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22.05.2025 09:40
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Erster Labortest für die Frühdiagnose von Bauchspeicheldrüsenkrebs bei Risikopatienten etabliert
Die Arbeitsgruppe um Prof. Julia Mayerle von der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des LMU Klinikums München hat in einer prospektiven Studie untersucht, ob sich bei Risikopatienten mit einer Biomarkersignatur aus 12 bzw. vier Blutmetaboliten ein Bauchspeicheldrüsenkrebs ausschließen lässt. Die Biomarkersignaturen erreichten dies mit einer Spezifität von 90-4% bzw. 93-6% (CA19-9 alleine nur mit 79-1%). Damit steht erstmals ein Labortest für die Überwachung von Risikopatienten zur Verfügung, der den Bauchspeicheldrüsenkrebs in einem noch heilbaren Stadium diagnostizieren kann. Das Ergebnis wurde jetzt im renommierten Fachjournal The Lancet Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht.
Das Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) ist eine Tumorerkrankung mit sehr schlechter Prognose, denn meist wird es zu spät für eine Heilung durch chirurgische oder konservative Behandlung entdeckt. Weil sich auch die Ergebnisse der Therapie in den letzten 20 Jahren kaum verbessert haben wird es bald an zweiter Stelle der häufigsten Krebstodesursachen stehen. Menschen mit chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem Pankreaskarzinom, aber auch normalgewichtige Menschen, die im Alter von über 50 Jahren einen Diabetes entwickeln, haben ein deutlich erhöhtes Risiko an Pankreaskrebs zu erkranken. Für diese Risikogruppen existiert bisher, im Gegensatz zum Brustkrebs oder zum Darmkrebs, keine effektive Vorsorge- oder Früherkennungsmethode, mit der sich der Tumor in einem noch heilbaren Stadium diagnostizieren ließe. Der einzige etablierte Tumormarker, das CA19-9, ist nur wirklich aussagefähig, wenn das Pankreaskarzinom schon fortgeschritten oder bereits metastasiert, also nicht mehr heilbar ist.
Aussagekräftige Metabolom-Signaturen
Die Arbeitsgruppe von Prof. Julia Mayerle hat in den letzten 12 Jahren die Möglichkeit untersucht, ob sich anhand von im Blut zirkulierenden Metaboliten, kleinen Stoffwechselprodukten wie Aminosäuren, Ceramiden oder Sphingolipiden, die sich massenspektrometrisch bestimmen lassen, ein diagnostischer Test für die Früherkennung des Pankreaskarzinoms entwickeln lässt. In drei aufeinander aufbauenden Studien unter Nutzung des Bluts von Patienten mit Pankreaskarzinom und verschiedenen Kontrollkohorten mit anderen Krankheiten oder von Gesunden ließen sich aus den über 1600 messbaren Metaboliten Muster identifizieren, sogenannte Metabolom-Signaturen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Patienten mit einem Risiko für oder dem Verdacht auf ein Pankreaskarzinom dieses ausschließen können. Ein solches Testergebnis würde den Betroffenen weitere, unnötige und belastende Untersuchungen ersparen oder sogar eine Operation.
Teilnahme von 1370 Patientinnen und Patienten mit verdächtigem Befund
An der neuesten Studie, die gerade in der Zeitschrift Lancet Gastroenterology and Hepatology erschienen ist und die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wurde, haben 23 deutsche Kliniken, in denen entweder die chirurgischen oder die gastroenterologischen Fachabteilungen auf die Diagnose und Behandlung von Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse spezialisiert sind, teilgenommen. In die Studie aufgenommen wurden 1370 Patientinnen und Patienten, bei den die Bildgebung eine Raumforderung der Bauchspeicheldrüse gefunden hatte und es deshalb notwendig war, ein Pankreaskarzinom auszuschließen oder zu therapieren. Das Blutplasma der Patienten wurde massenspektrometrisch auf das Vorliegen von zwei Biomarkersignaturen untersucht, eine mit 12 und eine mit nur 4 Metaboliten, sowie auf eine Erhöhung des Tumormarkers CA19-9. Die Patienten wurden zwei Jahre nachbeobachtet um sicherzustellen, ob ein Pankreaskarzinom vorlag oder sich entwickelte und ob eine andere Diagnose die Ursache des CT-Befunds war. Beide Biomarkersignaturen konnten wesentlich zuverlässiger als CA19-9 die Diagnose eines Pankreaskarzinoms ausschließen. Interessanterweise schnitt das kleinere Panel, bei dem nur vier Metaboliten quantifiziert werden und das dadurch kostengünstig auf nur einer Laborplattform gemessen werden kann, praktisch genauso gut ab wie der aufwendigere Test (Area under the curve AUC 0·846 (95% CI 0·842–0·849; p<0·0001 gegen CA 19-9, Spezifität von 93·6% (93·1–94·0) und Accuracy von 79·0% (78·8–79·2). Noch wichtiger für die klinische Anwendung ist, dass der negative Vorhersagewert, also die Feststellung, dass ein Pankreaskarzinom beim Betroffenen ausgeschlossen werden kann, bei über 90 Prozent liegt.
Damit wurde erstmals ein in der klinischen Routine einsetzbarer Labortest entwickelt, mit dem die Überwachung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Pankreaskarzinom oder von Patienten mit dem bildgebenden Verdacht auf ein Pankreaskarzinom vorgenommen werden kann. „Dieser Metabolom-Test kann den Betroffenen invasivere Diagnoseverfahren ersparen und mit ihm lässt sich der Bauchspeicheldrüsenkrebs in einem noch heilbaren Stadium diagnostizieren“, sagt Letztautorin der Studie Prof. Julia Mayerle.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. med. Julia Mayerle
Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik II
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
Tel: +49 89 4400-72390
E-Mail: julia.mayerle@med.uni-muenchen.de
Originalpublikation:
Validation of two plasma multimetabolite signatures for patients at risk of or with suspected pancreatic ductal adenocarcinoma (METAPAC): a prospective, multicentre, investigator-masked, enrichment design, phase 4 diagnostic study; Mahajan, Ujjwal MAghdassi, Ali-Alexander et al. | The Lancet Gastroenterology & Hepatology
doi: https://doi.org/10.1016/S2468-1253(25)00056-1
Weitere Informationen:
https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/erster-labortest-fur-di…
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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