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22.01.2024 14:37
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Ein Pilz geht neue Wege
Forschende analysieren Biosyntheseweg und entdecken ein fähiges Enzym
Die Untersuchung der Biosynthese von Panepoxydon, einem wichtigen Stoff für die biomedizinische Forschung, bei Ständerpilzen förderte ein neues Enzym als wichtigen Katalysator zu Tage. Die Ergebnisse der Forschenden des Leibniz-HKI, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Exzellenzclusters Balance of the Microverse wurden jetzt in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition veröffentlicht.
Der borstige Knäueling, wissenschaftlich Panus rudis, ist ein Pilz aus der Familie der Stielporlingsverwandten. Er zählt zu den Erstbesiedlern von totem Laubholz, bevorzugt sonnenexponierte Standorte und kann längere Trockenperioden schadlos überdauern. Interessant für die Pharmazie macht ihn aber etwas anderes. Er produziert Panepoxydon, das zur Substanzfamilie der den Epoxycyclohexenone (ECH) zählt. Diese Naturstoffe sind für ihre Bioaktivitäten bekannt. Panepoxydon wird in der biomedizinischen Forschung zur Unterbrechung von zellulären Signalwegen, die bei Entzündungen eine Rolle spielen, eingesetzt. Daneben wiesen Studien mit Panepoxydon eine antitumorale Wirkung gegen verschiedene Brustkrebszellen und antimikrobielle Wirkungen nach.
Knäueling entknäuelt
Die chemische Synthese von ECHs ist jedoch schwierig, sodass es nötig ist, auf die Biosynthese der Stoffe zurückzugreifen. Während aber die für die ECH-Synthese in Bakterien und Schlauchpilzen (Ascomyceten) verantwortlichen Enzyme bereits bekannt sind, war das bei den Ständerpilzen (Basidiomyceten) bisher nicht der Fall. „Auch wenn wir wissen, dass Organismen annähernd gleiche Wirkstoffe produzieren, dürfen wir nicht annehmen, dass sie es auf die gleiche Weise tun“, macht Dirk Hoffmeister, Professor für Pharmazeutische Mikrobiologie an der Universität Jena und Gruppenleiter am Leibniz-HKI, deutlich.
Im Rahmen eines Humboldt-Forschungsstipendiums kam Professor Yan-Long Yang, Erstautor der Studie, von der Universität Lanzhou in China an die Universität Jena. Gemeinsam mit dem Team von Dirk Hoffmeister untersuchte er die Biosynthese von Panepoxydon genauer und entdeckte dabei das Enzym PanH.
Konvergenz statt Verwandtschaft
PanH, ein Enzym der Cytochrom-P450-Gruppe, katalysiert die selektive Epoxidierung der Cyclohexenone, die durch chemische Synthese schwierig zu erreichen, jedoch für die Wirksamkeit der Stoffe unerlässlich ist. „Die Zusammenarbeit mit Yan-Long war sehr produktiv. Der Austausch von Wissen und Methodik hat in beide Richtungen sehr gut funktioniert und beide Seiten gut vorangebracht“, freut sich Hoffmeister. Das Ergebnis bestätigt die Vermutung: nicht alle ähnlichen Wirkstoffe müssen auch auf gleiche Weise von den Organismen produziert werden. Die Epoxidierung der ECHs bei Basidiomyceten ist gegenüber Bakterien und Ascomyceten tatsächlich parallel entstanden und verwendet andere Enzyme.
Ein Enzym als Multitalent
„Die nächste Frage, die Yang sich stellte war, ob das Enzym diese Reaktion auch bei anderen Molekülen ausführen kann“, berichtet Hoffmeister. „Und das ist das eigentlich Relevante der Studie: Wenn man dem Enzym Substrate gibt, die natürlicherweise nicht in der Zelle vorkommen, kommt es meist trotzdem zu einer Epoxidierung, das Enzym arbeitet also recht unspezifisch.“ Durch das Variieren der Seitenkette der Substrate konnte das Team eine kleine Bibliothek an Substanzen herstellen. „So konnten wir zeigen, dass das Enzym ein nützlicher und vielseitiger Katalysator mit biotechnologischer Bedeutung ist.“
„Langfristiges Ziel ist es mit diesem Enzym eine größere Bibliothek von Substanzen herzustellen und auf verbesserte und spezifischere Aktivitäten zu testen, in der Hoffnung auf eine pharmazeutische Anwendung“, schließt Hoffmeister.
Kontakt für de Medien
Team Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
presse@leibniz-hki.de
Charlotte Fuchs
03641 5321109
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dirk Hoffmeister
Pharmazeutische Mikrobiologie · Leiter +49 3641 9-49850
dirk.hoffmeister@leibniz-hki.de
Originalpublikation:
Yang YL, Zhou M, Yang L, Gressler M, Rassbach J, Wurlitzer JM, Zeng Y, Gao K, Hoffmeister D. (2023) A Mushroom P450-Monooxygenase Enables Regio- and Stereoselective Biocatalytic Synthesis of Epoxycyclohexenones. Angew Chem Int Ed 62(49) e202313817, doi: 10.1002/anie.202313817.
Bilder
Borstiger Knäueling (Panus rudis).
Rui Chen, Yan-Long Yang
Rui Chen, Yan-Long Yang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch