Überleben unter Stress: Wie Zellen den Export von Boten-RNA aus dem Zellkern anpassen



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04.10.2024 10:54

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Überleben unter Stress: Wie Zellen den Export von Boten-RNA aus dem Zellkern anpassen

Ein Forschungsteam vom Institut für Biochemie gibt Einblicke in den mRNA-Export unter Normal- und Stressbedingungen – Publikation in „Molecular Cell“

Bei Stress reagiert unser Körper unweigerlich: Das Herz beginnt zu rasen, die Muskeln spannen sich an, Stresshormone werden ausgeschüttet. Auf diesen Stress reagieren die einzelnen Zellen. Unter Stressbedingungen – beispielsweise umwelt- oder krankheitsbedingten Belastungen – verändern sie viele verschiedene Prozesse, unter anderem im RNA-Stoffwechsel. Eine Schlüsselrolle spielt die Boten-RNA (mRNA), da sie als Zwischenspeicher für die in den Genen kodierten Baupläne für Proteine fungiert und diese Information aus dem Zellkern in das Zytoplasma eukaryotischer Zellen transportiert. Der Export der mRNA aus dem Zellkern ist daher essenziell für das Überleben der Zelle. Dies gilt insbesondere unter Stressbedingungen, wenn für eine schnelle Anpassung des Stoffwechsels andere Proteine benötigt werden. Um möglichst schnell von Normal- auf Stressbetrieb umschalten zu können, blockieren gestresste Zellen den mRNA-Export der meisten mRNAs und exportieren selektiv stressspezifische mRNAs. Prof. Dr. Katja Sträßer vom Institut für Biochemie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) untersucht den mRNA-Export unter normalen und unter Stressbedingungen. In einem Review-Artikel in der Fachzeitschrift „Molecular Cell“ gibt sie gemeinsam mit Dr. Johanna Seidler, die in ihrer Arbeitsgruppe promoviert hat und dort nun als Postdoc tätig ist, einen Überblick über die Mechanismen des mRNA-Exports. Der Artikel ist auch Teil der „Molecular Cell“-Sonderausgabe „Focus on RNA“.

„Die Regulation des mRNA-Exports als Reaktion auf Stress ist ein bemerkenswert effizienter Mechanismus, um die Genexpression schnell zu verändern“, erklärt Prof. Sträßer. Bei der Genexpression werden im Zellkern zunächst die Gene in mRNA transkribiert. Diese mRNA wird anschließend in das Zytoplasma exportiert, wo die darauf kodierte Information in eine Kette von Aminosäuren übersetzt wird – das Protein. Während des gesamten Prozesses liegt die mRNA nie „nackt“ vor. So ist die mRNA zum Beispiel im Zellkern von speziellen Proteinen gebunden, sogenannten mRNP-Komponenten, die die mRNA zu einem mRNP-Komplex verpacken. Unter normalen Bedingungen rekrutieren einige mRNP-Komponenten, sogenannte Adapterproteine, den sogenannten mRNA-Exporter an die mRNAs, der diese aus dem Zellkern heraustransportiert. Um mit Stress umzugehen, blockieren Zellen den allgemeinen mRNA-Export. Stattdessen exportieren sie selektiv stressspezifische mRNAs, um Proteine zu produzieren, die das Überleben der Zelle bei diesem Stress sichern. „Die Selektivität des mRNA-Exports, d.h. dass die einen mRNAs zurückgehalten werden, während die anderen exportiert werden, ist ein spannendes Phänomen“, sagt Dr. Johanna Seidler.

Trotz dieser Erkenntnisse gibt es noch viele offene Fragen zum mRNA-Export unter normalen und unter Stressbedingungen. So ist beispielsweise wenig darüber bekannt, wie dieser Prozess in verschiedenen Organismen und unter unterschiedlichen Stressarten abläuft oder wie er durch Veränderungen von Proteinen, sogenannte posttranslationale Modifikationen, reguliert wird. Hier wird Prof. Sträßer mit ihrer Arbeitsgruppe weiterforschen: „Unser Ziel ist es ist, die molekularen Mechanismen zu verstehen, die den allgemeinen mRNA-Export unter Stress blockieren und den Transkript-spezifischen mRNA-Export vermitteln“, so die Forscherin.

Der Start des Projektes wurde durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) gefördert: Prof. Sträßer hatte 2018 für das Projekt „Nuclear mRNA Packaging and mRNP Architecture“ einen ERC Consolidator Grant erhalten, eine hochdotierte EU-Forschungsförderung für wissenschaftliche Exzellenz. Sie ist zudem Mitglied der European Molecular Biology Organization (EMBO), in die führende Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt gewählt werden, und Sprecherin des seit 2018 laufenden DFG-Graduiertenkollegs zu regulatorischen Netzwerken im mRNA-Lebenszyklus (GRK 2355).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Katja Sträßer
Institut für Biochemie
Telefon: 0641 99-35400
E-Mail: katja.straesser@chemie.bio.uni-giessen.de


Originalpublikation:

Johanna Franziska Seidler, Katja Sträßer: Understanding nuclear mRNA export: Survival under stress. Molecular Cell, Volume 84, Issue 19, 3681 – 3691
https://doi.org/10.1016/j.molcel.2024.08.028

Sonderausgabe “Focus on RNA”:
https://www.cell.com/molecular-cell/issue?pii=S1097-2765(23)X0020-3


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW