12.05.2020 12:14
FLEXSIGNAL: Wie bedarfsorientierte Stromproduktion attraktiver werden kann
Leipzig, 12. Mai 2020: Ein Projektkonsortium bestehend aus dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, dem Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) und der Universität Duisburg-Essen untersucht, wie die Stromproduktion durch Bioenergieanlagen bedarfsorientierter erfolgen kann. Hauptaugenmerk gilt der Entwicklung und Prüfung neuer Konzepte, die durch gezielte Verstärkung von Marktsignalen einen finanziellen Anreiz zur flexiblen Anlagenfahrweise bieten. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, dass die technische Flexibilität von Bioenergieanlagen genutzt wird und sie insgesamt systemdienlicher eingesetzt werden.
Die Bioenergie hat gegenüber anderen erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenenergie einen großen Vorteil: sie ist unabhängig von witterungsbedingten Einflüssen und kann genau in dem Moment erzeugt werden, wenn Strom benötigt wird. Dafür müssen die Anlagen flexibilisiert, d. h. in der Lage dazu sein, die Produktion des Energieträgers (z. B. Biogas) von der eigentlichen Stromproduktion zeitlich zu entkoppeln. Dies geschieht beispielsweise über den Zubau von Gas- oder Wärmespeichern und zusätzlicher Verstromungskapazität durch Blockheizkraftwerke (BHKWs). Durch die mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG 2012 eingeführte Flexibilitätsprämie bzw. ab EEG 2014 dem Flexibilitätszuschlag werden diese notwendigen technischen Investitionen bereits erfolgreich gefördert. Dennoch erfolgt die Stromproduktion durch Bioenergieanlagen weitestgehend unflexibel. Aus systemischer Sicht ist dies ungünstig, da die regelbare Stromeinspeisung durch Bioenergieanlagen idealerweise komplementär zur volatilen, d. h. zeitlich schwankenden Einspeisung von Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen erfolgen sollte. Die Gründe für den unflexiblen Betrieb liegen unter anderem in der aktuellen Vergütungsstruktur des EEG, welche die Stromproduktion unabhängig vom Bedarf fördert, aber auch an fehlenden Preissignalen der Spotmärkte (Day-Ahead- und Intraday-Handel) an der Strombörse. Hier haben die sog. Preisspreads, also die Preisunterschiede der Höchstpreise zum Durchschnittspreis, kein ausreichendes Niveau, um die höheren operativen Kosten des flexiblen Anlagenbetriebs zu refinanzieren.
Ziel des Projekts „FLEXSIGNAL – Konzepte für eine bedarfsgerechte, kosteneffiziente und klimaschonende Stromerzeugung durch Bioenergieanlagen“ (FKZ: 03KB150) ist es neue Konzepte zu entwickeln, mit denen die vorhandene technische Flexibilität von Bioenergieanlagen nun auch aktiviert und dem Stromsystem zur Verfügung gestellt werden kann. Entwickelt wurden die Konzepte dabei federführend durch das UFZ. Die Auswirkungen dieser Konzepte auf die Anlagenfahrweise werden durch das DBFZ auf Einzelanlagenebene und für verschiedene Technologiegruppen modelliert. Welche Effekte eine verstärkt flexible Stromproduktion durch Bioenergieanlagen auf der Ebene des deutschen und europäischen Elektrizitäts- und Wärmemarkt hat, wird durch die Universität Duisburg-Essen untersucht.
Die Idee
Es sollen Konzepte entwickelt werden, die Betreibern von Bioenergieanlagen einen Anreiz zur flexiblen Fahrweise bieten, damit diese die Stromproduktion stärker am jeweils aktuellen Bedarf ausrichten. Um dies zu erreichen, wurde ein Bonus-/Malus-System entwickelt, welches die Preissignale an den Spotmärkten gezielt verstärkt. Dafür werden die sechs Tagesstunden mit den höchsten Preisen mit einem Bonus und die sechs Tagesstunden mit den tiefsten Preisen mit einem Malus versehen. Die Preise spiegeln somit die jeweilige Bedarfssituation wider. Durch das Bonus-/Malus-System entsteht ein Anreiz, die jährlich produzierbare Strommenge, welche sonst durch die Höchstbemessungsleistung limitiert ist, genau dann zu produzieren, wenn am meisten Bedarf besteht.
Projektkoordinator Michael Steubing (UFZ) differenziert die Ergebnisse: „Die bisherigen Ergebnisse der Modellierungen zeigen sehr eindeutig, dass durch die flexible Anlagenfahrweise und unter Berücksichtigung der Konzepte deutliche Mehrerlöse im Vergleich zu einer kontinuierlichen Einspeisung möglich sind. Die entwickelten Konzepte entfalten eine gezielte Anreizwirkung zur Stromproduktion in den hochpreisigen Stunden. Interessant zu beobachten ist, dass auch bei bestehenden Restriktionen, z. B. durch Wärmelieferverpflichtungen, eine flexible Anlagenfahrweise mit dadurch entstehenden Mehrerlösen möglich ist.“
Setzt man die modellierten optimierten Anlagenfahrpläne in Bezug zur Residuallast zeigt sich, dass vermehrt die Residuallastspitzen bedient werden. Die Stromproduktion erfolgt also verstärkt dann, wenn der Bedarf (erneuerbaren) Stroms besonders hoch ist.
Kernfragen des Projektes:
– Welche Konzepte sind geeignet um eine bedarfsorientierte, kosteneffiziente und klimaschonende Stromerzeugung aus Bioenergieanlagen anzureizen?
– Welche Anlagenfahrweisen stellen sich unter Berücksichtigung dieser Konzepte ein und wie lassen sich diese ökonomisch, technologisch und ökologisch bewerten?
– Welche Wechselwirkungen ergeben sich durch eine flexible Anlagenfahrweise in Bezug auf andere Akteure im deutschen Strom- und Wärmesystem?
Ergebnisse im Überblick:
– Die wesentlichen Handelsplätze für Flexibilität durch Bioenergieanlagen sind der Day-Ahead- und der Intraday-Handel (Spotmärkte). Konzepte die eine flexible Stromproduktion anreizen sollen, sollten daher die Preisentwicklung dieser Märkte berücksichtigen.
– Bei einer an den Konzepten orientierten flexiblen Anlagenfahrweise können deutliche Mehrerlöse gegenüber einer unflexiblen Fahrweise generiert werden. Dies gilt für eine Vermarktung des produzierten Stroms am Day-Ahead- und Intraday-Handel. Das Mehrerlöspotenzial steigt mit zunehmender Flexibilisierung der Anlagen (Überbauungsgrad) an.
– Die Modellergebnisse zeigen, dass eine nach den Konzepten ausgerichtete, erlösoptimierte Anlagenfahrweise die Stromproduktionszeiten so verlagert, dass vermehrt Residuallastspitzen bedient werden, was zu einer Glättung des Residuallastverlaufes beitragen kann.
Info: Was sind die Spotmärkte für Strom?
An der European Power Exchange (EPEX) in Paris werden auf den sogenannten Spotmärkten kurzfristig lieferbare Strommengen gehandelt. Diese werden unterschieden in den Day-Ahead- und den Intraday-Handel
Im Day-Ahead-Handel werden in einer von Montag bis Freitag täglich stattfindenden Auktion Stunden- und Block-Produkte für den Folgetag gehandelt. Die Preisbildung erfolgt dabei nach dem Merit-Order-Prinzip, d. h. das letzte Kraftwerk das benötigt wird, um den Strombedarf zu einem bestimmten Zeitpunkt zu decken, bestimmt den Strompreis zu diesem Zeitpunkt. Dieser ist dann für alle Marktteilnehmer gleich („uniform pricing“).
Im kontinuierlichen Intraday-Handel kann dagegen rund um die Uhr gehandelt werden. So können Viertelstunden-Produkte noch bis zu 5 Minuten vor der physischen Lieferung ge- und verkauft werden. Hier erfolgt die Preisbildung nach dem „Pay as bid-Prinzip“, es gibt also für jedes Produkt einen individuellen Preis. Eine gehandelte Megawattstunde Strom kann hier also zum gleichen Zeitpunkt viele unterschiedliche Preise haben.
FÖRDERBEREICH „ENERGETISCHE BIOMASSENUTZUNG“
Seit 2018 fördert das BMWi Bioenergiethemen mit dem Förderbereich „Energetische Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe“ im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms.
Startpunkt der Förderung war – im Juni 2008 – das Förderprogramm „Energetische Biomassenutzung – Förderung von Forschung und Entwicklung zur klimaeffizienten Optimierung der energetischen Biomassenutzung“, welches vom Bundesumweltministerium initiiert wurde. 2014 wechselte das Programm in den Verantwortungsbereich des BMWi. Seit 2016 ist das Programm als Forschungsnetzwerk BIOENERGIE Teil der Forschungsnetzwerke Energie des BMWi.
Nach zehnjähriger Laufzeit umfasst die Förderung zur energetischen Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe über 170 Verbundprojekte bzw. über 450 Einzelprojekte.
Im Fokus steht die Erforschung und Entwicklung von zukunftsweisenden Technologien sowie Verfahrens- und Prozessoptimierungen, die eine effiziente, wirtschaftliche und nachhaltige Nutzung der Bioenergie ermöglichen und zur Versorgungssicherheit beitragen. Dazu unterstützt das Ministerium vor allem praxisorientierte Lösungen mit Demonstrations- und Pilotcharakter, die zur Flexibilisierung der Strom- und Wärmeerzeugung aus Biomasse beitragen. Systemintegration, Sektorkopplung, Digitalisierung sowie die erfolgreiche Kombination von Anlagen und Konzepten zur Nutzung Erneuerbarer Energien sind weitere wesentliche Aspekte. Zur Verbesserung der nachhaltigen energetischen Nutzung im (gekoppelten) Wärme- und Strombereich sowie Verkehrsbereich sollen vor allem Biomassereststoff- und Abfallpotenziale erschlossen werden.
Fördermittelempfänger sind klassische Forschungseinrichtungen, aber vor allem auch klein- und mittelständische Unternehmen, die die Markteinführung bestimmter Technologien anstreben. Insgesamt sind seit 2009 rund 260 Institutionen im Netzwerk beteiligt gewesen, davon ca. 135 KMU. Das Programm und der Förderbereich waren bis dato (2008–2019) mit 81,71 Millionen Euro ausgestattet.
Das Begleitvorhaben, angesiedelt am DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH, ist für die wissenschaftliche Begleitung, sowie Medien- und Pressarbeit des BMWi-Förderbereichs Bioenergie zuständig. Mit der fachlichen und administrativen Koordination desselben wurde der Projektträger Jülich (PtJ) beauftragt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Projektleitung
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ
Michael Steubing – Projektleiter
Department Bioenergie
Permoser Straße 15
04318 Leipzig
Weitere Informationen:
https://www.energetische-biomassenutzung.de/projekte-partner/details/project/sho… Zum detaillierten Zwischenbericht des Projekts sowie zum Projektsteckbrief Online
https://www.energetische-biomassenutzung.de/ Alles zum Förderbereich online
Anhang
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Energie, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch