Erstmals Nachglühen beobachtet – Physiker der Uni Potsdam untersuchen Gammastrahlenausbruch

Erstmals Nachglühen beobachtet – Physiker der Uni Potsdam untersuchen Gammastrahlenausbruch


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21.11.2019 13:58

Erstmals Nachglühen beobachtet – Physiker der Uni Potsdam untersuchen Gammastrahlenausbruch

Gammastrahlenausbrüche sind die hellsten Explosionen im Universum. Sie enthalten im Nachglühen höchstenergetische Gammastrahlung. Diese Entdeckung gelang im Juli 2018 mit dem riesigen 28-m-Teleskop von H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia. Physiker der Universität Potsdam entwickelten die Beobachtungsstrategie und trugen so entscheidend zu dieser Entdeckung bei. Die Forschungsergebnisse sind jetzt im Magazin „Nature“ veröffentlicht worden.

Am 20. Juli 2018 meldeten mehrere Weltraumobservatorien kurz nacheinander einen Gammastrahlenausbruch. Dieser Ort am Himmel wurde sogleich von verschiedenen Observatorien ins Visier genommen. Ins Blickfeld von H.E.S.S. kam diese Stelle erst zehn Stunden später. Das H.E.S.S.-Team suchte nach dem Nachglühen des Ausbruchs. Extrem energiereiche kosmische Explosionen produzieren Gammastrahlenausbrüche, die meist nur einige zehn Sekunden dauern. Darauf folgt ein länger andauerndes Nachglühen, dessen Helligkeit rasch abklingt. Die Gammastrahlen des unmittelbaren Ausbruchs sind meist einige Tausend bis Millionen Mal energiereicher als sichtbares Licht und nur von Satelliten aus beobachtbar. Weltraumobservatorien konnten aber auch schon einzelne noch energiereichere Photonen nachweisen. Bis zu welchen Energien diese Ausbrüche Strahlung emittieren und ob auch Gammastrahlung dabei ist, die mindestens 100 Milliarden Mal energiereicher als sichtbares Licht ist, blieb bislang offen.
Dieser Nachweis gelang nun mit dem großen H.E.S.S.-Teleskop, das für derartige Beobachtungen besonders geeignet ist. In den Beobachtungsdaten, die zehn bis zwölf Stunden nach dem Gammastrahlenausbruch aufgezeichnet wurden, war an der Stelle des Ausbruchs eine neue, punktförmige Gammastrahlen-Quelle sichtbar. 18 Tage später verschwand sie wieder. Der Gammastrahlenausbruch war sehr stark und dauerte etwa 50 Sekunden, eine relativ lange Zeit, die auf den Tod eines massereichen Sterns hindeutet. Dabei kollabiert dessen Kernbereich zu einem schnell rotierenden Schwarzen Loch. In einer sich um das Schwarze Loch drehenden Materie-Scheibe heizt sich das umgebende Gas sehr stark auf. Senkrecht zur Scheibenebene ausgestoßene lichtschnelle Düsenstrahlen erzeugen die Gammablitze. „Die jetzt entdeckte höchstenergetische Gammastrahlung demonstriert nicht nur die Anwesenheit von extrem beschleunigten Teilchen, sondern zeigt auch, dass diese Teilchen noch relativ lange nach der Explosion existieren bzw. erzeugt werden“, sagt Dr. Clemens Hoischen von der Universität Potsdam. Als kosmischen Beschleuniger sehen die Physiker sehr wahrscheinlich die von der Explosion ausgehende Schockwelle. Vor dieser H.E.S.S.-Beobachtung gingen die Forscher davon aus, dass solche Ausbrüche vermutlich nur in den ersten Sekunden und Minuten bei diesen extremen Energien beobachtbar sind.
Zum Zeitpunkt der H.E.S.S.-Messungen hatte das Nachglühen im Röntgenlicht stark abgenommen. Als erstaunlich betrachten es die Forscher, dass „Helligkeit“ und spektrale Form im Röntgen- und höchstenergetischen Gammabereich übereinstimmen. Wie diese auf sehr hohe Energien beschleunigten Teilchen höchstenergetisches Gammalicht erzeugen, kann theoretisch auf verschiedene Art und Weise geschehen. Die H.E.S.S Ergebnisse grenzen die möglichen Emissionsmechanismen zwar stark ein, geben aber auch neue Rätsel auf, da sie recht extreme Parameter des Ausbruchs als kosmischen Teilchenbeschleuniger erfordern. Clemens Hoischen ist von der neuen Entdeckung begeistert: „Als ich anfing, mich mit den Gammastrahlenausbrüchen zu beschäftigen, hatte man bereits seit etwa 20 Jahren erfolglos versucht, sogenannte Gamma-Ray Bursts mit Cherenkov-Teleskopen zu beobachten. Dass die Detektion nun gelungen ist, wird uns dabei helfen, dieses Phänomen in den kommenden Jahren noch deutlich besser untersuchen zu können.“

Kontakt: Dr. Clemens Hoischen, Institut für Physik und Astronomie Universität Potsdam
Telefon: 0331 977 5948
E-Mail: choische@uni-potsdam.de
Link Publikation: https://www.nature.com/articles/s41586-019-1743-9

Foto: MPIK/Christian Föhr, email: christian.foehr@mpi-hd.mpg.de
Das große H.E.S.S.-Teleskop mit 614 m2 Spiegelfläche und zwei der vier kleineren Teleskope mit je 107 m2 Spiegelfläche. Mit dem großen Teleskop gelang dier erstmalige Entdeckung eines Gammastrahlenausbruchs im höchstenergetischen Gammastrahlenbereich.
Foto: ESO/A. Roquette
Gammastrahlenausbrüche sind die hellsten Explosionen im Universum. Innerhalb einiger Sekunden strahlen sie mehr Energie aus als die Sonne in einer Milliarde Jahren. Die physikalischen Prozesse in diesen kosmischen Katastrophen zu verstehen, ist eines der wichtigen Ziele der modernen astrophysikalischen Forschung. Diese künstlerische Abbildung zeigt den Ausbruch und die Entstehung der lichtschnellen Düsenstrahlen.

Das H.E.S.S. Telescope Array
Die Ergebnisse wurden mit dem H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) Experiment in Namibia erzielt. Dieses System aus vier Teleskopen mit einem Spiegeldurchmesser von je 13 m und dem riesigen HESS II Teleskop mit 28 m Spiegeldurchmesser (dem größten optischen Teleskop der Welt) bilden die leistungsfähigste Forschungseinrichtung zur Untersuchung hochenergetischer Gammastrahlung. Das Experiment wird von der H.E.S.S. Kollaboration betrieben, die aus über 250 Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, Namibia, Südafrika, Polen, England, Österreich, Japan, Irland, Armenien, Australien, Schweden und den Niederlanden gebildet wird. Die Forscher und ihre Institutionen werden von nationalen Forschungsorganisationen unterstützt.
Sprecher der H.E.S.S. Kollaboration: Prof. Dr. Stefan Wagner (contact.hess@hess-experiment.eu)

Medieninformation 21-11-2019 / Nr. 165
Dr. Barbara Eckardt

Universität Potsdam
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
Tel.: +49 331 977-2964
Fax: +49 331 977-1130
E-Mail: presse@uni-potsdam.de
Internet: www.uni-potsdam.de/presse


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW