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15.07.2024 09:32
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Veränderungen des Lebensstils unterstützten Senkung des Demenzrisikos
Derzeit leben in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Durch die gestiegene Lebenserwartung wird der Anteil weiter wachsen: Auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes rechnen Expert:innen mit bis zu zwei Millionen Fällen im Jahr 2033. Erstmals wurde eine Interventionsstudie zur Vorbeugung geistiger Abbauprozesse bei älteren Hausarztpatient:innen durchgeführt. Die Ergebnisse sind unter Federführung der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig entstanden und in der Fachzeitschrift „Alzheimer’s & Dementia“ veröffentlicht worden.
Das Wissen zu beeinflussbaren Risikofaktoren, die eine Demenz verzögern oder gar verhindern, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. So können zum Beispiel ausreichend Bewegung, gute soziale Integration und gesunde Ernährung dazu beitragen, die geistige Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Zur Prävention von Demenz haben sich solche Veränderungen des Lebensstils als besonders effektiv herausgestellt, die mehrere Risikofaktoren gleichzeitig adressieren. Erste Interventionsstudien aus anderen Ländern zeigen, dass Änderungen des Lebensstils auch im höheren Alter effektiv sein können, um den Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit zu verhindern.
Eine Studie mit sogenannter Multikomponenten-Intervention bei älteren Personen wurde nun auch erstmals in Deutschland durchgeführt, und zwar unter Federführung des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Medizinischen Fakultät. Im Rahmen der AgeWell.de-Studie sind bundesweit an fünf Standorten insgesamt 1.030 ältere Hausarztpatient:innen zwischen 60 und 77 Jahren untersucht, bei der Umsetzung der Präventionsmaßnahmen begleitet und 24 Monate beobachtet worden. Die Teilnehmenden wurden nach dem Zufallsprinzip einer Interventions- oder Kontrollgruppe zugeteilt.
Die Studienmaßnahmen umfassten die Optimierung der Ernährung und der Medikation, sowie eine Steigerung der körperlichen, sozialen und geistigen Aktivität. Geschulte Studienassistent:innen halfen den Teilnehmenden bei der Umsetzung. Bei Bedarf wurden Personen mit depressiven Symptomen zusätzlich unterstützt. Alle Teilnehmenden wurden hausärztlich in normalem Umfang betreut. Die Personen der Kontrollgruppe erhielten einmalig schriftliche Gesundheitsinformationen zu Inhalten der Intervention.
„Zum Studienende hat sich der subjektiv wahrgenommene Gesundheitszustand der Teilnehmenden signifikant verbessert. Bei Frauen gingen depressive Symptome durch die Intervention zurück. Allerdings konnten wir in dieser relativ kurzen Nachbeobachtungszeit keine signifikanten Unterschiede in der geistigen Leistungsfähigkeit feststellen. Aber wir konnten zeigen, dass sich das Risikoprofil der Studienteilnehmer durch die Intervention verbesserte, also etablierte Risikofaktoren für Demenz positiv beeinflusst wurden“, sagt Dr. Andrea Zülke, Studienkoordinatorin von AgeWell.de und Wissenschaftlerin am ISAP. Insbesondere die Ernährung, aber auch Blutdruckwerte der Teilnehmenden verbesserten sich. Faktoren, die auch anderen Krankheitsbildern, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken.
„Mit AgeWell.de haben wir gezeigt, dass Multikomponenten-Interventionen für einen gesunden Lebensstil im Alter auch in Deutschland umsetzbar sind, insgesamt konnten wir über 1000 Teilnehmende aus Hochrisikogruppen für die Studie gewinnen. Das waren nicht die typischen Teilnehmer:innen von Präventionsstudien – wir konnten wirklich Menschen mit einem erhöhten Risiko einschließen: 40 Prozent hatten eine Zuckerkrankheit, 54 Prozent Bluthochdruck und 55 Prozent waren adipös. Die Ergebnisse zur Veränderung des Risikoprofils sind ermutigend. Wir gehen davon aus, dass solche Interventionsstudien längere Beobachtungszeiträume brauchen, damit die Effekte der Lebensstilveränderungen ihr volles Potenzial entfalten können“, erklärt Prof. Steffi G. Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziell gefördert.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Steffi G. Riedel-Heller, MPH
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)
Telefon: +49 341 97 15408
E-Mail: Steffi.Riedel-Heller@medizin.uni-leipzig.de
Dr. rer. nat. Andrea Zülke
Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)
Telefon: +49 341 97 15483
E-Mail: Andrea.Zuelke@medizin.uni-leipzig.de
Originalpublikation:
Originalpublikationen in Alzheimer’s & Dementia:
Effects of a multi-domain intervention against cognitive decline on dementia risk profiles – results from the AgeWell.de-trial. https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/alz.14097
A multidomain intervention against cognitive decline in an at-risk-population in Germany: Results from the cluster-randomized AgeWell.de trial. https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/alz.13486
Weitere Informationen:
https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/isap/Seiten/AgeWell.aspx AgeWell.de – Geistig fit ins Alter
Bilder
Die Studienmaßnahmen umfassten die Optimierung der Ernährung und der Medikation sowie eine Steigerun …
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch