Ästhetische Handprothetik: Multistabiler Finger aus programmierbarem Metamaterial ermöglicht vereinfachten Prothesenbau



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29.10.2025 09:24

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ästhetische Handprothetik: Multistabiler Finger aus programmierbarem Metamaterial ermöglicht vereinfachten Prothesenbau

Im Fraunhofer Cluster of Excellence Programmable Materials CPM haben Forschende ein multistabiles Fingergelenk für eine Handprothese entwickelt, welches vier stabile Verformungszustände annehmen kann. Die Fraunhofer-Institute LBF, IWM, ITWM und IAP arbeiten im Projekt »ProFi« zusammen, um die bisherige mehrteilige und verschraubte Lösung durch ein einzelnes programmierbares Metamaterial zu ersetzen, was den Montageaufwand erheblich reduziert. Diese passive, günstige Handprothese bietet zwei Gelenke, die eine Beugung um eine Achse erlauben und verschiedene Fingerstellungen fixieren kann. Ein großer Fortschritt für Handprothesennutzer, die Wert auf Ästhetik und Funktionalität legen.

Passive Handprothesen mit gelenkigen Fingern sind wegen der geringen Kosten attraktiv für den Endnutzer. Im Rahmen des Projekts »ProFi« (Programmierbarer Multistabiler Finger) hat ein Fraunhofer-Forscherteam einen Finger für Handprothesen konzipiert, der die herkömmlichen mehrteiligen und verschraubten Lösungen durch ein einzelnes, leicht anpassbares multistabiles Metamaterial ersetzt. Ziel war es, die Montage zu vereinfachen und gleichzeitig die Funktionalität zu erhöhen. Der Finger kann in vier Positionen in 30°-Schritten fixiert werden.

Ästhetische Handprothese durch programmierbare Metamaterialien

Die am Fraunhofer LBF entwickelte Gelenkstruktur basiert auf einem Metamaterial, das ursprünglich für den Ellenbogenersatz konzipiert wurde und nur die Biegung um eine Achse ermöglicht, während die anderen Freiheitsgrade möglichst steif sind. Die Übertragung in einen kleineren Bauraum wurde durch spezielle Anpassungen realisiert, die eine 90°-Beugung in einem geringen Radius ermöglichen und gleichzeitig die Steifigkeit in der Beugungsrichtung minimieren. Unterstützt durch FEM-Simulationen wurde die Struktur optimiert, um Spannungen zu reduzieren und die Lebensdauer zu steigern.

Die am Fraunhofer IWM entwickelten bistabilen Einheitszellen, die in das Gelenk integriert sind, basieren auf einem Konzept, das elastische Balken verwendet, die bei Zugbelastung in einen zweiten stabilen Zustand übergehen. Zur Analyse der Bistabilität und zur Optimierung der Einheitszellen-Geometrie wird mit Unterstützung des Fraunhofer ITWM die Software »ProgMatCode« eingesetzt. Die Kombination aus Gelenkstruktur und mehreren bistabilen Einheitszellen ergibt das multistabile Fingergelenk. Am Fraunhofer IAP wurde ein Finger mit zwei Gelenken aus einem Bauteil additiv gefertigt, sodass weiterhin eine individuelle Außenkontur möglich ist, aber der Montageaufwand entfällt.

Das Gelenk kann in der Orthetik und als Greifsystem in der Automatisierungstechnik zum Einsatz kommen, wo es Effizienz und Sicherheit steigert.

#Bistabilität, #Programmierbare Metamaterialien, #Prothetik

Hintergrund: Was sind programmierbare Materialien und Metamaterialien?

Komplexer werdende Anforderungen an das Materialverhalten bringen die klassischen Konzepte der Materialauswahl und -auslegung an ihre Grenzen. Das Fraunhofer Cluster of Excellence Programmable Materials CPM ist ein Zusammenschluss aus verschiedenen Fraunhofer-Instituten mit überschneidenden und sich ergänzenden Kompetenzen. Das Ziel ist die Entwicklung sogenannter »programmierbarer Metamaterialien«, die sich an Umgebungsbedingungen adaptieren, klassische Systemansätze ersetzen oder zwischen verschiedenen Eigenschaften geschaltet werden können.

Mechanische Metamaterialien bestehen aus Werkstoffen, deren makroskopischen Eigenschaften durch eine mesoskalige (µm-cm) Strukturierung aus sogenannten Einheitszellen gezielt eingestellt werden. In programmierbaren Metamaterialien ist diese Mesostruktur nicht mehr fest, sondern verändert sich unter bestimmten Randbedingungen oder durch äußere Stimulierung reversibel. Des Weiteren können geometrische Parameter in der Struktur variiert werden, um die Funktionalität eines makroskopischen Bauteils zu optimieren.

Was bieten programmierbare Materialien?

Programmierbare Materialien haben das Potential einen Paradigmenwechsel im Umgang mit und beim Gestalten von Materialien einzuleiten, da sie technische Systeme aus vielen Bauteilen und Materialien durch ein einzelnes, lokal konfiguriertes Material ersetzen. Sie ermöglichen damit kleinere Systemgrößen und reduzieren die Komplexität des Gesamtsystems sowie die Abhängigkeit von großen Infrastrukturen. Gerade in hoch technologisierten Bereichen wie der Soft-Robotic können programmierbare Materialien helfen, die zunehmende Anfälligkeit durch komplexe Miniaturisierung wieder zu reduzieren.

Neben der höheren Funktionsintegration und der damit verbundenen Ressourceneffizienz gestatten programmierbare Materialien in Zukunft auch gänzlich neue Funktionalitäten, die sich bisher nicht realisieren ließen. Besonders hohes Potenzial bieten sie dort, wo eine hohe Effektivität oder Komfort, ein geringer Platzbedarf oder eine hohe Individualität gefordert sind.

Das Cluster erwartet insbesondere in den Branchen Medizin- bzw. Gesundheitstechnik, Umwelttechnologie und Miniaturisierung von Technologien vielversprechende Lösungen mit programmierbaren Materialien.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Jannik Krohn M. Sc., jannik.krohn@lbf.fraunhofer.de
Dr.-Ing. William Kaal, william.kaal@lbf.fraunhofer.de


Weitere Informationen:

https://www.lbf.fraunhofer.de/de/projekte/programmierbare-bistabile-fingerprothe… Mehr Infos zum Projekt
https://cpm.fraunhofer.de/ Mehr Infos zu den Programmierbaren Materialien


Bilder

Die neue Fingerprothese mit zwei Gelenken, fixiert in drei unterschiedlichen Stellungen

Die neue Fingerprothese mit zwei Gelenken, fixiert in drei unterschiedlichen Stellungen
Quelle: Ursula Raapke
Copyright: Fraunhofer LBF

FEM-Simulation der Gelenkstruktur mit Vergleichsspannung in MPa (oben) und die additiv gefertigte Struktur mittels Fused Deposition Modeling (FDM) und Selective Laser Sintering (SLS) (unten).

FEM-Simulation der Gelenkstruktur mit Vergleichsspannung in MPa (oben) und die additiv gefertigte St

Copyright: Fraunhofer LBF


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW