Strukturänderungen eines photosynthetischen Proteins in vier Dimensionen nachgewiesen



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04.09.2019 10:18

Strukturänderungen eines photosynthetischen Proteins in vier Dimensionen nachgewiesen

Die Umwandlung von Lichtenergie in eine Veränderung der Proteinstruktur spielt eine zentrale Rolle in vielen Bereichen des Lebens, zum Beispiel beim Sehen oder in der Photosynthese. Einem Forschungsteam des Fachbereichs Physik der Freien Universität Berlin ist es gelungen, mithilfe eines sogenannten Freie-Elektronen-Lasers und durch Femtosekunden-Lasersystemen die ersten Prozesse eines lichtaktiven Proteins zu untersuchen.

Die Experimente unter Leitung der Direktorin der Abteilung Biomolekulare Mechanismen am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung, Prof. Dr. Ilme Schlichting, wurden maßgeblich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Sonderforschungsbereichs „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“ der Freien Universität Berlin unterstützt: Dabei stellte die Arbeitsgruppe von Dr. Ramona Schlesinger die außerordentlich großen Mengen an gereinigtem Membranprotein zur Verfügung. Elektronische und Schwingungs-Übergänge wurden von der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Karsten Heyne in Femtosekunden-Experimenten untersucht. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim Heberle trug durch ihre spektroskopische Expertise zum Gelingen dieses äußerst komplexen Experiments bei. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht worden.

Die Nutzung von Lichtenergie ist für viele Organismen von substanzieller Bedeutung – bei der Wahrnehmung der Umwelt, der Steuerung von Wachstumsprozessen und bei der Energiegewinnung, zum Beispiel in der Photosynthese von Pflanzen. Sobald am lichtabsorbierenden Zentrum ein Lichtquant aufgenommen worden ist, wird die Energie in Form einer räumlichen Strukturänderung auf das gesamte Protein übertragen. Dieses Prinzip der Energieaufnahme durch Licht mit anschließender Weiterleitung an das umgebende Protein ist von fundamentaler Bedeutung nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch für die Entwicklung zukünftiger biomimetischer Systeme für die Energiewandlung.

Es erfordert spezielle Methoden, um lichtgetriebene Prozesse zu verfolgen, denn sie laufen innerhalb von Femtosekunden ab (10-15 Sekunden = ein Millionstel einer milliardstel Sekunde). Die Forscherinnen und Forscher nutzten hierfür einen sogenannten Freie-Elektronen-Laser, der sehr kurze, aber äußerst intensive Röntgenpulse aussendet. Diese ultrakurzen Röntgenpulse ermöglichen eine Abbildung der Strukturänderungen. Für diese Experimente reiste ein Forschungsteam zur Linac Coherent Light Source (LCLS) der Stanford University in Kalifornien, an der der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein solcher Röntgenlaser zur Verfügung steht. Ein ähnlicher, noch leistungsstärkerer Röntgenlaser wurde vor Kurzem in Hamburg in Betrieb genommen (EU-FEL). Da intensive Lichtimpulse neben linearen auch nichtlineare Effekte hervorrufen, hat das Forschungsteam Femtosekunden-Lasersysteme der Freien Universität Berlin im sichtbaren und infraroten Spektralbereich mit unterschiedlichen Anregungsintensitäten eingesetzt mit dem Ziel, die gemessenen Strukturänderungen von nichtlinearen Effekten zu unterscheiden.

Im Rahmen dieser interdisziplinären Zusammenarbeit gelang es, die atomare Struktur der ultrakurzlebigen Zwischenzustände der lichtgetriebenen Protonenpumpe Bacteriorhodopsin zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Photoaktivierung aufzuklären. Es zeigte sich, wie das Molekül Retinal, welches das photosensitive Zentrum des Proteins darstellt, nach Absorption eines Photons seine Struktur von der gestreckten all-trans- hin zu einer gebogenen 13-cis-Konfiguration verändert. Weiterhin wiesen die Forscherinnen und Forscher korrelierte Schwingungsbewegungen des elektronisch angeregten Retinals, der umgebenden Aminosäuren und Wassermoleküle sowie deren Wasserstoffbindungsnetzwerk nach. Diese Ergebnisse können auf andere Retinalproteine übertragen werden, etwa auf den Sehfarbstoff Rhodopsin; sie tragen zum Verständnis einer effizienten Lichtaufnahme bei.

Die Arbeiten werden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1078 gefördert, dessen Sprecher Joachim Heberle ist. Innerhalb dieses Forschungsverbunds wird die Rolle der Protonierungsdynamik bei der Proteinfunktion auf atomarer Ebene erforscht. Methodisch wird dazu eine Kombination aus neuen biophysikalischen Experimenten mit molekularen Simulationen und quantenchemischen Berechnungen eingesetzt. Obwohl das Forschungsprogramm sich auf grundlegende Fragen konzentriert, können damit neue Ansätze in den Energiewissenschaften (lichtgesteuerte Wasseroxidation) angeregt und die Entwicklung neuer maßgeschneiderter Werkzeuge in der Biomedizin unterstützt werden (Optogenetik).

Artikel
https://doi.org/10.1038/s41467-019-10758-0
https://www.nature.com/articles/s41467-019-10758-0

Kontakt
Prof. Dr. Joachim Heberle, Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“ der Freien Universität Berlin, Fachbereich Physik, Telefon: 030 838-53337, E-Mail: jheberle@zedat.fu-berlin.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW