Cannabidiol gegen Hirntumore



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05.05.2021 14:15

Cannabidiol gegen Hirntumore

Forscher*innen des LMU Klinikums München haben den Wirkmechanismus für den tumorbekämpfenden Effekt von hochreinem CBD aufgeklärt

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Substanz Cannabidiol (CBD) ist ein weit verbreitetes Nahrungsergänzungsmittel und Lifestyle-Produkt – beispielsweise zur Therapie von entzündungsbedingten Erkrankungen. CBD wird teilweise auch eingenommen, um die Stimmung zu heben oder Schlaflosigkeit zu bekämpfen. Das aber ist keineswegs unumstritten, denn die Wirksamkeit dieser Lifestyle-Präparate ist nach wissenschaftlichen Standards nicht belegt.
Nun haben Forscher*innen des LMU Klinikums „eindeutige Beweise für den tumorbekämpfenden Effekt“ von hochreinem CBD bei grundlagenwissenschaftlichen Modellen für bösartige Hirntumor-Zellen (Glioblastome) nachgewiesen, wie Studienleiter Prof. Dr. Rainer Glaß von der Neurochirurgischen Klinik und Poliklinik am LMU Klinikum München in Großhadern betont. Sein Team hat sogar den Wirkmechanismus aufgeklärt.

Unter den vielen CBD-Produkten, die auf dem Markt kursieren, ist nach Angaben des Biologen keines zu empfehlen. „Man weiß nie, was man da bekommt, wenn man an Reinheit, Zusammensetzung und Konzentration des Wirkstoffes denkt“, sagt er. Überdies ist nur ein einziges Produkt namens Epidiolex von der Europäischen Arzneimittelagentur für eine medizinische Anwendung zugelassen – und zwar rezeptpflichtig für die Therapie schwerer kindlicher Epilepsien. Alle weit verbreiteten Meldungen über die „allgemein entzündungshemmenden und tumorunterdrückenden Wirkungen von CBD aus Nahrungsergänzungsmitteln sind sehr zweifelhaft“, betont Glaß weiter.

Indes: Seit vielen Jahren sind in der Wissenschaft Studien bekannt, wonach bestimmte Zellen des Gehirns körpereigene Cannabinoide ausschütten – die auch zur Selbstverteidigung gegen Glioblastome dienen.

Das Glioblastom ist der häufigste und zugleich bösartigste Hirntumor, an dem allein in Deutschland jährlich etwa 4.000 Menschen erkranken. Etwa die Hälfte der Patienten überlebt vom Zeitpunkt der Diagnose gerechnet durchschnittlich nur 16 Monate. Neue Behandlungsformen sind mithin dringend nötig.

Vom Tiermodell zur klinischen Studie:

In diesem Wissen und motiviert von den vorangegangenen Studien, haben die Forscher*innen nun den Effekt von CBD gegen Tumorzellen aus Mäusen und Menschen getestet. Die Zellen wiesen etliche Mutationen auf, die für Glioblastome typisch sind. Resultat: Binnen zwei bis drei Tage nach Gabe des Cannabidiols sterben diese Glioblastomzellen ab. „CBD induziert den Zelltod bestimmter Glioblastome, es gibt aber auch Tumore, die nicht therapeutisch auf CBD ansprechen“, sagt Glaß. Außerdem haben die Forscher*innen ermittelt, „dass CBD einen Signalweg blockiert, der ansonsten Entzündungsreaktionen kontrolliert.“ Die Tumorzellen nutzen diesen Signalweg, um immer weiter zu wachsen. Glaß‘ Team hat zudem einen „Marker“ gefunden, der anzeigt, welche Glioblastome höchstwahrscheinlich auf CBD ansprechen werden und welche nicht.

Gerade die letztgenannte Erkenntnis ist beste Voraussetzung für eine Studie mit Patient*innen. Die Prämissen für eine klinische Erprobung sind ohnehin gut. Denn zum einen ist Epidiolex von den Zulassungsbehörden hinsichtlich seiner Arzneimittelsicherheit bereits abgesegnet. Zum zweiten dringt die Substanz gut ins Gehirn ein, was nur wenige Wirkstoffe überhaupt schaffen. Und zum dritten ist die Substanz in der Regel so gut verträglich, „dass man sie sogar kleinen Kindern verabreichen kann,“ bestätigt Glaß.

Nur von einem rät Experte Glaß dringend ab: Jetzt CBD-Allerweltspräparate zu schlucken, um sich auf eigene Faust gegen Tumore zu schützen. „Da sollte man besser abwarten, bis die Wissenschaft gute Daten und pharmakologisch einwandfreie Wirkstoffe vorlegen kann – vielleicht sogar nicht nur im Kampf gegen den Krebs, sondern auch zur Therapie anderer Erkrankungen, die auf Entzündungsreaktionen beruhen wie Rheuma oder Neurodermitis und andere.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. rer. nat. Rainer Glaß
Leiter des Labors für Neurochirurgische Forschung
Neurochirurgische Klinik und Poliklinik
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
Tel: +49 89 2180-76537
E-Mail: rainer.glass@med.uni-muenchen.de


Originalpublikation:

Cannabidiol converts NFκB into a tumor suppressor in glioblastoma with defined antioxidative properties. Volmar MNM, Cheng J, Alenezi H, Richter S, Haug A, Hassan Z, Goldberg M, Li Y, Hou M, Herold-Mende C, Maire CL, Lamszus K, Flüh C, Held-Feindt J, Gargiulo G, Topping GJ, Schilling F, Saur D, Schneider G, Synowitz M, Schick JA, Kälin RE, Glass R. Neuro Oncol. 2021 Apr 17:noab095.
doi: 10.1093/neuonc/noab095

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33864076


Weitere Informationen:

https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/5c8475d2343e4518


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW