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13.03.2024 11:28
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Diabetes: Neue Technik eröffnet verbesserte Chancen für die Forschung
Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden an Diabetes. Die Forschung an Medikamenten ist schwierig. Wissenschaftler:innen um Peter Loskill vom NMI und der Universität Tübingen haben eine Technik entwickelt, die den Blick auf die molekulare und zellbiologische Ebene in der Bauchspeicheldrüse deutlich verbessert.
Mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden an Diabetes. Zugleich ist die Forschung an Medikamenten zur Behandlung dieser Volkskrankheit noch immer schwierig. Wissenschaftler:innen unter Leitung von Prof. Dr. Peter Loskill vom NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut und der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen haben nun eine Technik entwickelt, die den Blick auf die molekulare und zellbiologische Ebene in der Bauchspeicheldrüse deutlich verbessert. Dafür bildeten sie Organ-ähnliche Strukturen auf einer Organ-on-Chip-Plattform nach. Ergebnisse aus Medikamententests an diesen Strukturen lassen sich besser als traditionelle Methoden auf menschliche Organismen übertragen. Diese Ergebnisse haben sie nun in der Fachzeitschrift Lab on a Chip veröffentlicht.
Die Krankheit Diabetes (medizinisch vollständig: Diabetes Mellitus) wird durch eine Störung des Stoffwechsels in der Bauchspeicheldrüse ausgelöst. Die Bauchspeicheldrüse reguliert normalerweise den Blutzuckerspiegel im Körper, indem sie die Hormone Insulin und Glukagon ausschüttet.
Organ-on-Chip kann Wirkweise an echten Organen simulieren
Bei der Organ-on-Chip-Technik werden Gewebe, also Zellverbünde mit spezifischen Funktionen, außerhalb des Körpers gezüchtet. Diese Gewebe, in diesem konkreten Fall aufgebaut aus Zellen der Bauchspeicheldrüse, reagieren auf Wirkstoffe ähnlich wie das Organ im Körper. So lassen sie tragfähige Aussagen darüber zu, wie Medikamente wirken.
Längere Versuchsdauern, mehr Aussagekraft
„Uns ist es gelungen, ein Modell der insulinbildenden Einheiten der Bauchspeicheldrüse in mikrofluidischen Chips nachzubilden. In diesen Chip konnten wir zusätzlich winzig kleine Sensoren integrieren, die es uns erlauben, Aussagen über den Zustand des Organmodells in Echtzeit zu treffen, ohne die Zellen dabei zu beeinträchtigen“, erklärt Peter Loskill, Professor für Organ-on-Chip Systeme. „Mikrofluidisch“ bedeutet, dass über sehr feine Kanäle Nährstoffe wie durch die Blutgefäße zu den Zellen transportiert und Stoffwechselprodukte abgeführt werden. „Indem wir den Zellen ihre natürliche Mikroumgebung im Körper nachbauen, können wir deutlich längere und aussagekräftigere Versuche durchführen.“ Die Entwicklung bietet somit die Chance auf große Fortschritte nicht nur in der Diabetes-Forschung.
Wie funktioniert Organ-on-Chip?
Für Organ-on-Chip-Modelle werden organspezifische Zellen außerhalb des Körpers in einer maßgeschneiderten Mikroumgebung in einem mikrofluidischen Chip gezüchtet. Die Zellen können dabei beispielsweise denjenigen der Bauchspeicheldrüse, der Leber, des Herzmuskels oder des Gehirns entsprechen. Die aus den Zellen aufgebauten Gewebe werden auf dem Chip vergleichbar dem Blutkreislauf kontinuierlich mit Nährstoffen versorgt. So können sie beispielsweise mit Medikamenten behandelt werden oder durch gezielte Manipulation ein Krankheitszustand simuliert werden. Mit vielfältigen Analysemethoden ist es möglich, zeitaufgelöste Messungen von Reaktionen auf Wirkstoffe oder des Fortschritts von Krankheiten durchzuführen. Insbesondere aufgrund der Möglichkeit, mit menschlichen Zellen zu arbeiten, sind Untersuchungen an Organ-on-Chip potenziell besser auf den Menschen übertragbar als Tierversuche, was in der Zukunft zu einer deutlichen Reduktion von Tierversuchen in der biomedizinischen Grundlagenforschung sowie der pharmazeutischen Forschung führen kann.
Zum Paper:
Microphysiological pancreas-on-chip platform with integrated sensors to model endocrine function and metabolism – Lab on a Chip (RSC Publishing)
Über das NMI:
Das NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut in Reutlingen ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung und betreibt anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle von Bio- und Materialwissenschaften. Es verfügt über ein einmaliges, interdisziplinäres Kompetenzspektrum für F&E- sowie Dienstleistungsangebote für regional und international tätige Unternehmen. Dabei richtet sich das Institut gleichermaßen an die Gesundheitswirtschaft wie an Firmen aus dem Fahrzeug-, Maschinen- und Werkzeugbau. Zugleich unterstützt das NMI aktiv Ausgründungen aus dem Institut.
In der Forschung arbeitet das NMI mit zahlreichen hochkarätigen Institutionen wie der Universität Tübingen, dem Universitätsklinikum Tübingen und den Instituten des Netzwerks innBW zusammen.
Das NMI wird vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus des Landes Baden-Württemberg unterstützt und ist Mitglied der Innovationsallianz Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss von 12 außeruniversitären und wirtschaftsnahen Forschungsinstituten.
https://www.nmi.de
https://www.linkedin.com/company/natural-and-medical-sciences-institute-at-unive…
Über das 3R-Center Tübingen:
Das 3R-Center Tübingen für In-vitro-Modelle und Tierversuchsalternativen setzt sich in den drei Bereichen „Ausbildung, Weiterbildung & Training“, „Forschung“ und „Wissenschaftskommunikation & Öffentlichkeitsarbeit“ aktiv dafür ein, modernste Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen zu fördern und ihre konsequente Anwendung voranzubringen. Es unterstützt (Nachwuchs)Wissenschaftler:innen in der (bio)medizinischen Forschung und Vertreter:innen der pharmazeutischen Industrie dabei, humane mikrophysiologische Systeme, wie Organ-on-Chip- und Organoid-Modelle in ihre Prozesse zu integrieren und so die Anzahl unumgänglicher Tierversuche auf das Minimum zu reduzieren. Zugleich berät das 3R-Center politische Entscheidungsträger:innen. Als Teil des 3R-Netzwerks Baden-Württemberg wird das 3R-Center Tübingen seit seiner Gründung im Jahr 2020 gemeinschaftlich von der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen und dem NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut in Reutlingen getragen.
https://www.the3rs.uni-tuebingen.de/
https://twitter.com/3RCenter
https://www.linkedin.com/company/3rtuebingen/
Originalpublikation:
Microphysiological pancreas-on-chip platform with integrated sensors to model endocrine function and metabolism – Lab on a Chip (RSC Publishing)
https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2024/lc/d3lc00838j
Bilder
Eine neue Technik auf Organ-on-Chip eröffnet neue Möglichkeiten in der Diabetes-Forschung
Silke Riegger, 3R-Center
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch