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09.09.2025 10:25
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Neues Diagnoseinstrument zur Suizidprävention: Reduziertes Vertrauen in Körpersignale als Risikomarker
Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September: Forschende der MHB haben eine neue Methode entwickelt, um das Suizidrisiko bei Depressionen frühzeitig zu erkennen.
Menschen mit schweren Depressionen haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Suizid – ihre Lebenserwartung ist im Durchschnitt deutlich geringer als die der Allgemeinbevölkerung. Besonders gravierend ist dies bei bipolaren Erkrankungen. Für Psychiater*innen bleibt es dabei eine bedrückende Erfahrung, wenn Patient*innen trotz intensiver Betreuung plötzlich einen Suizidversuch unternehmen oder versterben. Bislang gibt es kaum zuverlässige psychologische oder biologische Marker, die eine akute Suizidgefahr rechtzeitig ankündigen.
Ein Forscherteam der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) hat jetzt in einer aktuellen Studie einen neuartigen diagnostischen Ansatz entwickelt, um das Risiko für Suizidgedanken bei klinisch behandelten Patient*innen mit unipolarer Depression frühzeitig zu erkennen. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel „Reduced trust in bodily sensations predicts suicidal ideation in hospitalized patients with major depression: an observational study“ in der Fachzeitschrift Suicide and Life-Threatening Behavior veröffentlicht.
Leibvertrauen als neuer Ansatzpunkt
Die Forscher konnten zeigen, dass stationäre Patient*innen mit schwerer Depression ein umso höheres Risiko für Suizidgedanken aufweisen, je weniger sie ihren eigenen Körper als sicher und vertrauenswürdig erleben. Diese Beobachtung ist besonders bedeutsam, da es außer der Langzeittherapie mit Lithium bislang keine Medikation gibt, die das Suizidrisiko zuverlässig reduziert. Insbesondere erleben Ärzt*innen immer wieder Fälle, in denen Betroffene kurz nach der Entlassung aus der Klinik – für die Behandelnden oft völlig unerwartet – versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Leibvertrauen ist ein Aspekt der Interozeption, also der Wahrnehmung von Signalen aus dem Inneren des Körpers – etwa Herzschlag, Atmung oder Hunger – und lässt sich mithilfe eines einfachen Schwellenwerts bereits zu Beginn eines stationären Aufenthalts durch drei kurze Fragen erfassen. Mit diesem neuen Risikomarker können verantwortliche Ärzt*innen bereits frühzeitig Patient*innen mit gestörter Interozeption identifizieren, die bei der Entlassung besonders gefährdet sein könnten.
Kritische Phase nach Entlassung
Der Übergang von der intensiven Betreuung im Krankenhaus zurück in den Alltag gilt als kritische Phase, da Betroffene oft noch instabil sind und wenig Unterstützung erhalten. Folglich sind die ersten Wochen nach der Entlassung mit einem erhöhten Risiko für Suizidgedanken und -handlungen verbunden. Das von den Forschern entwickelte diagnostische Verfahren bietet die Chance, Betroffene frühzeitig zu erkennen und gezielte Maßnahmen zur Suizidprävention bereits während der stationären Behandlung einzuleiten.
„Bislang standen kaum verlässliche Marker zur Vorhersage von Suizidgedanken zur Verfügung, was die Suizidprävention erschwerte“, erklärt Dr. Michael Eggart, Gastwissenschaftler am Zentrum für seelische Gesundheit des Immanuel Klinikums Rüdersdorf, Universitätsklinikum der MHB. „Unsere Ergebnisse machen zudem deutlich, dass das Leibempfinden in der Therapie stärker berücksichtigt werden sollte.“ Der an der Publikation maßgeblich beteiligte MHB-Professor Bruno Müller-Oerlinghausen ergänzt: „Es ist Zeit, dass die psychiatrische Praxis endlich die wegweisenden internationalen Befunde zur gestörten Interozeption bei depressiven und suizidalen Menschen zur Kenntnis nimmt.“
Hintergrund – Welttag der Suizidprävention
Der Welttag der Suizidprävention am 10. September macht jedes Jahr auf die Dringlichkeit der Suizidprävention und die Bedeutung der Aufklärung über Risikofaktoren aufmerksam. Suizide treten häufig im Rahmen von Depressionen auf. Weltweit sterben jährlich mehr als 700.000 Menschen durch Suizid. Fortschritte in Forschung, Diagnostik und Therapie sind entscheidend, um diese Zahl nachhaltig zu senken.
Link zur Veröffentlichung: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/sltb.70041
Hinweis: Sie haben suizidale Gedanken? Die Telefonseelsorge bietet rund um die Uhr kostenlose und anonyme Hilfe: (0800) 1110111 und (0800) 1110222. Unterstützung ist auch per E-Mail oder Chat möglich. Weitere bundesweite Hilfsangebote finden Sie auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Michael Eggart
E-Mail: michael.eggart@mhb-fontane.de
Originalpublikation:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/sltb.70041
„Reduced trust in bodily sensations predicts suicidal ideation in hospitalized patients with major depression: an observational study“
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
