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09.08.2024 10:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Verborgenes Potenzial freilegen: LMO4 steigert die Fähigkeiten von T-Zellen zur Krebs-bekämpfung
Forscher des Leibniz-Instituts für Immuntherapie (LIT), des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) und des National Heart, Lung, and Blood Institute (NHLBI) haben CD8+ T-Zellen so verändert, dass sie das Gen LMO4 künstlich exprimieren und dadurch ihre Wirksamkeit gegen Tumore erhöhen können.
T-Zell-Therapien, bei denen gentechnisch veränderte T-Zellen des menschlichen Immunsystems als Therapeutika eingesetzt werden, revolutionieren die medizinische Onkologie, indem sie bisher unheilbare Blutkrebserkrankungen wirksam behandeln. Ihr Erfolg bei soliden Tumoren ist jedoch begrenzt. Wie können wir diese Therapien gegen ein breiteres Spektrum von Krebsarten wirksamer machen? Jüngste Studien haben gezeigt, dass stammzellähnliche Gedächtnis-T-Zellen, eine besondere Art von T-Zellen, die für ihre Langlebigkeit und ihre Fähigkeit zur Vermehrung bekannt sind, der Schlüssel zur erfolgreichen Tumorbekämpfung sind.
Forscher der Abteilung für funktionelle Immunzellmodulation (LIT), Innere Medizin III (UKR), und des Labors für molekulare Immunologie (Immunologiezentrum des NHLBI) entwickeln neue Methoden, um die Bildung dieser leistungsstarken T-Zellen zu verbessern. Durch ein CRISPR-Aktivierungsscreening – eine Methode, mit der Wissenschaftler viele unterschiedliche Gene in Zellen aktivieren, um herauszufinden, welche spezifische Wirkungen sie haben – entdeckte das Team, dass das Gen LMO4 die stammzellähnlichen Eigenschaften von T-Zellen verstärken kann, wodurch sie effektiver gegen Krebs werden. Durch den Einsatz von Werkzeugen der synthetischen Biologie zur Einführung von LMO4 in krebsbekämpfende T-Zellen fanden sie heraus, dass sich diese veränderten T-Zellen stärker ausbreiten, länger leben und dem Alterungsprozess widerstehen. „Als wir LMO4 in T-Zellen erhöhten, stellten wir fest, dass diese Zellen in einem ‘stammzellähnlichen’ Zustand bleiben, wodurch sie länger überleben und Krebs effektiver bekämpfen können“, erklärt Roland C. Schelker, einer der leitenden Forscher.
Wie entfaltet LMO4 seine Magie?
Der Schlüssel ist ein Signalweg, an dem ein Molekül namens IL-21 und ein Protein namens STAT3 beteiligt sind. Wenn IL-21 an seinen Rezeptor auf der Oberfläche der T-Zelle bindet, löst es eine Reihe von Reaktionen aus, die STAT3 aktivieren. Dieses Protein wandert dann in den Kern der T-Zelle und schaltet bestimmte Gene an, die der Zelle helfen, zu wachsen, zu überleben und zu einer Gedächtniszelle zu werden, die Krebszellen besser erkennen und angreifen kann. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass LMO4 an ein Protein namens JAK1 bindet, das an den IL-21-Rezeptor bindet. Diese Bindung stabilisiert den Rezeptor und verbessert seine Fähigkeit, Signale an die T-Zelle zu senden.
Es ist bekannt, dass die IL-21-STAT3-Signalübertragung die Bildung von T-Gedächtniszellen mit langer Lebensdauer fördern kann. Zuvor hatten die Forscher herausgefunden, dass die Behandlung von Zellen mit einer Kombination aus IL-21 und einem Inhibitor eines Stoffwechselenzyms (Laktatdehydrogenase) die Antitumor-Wirksamkeit erheblich verbessert. Die aktuelle Studie zeigt, dass diese Kombination zu einer starken Expression von LMO4 führt und dass LMO4 genutzt werden kann, um die STAT3-Signalübertragung direkt in den Antitumorzellen zu verstärken. „Wir haben herausgefunden, dass LMO4 die Antitumor-Wirksamkeit von T-Zellen deutlich steigert“, sagt Dr. Warren J. Leonard, Mitautor der Studie und NIH-Ausnahmewissenschaftler im Labor für Molekulare Immunologie am NHLBI. „Unsere Studie legt außerdem nahe, dass die Steigerung der Expression von Molekülen wie LMO4, eine wertvolle Ergänzung zu anderen immuntherapeutischen Ansätzen zur Bekämpfung von Tumoren darstellen könnte.“
Licht auf versteckte Gene werfen
Ein faszinierender Aspekt dieser Forschung ist, dass LMO4 in T-Zellen normalerweise nur eine begrenzte Funktion hat. Indem sie es künstlich in T-Zellen einführten, haben die Forscher „das Licht angemacht“, um sein verborgenes Potenzial zu enthüllen (siehe Karikatur unten). „Dies ist eines der besten Beispiele dafür, wie die Überexpression eines Gens – LMO4 -, das normalerweise in T-Zellen nicht aktiv ist, vorteilhafte Eigenschaften fördern und ihre therapeutische Funktion verbessern kann“, sagt Luca Gattinoni, der Hauptautor der Studie. „Unsere Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für die Manipulation anderer Gene, die normalerweise in T-Zellen zum Schweigen gebracht werden, und die möglicherweise gewünschte Funktionen in T-Zellen hervorrufen könnten“, fährt er fort.
Was sind die nächsten Schritte?
In Zukunft wollen die Forscher diese Erkenntnisse nutzen, um neue T-Zell-Therapien zu entwickeln, die nicht nur den LMO4-Spiegel erhöhen, sondern auch den gesamten beteiligten Signalweg optimieren. Das Ziel ist es, robustere und langlebigere Behandlungen zu entwickeln, die solide Tumore effektiver bekämpfen können und neue Hoffnung auf bessere Ergebnisse in der Krebstherapie bieten.
Über das Leibniz-Institut für Immuntherapie (LIT)
Das LIT ist ein Institut innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft mit Sitz in Regensburg, Deutschland. Unsere Aufgabe ist es, innovative Therapien für die Behandlung von Krebs, Autoimmunität und chronischen Entzündungen zu entwickeln. Durch die Reprogrammierung von Immunzellen mittels synthetischer und pharmakologischer Strategien bauen wir Zellen, die Leben retten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Luca Gattinoni
Leiter der Abteilung für Funktionelle Immun-Zell-Modulation
LIT- Leibniz Institut für Immuntherapie
c/o Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Phone: +49 941 944 38131
E-Mail: luca.gattinoni@lit.eu
Dr. Roland C. Schelker
Facharzt für Innere Medizin, Hematologie und internistische Onkologie
Innere Medizin III, Universitätsklinikum Regensburg
Postdoktorand, Abteilung für Funktionelle Immun-Zell-Modulation
LIT- Leibniz Institut für Immuntherapie
c/o Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
Phone: +49 941 944 38131
E-Mail: roland.schelker@ukr.de
Dr. Warren J. Leonard
Laboratory of Molecular Immunology and the Immunology Center
National Heart, Lung and Blood Institute, National Institutes of Health (NHLBI)
Building 10 – National Institutes of Health (NIH)
10 Center Drive
Bethesda, MD 20814, USA
Phone: +01 301-402-0971
E-Mail: leonardw@nhlbi.nih.gov
Originalpublikation:
Weitere Informationen finden Sie im vollständigen Artikel in der Zeitschrift „Signal Transduction and Targeted Therapy“:
Roland C. Schelker, Jessica Fioravanti, Fabio Mastrogiovanni, Jeremy G. Baldwin, Nisha Rana, Peng Li, Ping Chen, Timea Vadász, Rosanne Spolski, Christoph Heuser-Loy, Dragana Slavkovic-Lukic, Pedro Noronha, Giuseppe Damiano, Laura Raccosta, Daniela Maggioni, Sree Pullugula, Jian-Xin Lin, Jangsuk Oh, Patrick Grandinetti, Mario Lecce, Leo Hesse, Emilia Kocks, Azucena Martín-Santos, Claudia Gebhard, William G. Telford, Yun Ji, Nicholas P. Restifo, Vincenzo Russo, Michael Rehli, Wolfgang Herr, Warren J. Leonard, Luca Gattinoni. LIM-domain-only 4 (LMO4) enhances CD8+ T-cell stemness and tumor rejection by boosting IL-21-STAT3 signaling. Signal Transduct Target Ther, 2024.
https://doi.org/10.1038/s41392-024-01915-z
Bilder
Das Einschalten von LMO4 in T-Zellen enthüllt sein verborgenes therapeutisches Potenzial
Dr. Roland Schelker / LIT
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch