27.09.2021 09:36
Erster Milzbrand-Fall bei Wildtieren in der Namib: Infiziertes Zebra wahrscheinliche Ursache für Tod von drei Geparden
Milzbrand ist eine vom Bakterium Bacillus anthracis verursachte Infektionskrankheit, die in einigen Teilen Afrikas endemisch ist. Sie befällt Menschen, Nutztiere und Wildtiere. Ein Team des Gepardenforschungsprojekts des Leibniz-IZW rekonstruierte nun anhand von GPS-Telemetriedaten einen besonderen Fall in Namibia: Drei Geparde in der Namib-Wüste starben innerhalb von 24 Stunden, nachdem sie ein Bergzebra gefressen hatten, das später positiv auf den Erreger getestet wurde. Bei dem Bergzebra handelt es sich um den ersten beschriebenen Fall eines mit Milzbrand infizierten Wildtieres in dieser Wüstenregion. Er zeigt, dass es bisher unbekannte Risiken für die Geparden in der Wüste geben könnte.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Der Milzbrand-Fall in der Namib-Wüste wird in der Fachzeitschrift „Frontiers in Veterinary Science“ ausführlich beschrieben.
Seit 2015 führen Wissenschaftler*innen des Gepardenforschungsprojekts des Leibniz-IZW gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT) von Namibia eine nationale Gepardenerhebung durch. Ziel ist es, Daten zu Dichte und Verbreitung der Raubkatzen im ganzen Land zu erhalten. In diesem Rahmen fing das Team eine Koalition von drei Männchen in der Namib-Wüste und stattete ein Tier mit einem GPS-Halsband aus. Die aufgezeichneten Standort- und Bewegungsdaten wurden regelmäßig mithilfe eines Kleinflugzeuges ausgelesen. Bei einem dieser Flüge wurde der Kadaver des mit dem Halsband versehenen Geparden geortet. Bei der anschließenden Suche am Boden wurden die beiden anderen Geparde ebenfalls tot aufgefunden. „Die GPS-Daten der Tiere zeigten, dass sie einige Tage zuvor innerhalb eines Zeitfensters von sechs Stunden starben“, sagt Ruben Portas, Projekt-Wissenschaftler. „Bei der Auswertung ihrer letzten Bewegungen fanden wir zudem eine hohe Zahl an GPS-Positionen etwa zwei Kilometer von dem Ort entfernt, an dem wir sie tot aufgefunden hatten.“ An diesem Ort, an dem sich die Geparde am Tag vor ihrem Tod 20 Stunden lang aufhielten, fand Portas den Kadaver eines ausgewachsenen Bergzebras. Die GPS- und Aktivitätsdaten des Halsbandes deuten darauf hin, dass die Geparde davon fraßen. Aus Mundhöhlen- und Nasenabstrichen des toten Bergzebras wurde Bacillus anthracis isoliert. Dies stellt die erste bestätigte Milzbrandinfektion bei einer Wildtierart in der Namib-Wüste dar.
Raubtiere sind in der Regel weniger anfällig für Milzbrand als Pflanzenfresser. Insbesondere Geparde haben eine starke angeborene Immunität, die ihnen eine schnelle erste Abwehr gegenüber Krankheitserregern wie Bacillus anthracis bietet. „Nehmen Geparde jedoch eine große Menge an Bakterien auf, zum Beispiel mit dem Fleisch eines kontaminierten Kadavers, kann ihre angeborene Immunität überlastet werden“, erklärt Projektleiterin Bettina Wachter. „Geparde fressen kaum Aas, weshalb sie nur selten Beutetieren ausgesetzt sind, die mit Milzbrand infiziert sind. Infolgedessen bilden sie nur wenige Antikörper aus, die eine weitere Abwehrlinie darstellen würden. Geparde sterben daher sehr schnell, wenn sie mit Milzbrand infiziert sind, wie Untersuchungen im Etosha-Nationalpark im Norden Namibias zeigten.“
Der Erreger wurde bei keinem der drei in der Namib gefundenen Geparde nachgewiesen, aber die Wissenschaftler*innen halten es für sehr wahrscheinlich, dass Milzbrand die direkte Ursache für ihren Tod war. Bakterienkulturen von hochgradig anfälligen Tieren, die schnell sterben, weisen oft ein negatives Testresultat auf den Erreger auf, da die Tiere bereits bei einer geringen Bakterienkonzentration im Blut oder bei einer hohen Belastung durch das Toxin, das Bacillus anthracis bei der Zerstörung durch das Immunsystem freisetzt, sterben können. Zudem entwickelt sich die vegetative Form des Erregers nur dann, wenn er nach dem Tod des Wirts schnell in Kontakt mit Luft kommt. Die Geparde wurden elf Tage nach ihrem Tod äußerlich unversehrt aufgefunden; ihre Körper wurden nicht von Aasfressern geöffnet. Dies könne eine weitere Erklärung für die negativen Ergebnisse der Labortests auf Milzbrand sein, so das Team.
Milzbrand ist eine in trockenen Lebensräumen wenig erforschte Krankheit. Wenn Wildtiere in der Namib-Wüste verenden, werden die Ursachen oft auf Dürre, Hunger und die schwierigen Wüstenbedingungen zurückgeführt. „Die wenigen gemeldeten Fälle von Milzbrand in den trockenen Regionen Namibias traten auf, wenn Nutztiere oder Menschen direkt betroffen waren“, erklärt Portas. „Wir wissen daher nicht, wie häufig Milzbrand in der Namib-Wüste vorkommt und wie sehr die Wildtierpopulationen von dieser Krankheit betroffen sind. Für andere Lebensräume wie den Etosha-Nationalpark gibt es zahlreiche Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Milzbrand eine wichtige ökologische Rolle spielt.“
Dieser erste bestätigte Fall von Milzbrand in der Namib-Wüste bei Wildtieren zeigt, dass die Krankheit in der Wüste und anderen trockenen Gebieten seit langem etabliert (endemisch) sein könnte. Der größte Teil der Namib-Wüste besteht aus Schutzgebieten, in denen Geparde und andere Arten einen wichtigen Zufluchtsort vor Konflikten mit Menschen finden. Die neuen Erkenntnisse können daher wichtig sein, um die Risiken für Geparden zu bewerten. „Obwohl nur wenige Daten vorliegen, hat keine andere Krankheit solche Auswirkungen auf die Gepardenbestände. Weitere Forschung, die zu geeigneten Schutzmaßnahmen führen kann, ist daher unbedingt erforderlich“, so Wachter. „Unsere Untersuchung zeigt zudem den hohen Wert von mittels GPS-Halsbändern aufgezeichneten Daten: Diese haben das Potenzial, neben der Bewegung und der Raumnutzung von Tieren auch zu weiteren bedeutsamen Fragestellungen wichtige Informationen zu liefern.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
_ Dr. Ruben Portas
Wissenschaftler in der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin
E-Mail: ruben@cheetahnamibia.com
_ Dr. Bettina Wachter
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Evolutionäre Ökologie
Leiterin des Gepardenforschungsprojekts
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin
Tel: +49 (0)30 5168518
E-Mail: wachter@izw-berlin.de
Originalpublikation:
Portas R, Aschenborn OHK, Melzheimer J, Le Roux M, Uiseb KH, Czirják GÁ, Wachter B (2021): GPS telemetry reveals a zebra with anthrax as putative cause of death for three cheetahs in the Namib desert. Frontiers in Veterinary Science 8:714758. DOI: 10.3389/fvets.2021.714758
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch