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04.01.2023 17:00
Forschende aus Würzburg und den USA entdecken neue Art der CRISPR-Genschere
Baustein der bakteriellen Immunabwehr legt infizierte Zellen lahm und könnte die molekularbiologische Diagnostik voranbringen
Es ist eine unerwartete Entdeckung, die Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts Würzburg in Kooperation mit Benson Hill, Inc. (Missouri) und der Utah State University in den USA gemacht haben: Sie haben eine Nuklease, genannt Cas12a2, gefunden, die eine gänzlich neue Art der CRISPR-Immunabwehr darstellt. Im Gegensatz zu jeder anderen bisher bekannten Nuklease des CRISPR-Cas-Immunsystems, geläufig als Ursprung der „Genschere“, zerstört Cas12a2 die DNA, um eine infizierte Zelle abzuschalten. Die Erkenntnisse könnten neue CRISPR-Technologien unter anderem für die molekularbiologische Diagnostik hervorbringen und wurden heute in dem Fachmagazin Nature veröffentlicht.
Wie der Mensch können auch Bakterien und Archaeen von Viren befallen werden. Gegen die Erreger haben diese Mikroorganismen eigene Immunabwehrstrategien entwickelt. Bakterielle Abwehrsysteme wie CRISPR-Cas verfügen über verschiedene Proteine und Funktionen, die den Bakterien helfen, sich gegen fremde Eindringlinge zu schützen. Die Abwehr basiert auf einem gemeinsamen Grundmechanismus: Eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als „Leit-RNA“ dient, hilft dabei, Regionen eines fremden Genoms, etwa die DNA eines Virus, zu erkennen, um sie gezielt unschädlich zu machen. Die von einer crRNA geleitete Nuklease (Cas) kann ihr Ziel wie eine Schere zerschneiden: eine Strategie der Natur, die sich der Mensch technologisch auf vielfältige Weise zunutze gemacht hat.
„Wenn man bedenkt, wie gut verschiedene Nukleasen in neue und verbesserte Technologien umgesetzt wurden, dann könnte jede Entdeckung auf diesem Gebiet neuen Nutzen für die Gesellschaft bringen“, beschreibt Chase Beisel eine Forschungsmotivation seines Labors am Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Die Einrichtung ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität (JMU) in Würzburg. Beisel hat die aktuellen Untersuchungen an einer ausgewählten Gruppe von CRISPR-Cas-Systemen zusammen mit Matthew Begemann von Benson Hill, Inc. (Missouri) und Ryan Jackson von der Utah State University in den USA initiiert. Die Ergebnisse wurden heute in dem renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht; begleitet von einer weiterführenden strukturellen Analyse, die ein zweites Team ebenfalls unter Leitung von Ryan Jackson sowie von David Taylor von der University of Texas vorgenommen hat.
Anders als jede andere bekannte CRISPR-Nuklease
„Wir haben CRISPR-Nukleasen erforscht, die ursprünglich unter Cas12a subsumiert wurden, also unter Nukleasen, die Bakterien vor Eindringlingen schützen, indem sie invasive DNA erkennen und spalten. Als wir jedoch mehr von diesen Nukleasen identifiziert hatten, zeigten sich so viele Unterschiede, dass es sich lohnte, tiefer in die Materie einzusteigen”, berichtet Oleg Dmytrenko, Erstautor der Studie. „Dabei entdeckten wir, dass sich diese Nukleasen, die wir Cas12a2 nannten, nicht nur ganz anders verhalten als Cas12a, sondern auch als jede andere bekannte CRISPR-Nuklease.“
Der entscheidende Unterschied: Wenn Cas12a2 invasive RNA erkennt, spaltet die Nuklease diese, kann aber auch andere RNA und DNA in der Zelle schädigen. Das beeinträchtigt deren Wachstum und dämmt die Infektion ein. Grundsätzlich seien solche sogenannten abortiven Infektionsabwehrstrategien (Abi) von Bakterien bereits bekannt, meint HIRI-Postdoc Dmytrenko. Auch einige andere CRISPR-Cas-Systeme funktionierten auf diese Weise. „Ein CRISPR-basierter Abwehrmechanismus, der sich auf eine einzige Nuklease stützt, um den Eindringling zu erkennen und zelluläre DNA und RNA abzubauen, wurde jedoch noch nie beobachtet“, sagt der Wissenschaftler.
Die Erkenntnisse im Detail
Die Proteinsequenz und -architektur von Cas12a2 unterscheiden diese Nuklease von Cas12a. Aktiviert durch eine Protospacer-flankierende Sequenz (PFS), erkennt Cas12a2 Ziel-RNAs, die komplementär zu seiner Leit-RNA sind. Das Abzielen auf die RNA löst eine kollaterale Nukleinsäurespaltung aus, die RNA, einzelsträngige DNA und doppelsträngige DNA abbaut. Diese Aktivität führt zu einem Zellstillstand, vermutlich durch die DNA- und RNA-Schäden, die das Wachstum beeinträchtigen. Cas12a2 kann für die molekulare Diagnostik und den direkten Nachweis von RNA-Biomarkern verwendet werden, wie der Machbarkeitsbeweis (proof-of-priciple) ergeben hat.
Eine zerstörerische Spalte
In der weiterführenden strukturellen Analyse der Nuklease durch ein zweites Team, erschienen in derselben Ausgabe von Nature, hat sich in verschiedenen Phasen der Immunabwehr gezeigt, dass Cas12a2 nach der Bindung an ihr RNA-Ziel ihre Struktur stark verändert. Das wiederum führt zu einer freiliegenden Spalte in der Nuklease, die jede Nukleinsäure, auf die sie trifft, zerkleinern kann – sei es RNA, einzelsträngige DNA oder doppelsträngige DNA. Bei den Untersuchungen wurden auch Möglichkeiten entdeckt, Cas12a2 zu mutieren, um die Nukleinsäure zu verändern, die die Nuklease nach Erkennung ihres RNA-Ziels abbaut. Diese Spezifika eröffnen für die Zukunft einen potenziell breiten technologischen Einsatz.
Förderung:
Die Studie wurde aus Mitteln des Europäischen Forschungsrats (ERC Consolidator Award an Chase Beisel), der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), des Programms Pre-4D des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung sowie mithilfe der National Institutes of Health und der Welch Foundation gefördert.
Diese Pressemitteilung und Bildmaterial finden Sie auch auf unserer Homepage unter dem Link https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/fors….
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung:
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung ihrer Art, die die Forschung an Ribonukleinsäuren (RNA) mit der Infektionsbiologie vereint. Auf Basis neuer Erkenntnisse aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm will das Institut innovative therapeutische Ansätze entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Würzburger Medizin-Campus. Weitere Informationen unter http://www.helmholtz-hiri.de.
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen. http://www.helmholtz-hzi.de
Pressekontakt:
Dr. Britta Grigull
Leiterin Kommunikation
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
Josef-Schneider-Str. 2 / D15
97080 Würzburg
+49 931 31 81801
britta.grigull@helmholtz-hiri.de
Originalpublikation:
1.)
Dmytrenko O, Neumann GC, Hallmark T, Keiser DJ, Crowley VM, Vialetto E, Mougiakos I, Wandera KG, Domgaard H, Weber J, Gaudin T, Metcalf J, Gray BN, Begemann MB, Jackson RN, Beisel CL (2023): Cas12a2 elicits abortive infection via RNA-triggered destruction of dsDNA. Nature, DOI: 10.1038/s41586-022-05559-3
https://www.nature.com/articles/s41586-022-05559-3
2.)
Bravo JPK, Hallmark T, Naegle B, Beisel CL, Jackson RN, Taylor DW (2023): Large-scale structural rearrangements unleash indiscriminate nuclease activity by CRISPR-Cas12a2. Nature, DOI: 10.1038/s41586-022-05560-w
https://www.nature.com/articles/s41586-022-05560-w
Bilder
Prof. Dr. Chase Beisel (links) und Dr. Oleg Dmytrenko.
HIRI
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Chemie
überregional
Forschungsergebnisse
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