von geschädigten Proteinen in Gehirnzellen, kann zu Krankheiten wie Alzheimer, Chorea Huntington oder Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) führen. Da diese Krankheiten mit dem Alterungsprozess einhergehen und das Fortpflanzungssystem eines der ersten Gewebe ist, das während des Alterns abnimmt, untersuchten Dr. David Vilchez und sein Team, ob der Status des Proteingleichgewichts, genannt Proteinhomöostase oder Proteostase, von Keimzellen Einfluss auf andere Gewebe und Organe hat. Anhand eines Modellorganismus, dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans, zeigen die Wissenschaftler:innen, dass die Keimzellen bei Anhäufungen von Proteinen bestimmte Signale (Wnt-Signale) ausschütten, die Veränderungen in den Mitochondrien hervorbringen. Das führt wiederum zur Proteinansammlung auch in anderen Geweben wie Muskeln oder Neuronen. Der Artikel ‘Systemic regulation of mitochondria by germline proteostasis prevents protein aggregation in the soma of C. elegans’ wurde jetzt in Science Advances veröffentlicht.
„Wir waren sehr erstaunt, als wir sahen, dass wir allein durch die Induktion von Proteinklumpen in Keimzellen das mitochondriale Netzwerk des gesamten Organismus verändern können. Diese Veränderung hat auch Proteinansammlungen in Neuronen hervorgerufen”, sagte Guiseppe Calculli, Erstautor der Studie. In Zukunft wäre es von großem Interesse zu untersuchen, ob keimspezifische Proteine sich auch während des Alterungsprozesses ansammeln und ob dieser Prozess zu der altersassoziierten Aggregation von Proteinen beiträgt, die für Pathologien wie Chorea Huntington oder ALS charakteristisch sind.
„Unsere Ergebnisse öffnen eine neue Tür zum Verständnis, warum sich Proteinaggregate in den Neuronen von Patienten mit Chorea Huntington und ALS ansammeln. Da diese Aggregate zu der für diese Krankheiten charakteristischen Neurodegeneration beitragen können, die nach wie vor unheilbar ist, kann ein weiteres Verständnis des hier entdeckten Prozesses zu neuen therapeutischen Ansätzen führen“, erklärte Vilchez, Forschungsgruppenleiter am Exzellenzcluster für Alternsforschung CECAD und dem Zentrum für Molekulare Medizin Köln (ZMMK) und Leiter der Studie.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. David Vilchez
+49 221 478 48172
dvilchez@uni-koeln.de
Originalpublikation:
Calculli G, Lee HJ, Shen K, Pham U, Herholz M, Trifunociv A, Dillin A, Vilchez D. Systemic regulation of mitochondria by germline proteostasis prevents protein aggregation in the soma of C. elegans. Science Advances 2021
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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