Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut



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13.11.2025 09:20

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut

Die ALICE-Studie untersucht die Ursachen der präoperativen Anämie mit dem Ziel, die Patientensicherheit zu steigern und ein ganzheitlichen Anämie-Management zu etablieren. Die unter der Leitung von Prof. Patrick Meybohm (Würzburg), Prof. Kai Zacharowski und Dr. Suma Choorapoikayil (Frankfurt) international in 20 Ländern durchgeführte ALICE-Studie wurde jetzt in „The Lancet Global Health“ veröffentlicht. Fazit: Jeder Dritte ist von einer Anämie betroffen, wobei 55,2 Prozent einen Eisenmangel, 14,5 Prozent einen Folsäuremangel, 7,7 Prozent einen Vitamin-B12-Mangel und 8,7 Prozent eine chronische Nierenerkrankung aufweisen. Der Sterblichkeit war im Fall einer Anämie um das Fünffache erhöht.

Frankfurt/Würzburg. Eine Anämie, umgangssprachlich auch Blutarmut genannt, schwächt den Körper bereits im Normalzustand. Durch die Verminderung der Hämoglobin-Konzentration im Blut werden die Zellen nämlich nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Hämoglobin ist ein sauerstofftragendes Protein, das sich in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten) befindet. Ein Mangel an Hämoglobin führt zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Herz-Kreislauf-Beschwerden.
Während einer Operation steht der Körper zusätzlich unter Stress, sodass das Risiko für Komplikationen wie Herz-Kreislauf-Probleme und Infektionen steigt. Da die Organe und das Gewebe schlechter mit Sauerstoff versorgt werden, verzögert sich auch die Wundheilung. Schließlich benötigen anämische Patientinnen und Patienten häufiger Bluttransfusionen, was weitere Risiken birgt.

Patient Blood Management – medizinisches Konzept zur Steigerung der Patientensicherheit durch Stärkung der körpereigenen Blutreserven

Oft wird Eisenmangel als Hauptgrund für diese Blutarmut angesehen. Deshalb beschränkt sich die präoperative Behandlung im Rahmen des „Patient Blood Managements“ bisher auf die Gabe von Eisenpräparaten. Das Auffüllen der Eisenspeicher fördert die Bildung neuer Blutzellen, verbessert die Sauerstoffversorgung und verringert den Transfusionsbedarf. Tatsächlich kann eine Anämie jedoch viele verschiedene Ursachen haben. Um diese besser zu verstehen und die Behandlung gezielter zu gestalten, wurde in der internationalen, multizentrischen, prospektiven ALICE-Studie untersucht, wie häufig Anämie vor größeren Operationen auftritt und welche Gründe dafür verantwortlich sind.

„Unser Ziel ist es, die Patientensicherheit zu erhöhen und ein ganzheitliches Anämie-Management zu etablieren“, sagen Prof. Dr. Patrick Meybohm, Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), und Prof. Kai Zacharowski, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Meybohm und Zacharowski sind die Letztautoren der Studie. Als Leiter des Deutschen Patient Blood Management Netzwerks liegt ihnen besonders am Herzen, die körpereigenen Blutreserven zu stärken (www.patientbloodmanagement.de).

Die Auswertung der Daten von insgesamt 2.830 Patientinnen und Patienten aus 79 Krankenhäusern in 20 Ländern auf fünf Kontinenten wurde nun in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet Global Health veröffentlicht. Die in der Studie untersuchten Personen waren mindestens 18 Jahre alt, unterzogen sich einer größeren Operation und hatten einen mindestens 24-stündigen Krankenhausaufenthalt.

Neben Eisenmangel kann auch ein Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 zur Anämie führen

Erstautorin Dr. Suma Choorapoikayil von der Universitätsmedizin Frankfurt fasst die Ergebnisse zusammen: „Unter den Patientinnen und Patienten hat jeder Dritte eine Anämie. Mehr als die Hälfte von ihnen (55,2 %) wies einen Eisenmangel auf, 7,7 % einen Vitamin-B12-Mangel, 14,5 % einen Folsäuremangel und 8,7 % eine chronische Nierenerkrankung. Zudem zeigte sich in unseren Ergebnissen, dass eine präoperative Anämie das Risiko für Bluttransfusionen um das Dreifache, die Komplikationsrate um das 2,5-Fache und die Sterblichkeit um das Fünffache erhöht.“

Die Autoren sind sich einig, dass es entscheidend für die Zukunft ist, eine präoperative Anämie, die mit einer so hohen Häufigkeit auftritt und einen erheblichen Einfluss auf das operative Ergebnis hat, nicht mehr zu ignorieren. Zudem müsse neben dem Eisenmangel auch ein Vitamin-B12- und Folsäuremangel diagnostisch und therapeutisch berücksichtigt werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

• Dr. Suma Choorapoikayil und Univ.-Prof. Dr. Dr. Kai Zacharowski (Goethe Universität, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie)
• Univ.-Prof. Dr. Patrick Meybohm (Universitätsklinikum Würzburg, Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie), meybohm_p@ukw.de


Originalpublikation:

Choorapoikayil, S., Baron, D.M., Spahn, D.R., Lasocki, S., Boryshchuk, D., Yeghiazaryan, L., Posch, M., Bisbe, E., Metnitz, P., Reichmayr, M., Zacharowski, K., Meybohm, P., the German Society of Anaestesiology and Intensive Care (GSAIC) Trials Group, SFAR research network, Supportive Anaesthesia Trainee-led Audit and Research Network (SATURN), and the ALICE study collaborators. The aetiology and prevalence of preoperative anaemia in patients undergoing major surgery (ALICE): an international, prospective, observational cohort study; The Lancet Global Health 2025, Volume 13, Issue 12, e2041 – e2050


Weitere Informationen:

https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(25)00320-1/fullt… Link zur Studie
https://www.patientbloodmanagement.de/ Link zum Deutschen Patient Blood Management Netzwerk


Bilder

Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut.

Jeder Dritte, der sich einem größeren chirurgischen Eingriff unterzieht, leidet unter Blutarmut.
Quelle: Daniel Peter
Copyright: UKW

Prävalenz der Ätiologie der Anämie nach Geschlecht und Alter.

Prävalenz der Ätiologie der Anämie nach Geschlecht und Alter.

Copyright: Choorapoikayil, S. et al. The Lancet Global Health 2025


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW