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02.07.2025 20:03
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Typ-2-Diabetes: Vielversprechender neuer Wirkstoff ohne Nebenwirkungen für Herz und Kreislauf entdeckt
In einer wegweisenden Studie hat das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für Klinische Pharmakologie in Stuttgart zusammen mit internationalen Partnern einen neuen Therapieansatz zur Behandlung von Typ-2-Diabetes entdeckt. Ein neu identifizierter Wirkstoff fördert die Glukoseaufnahme in den Zellen ohne negative Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem. Zudem kann der Wirkstoff den Muskelabbau bei der Verwendung von „Abnehmspritzen“ verhindern. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Cell veröffentlicht: https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.05.042
Stuttgart, 2. Juli 2025 – Bei Diabetes Typ 2, früher auch als Altersdiabetes bezeichnet, sind die Körperzellen nicht mehr in der Lage, Zucker aus dem Blut aufzunehmen. Ein möglicher Therapieansatz besteht deshalb darin, die Glukoseaufnahme in den Zellen wieder zu erhöhen. Zwar ist schon länger bekannt, dass die Wirkstoffklasse der sogenannten beta-adrenergischen Agonisten genau diesen Effekt hat, doch war ihre Nutzung wegen gefährlicher Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem bisher nicht möglich.
Nun haben Forschende des Dr. Margarete Fischer-Bosch Instituts für Klinische Pharmakologie (IKP), des Karolinska-Instituts in Schweden, der Universität Stockholm, der Firma Atrogi und weiterer Partner einen vielversprechenden Kandidaten aus eben dieser Wirkstoffklasse identifiziert, der den Blutzucker senkt, ohne jedoch zu den unterwünschten Nebenwirkungen zu führen. Und er hat sogar einen positiven Nebeneffekt: Der Wirkstoff könnte die Wirkung jener Diabetes-Medikamente verbessern, die auch als „Abnehmspritzen“ verwendet werden, da er den durch sie hervorgerufenen Abbau von Muskelmasse verhindert.
Virtuelles Screening von Millionen Molekülen
Der entscheidende Ausgangspunkt war, dass der adrenergische Rezeptor über zwei unterschiedliche Signalwege wirkt – einer senkt den Blutzucker, der andere bewirkt die charakteristischen Effekte auf Blutdruck und Herzrate und kann bei langanhaltender Aktivierung gefährliche Herz-Kreislauf-Symptome hervorrufen. „Unser Ziel war es, die unerwünschten Nebenwirkungen auf Herz und Kreislauf von dem blutzuckersenkenden Signalweg dieses Rezeptors zu entkoppeln“, erklärt Prof. Dr. Volker M. Lauschke, stellvertretender Leiter des IKP. „Hierfür haben unsere Kolleg:innen der Universität Stockholm Millionen Moleküle über ein virtuelles Screening analysiert und sind dabei auf den Wirkstoff ATR-258 gestoßen. Diesen haben wir dann in vitro auf seine Signalwegaktivierung getestet.“
Nach vielversprechenden Ergebnissen in Zellkulturen folgten präklinische Studien und zuletzt eine klinische Studie der Phase I, in der über einen Zeitraum von sechs Monaten 48 gesunde Probanden sowie 25 Typ-2-Diabetiker:innen beobachtet wurden. „Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ATR-258 den Blutzuckerspiegel signifikant und langanhaltend verringert, während wir keine negativen Effekte auf die Herzfrequenz oder Arrhythmien beobachtet haben“, erklärt Lauschke.
Verbesserte Wirkung von „Abnehmspritzen“
Und das zweite bemerkenswerte Ergebnis der Studie: Der Wirkstoff kann die inkretin-basierten Diabetes-Medikamente verbessern, die auch als „Abnehmspritzen“ verwendet werden. Diese steigern die Insulinproduktion, zügeln den Appetit und führen zu Gewichtsverlust. Das Problem: Patient:innen nehmen nicht nur Fettmasse, sondern auch Muskelmasse ab. In Kombination mit dem neuen Wirkstoff kann dieser ungewollte Muskelabbau verhindert werden.
Die Studienerkenntnisse bieten also eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung eines neuen Medikaments zur Behandlung von Typ-2-Diabetes – das letztlich oral verabreicht werden kann und nicht gespritzt werden muss. Der nächste Schritt ist die Untersuchung der Wirksamkeit im Rahmen einer Phase-II-Studie.
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Das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für Klinische Pharmakologie
Das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für Klinische Pharmakologie ist eine Forschungseinrichtung am Bosch Health Campus in Stuttgart. Die Forschungsschwerpunkte liegen in der personalisierten Medizin und der Pharmakogenomik. Seine Mission ist es, die Arzneimitteltherapie mithilfe modernster Technologien und neuester Methoden zu verbessern und damit maßgeschneiderte Präzisionsmedizin für Patientinnen und Patienten zu ermöglichen. Mit mehr als 70 Mitarbeitenden ist es bundesweit die größte Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Klinischen Pharmakologie.
Weitere Informationen: https://www.ikp.de/en
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Der Bosch Health Campus
Der Bosch Health Campus vereint alle Institutionen und Förderaktivitäten der Robert Bosch Stiftung im Bereich Gesundheit mit den vier Säulen Behandeln, Forschen, Bilden und Fördern. Mit seinen interdisziplinär vernetzten Einrichtungen und mehr als 3000 Mitarbeitenden hat es sich der Bosch Health Campus zur Aufgabe gemacht, innovative Lösungen für die großen Herausforderungen des Gesundheitswesens anzubieten.
Zum Bosch Health Campus gehören das Robert Bosch Krankenhaus, das Dr. Margarete Fischer-Bosch Institut für Klinische Pharmakologie, das Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen, das Robert Bosch Centrum für Integrative Medizin und Gesundheit, das Institut für Geschichte der Medizin, der Bosch Digital Innovation Hub, das Irmgard Bosch Bildungszentrum sowie das Robert Bosch Centrum für Innovationen im Gesundheitswesen.
Weitere Informationen: www.bosch-health-campus.com
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Bosch Health Campus
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Cornelia Varwig
presse@bosch-health-campus.com
0049 711 8101-3638
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
https://www.ikp.de/en/team/phd-volker-lauschke
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1016/j.cell.2025.05.042
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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