Forschungsteam identifiziert piRNAs als genetische Ursache männlicher Unfruchtbarkeit



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16.08.2024 13:32

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Forschungsteam identifiziert piRNAs als genetische Ursache männlicher Unfruchtbarkeit

Ein unerfüllter Kinderwunsch liegt häufig an männlicher Unfruchtbarkeit. Dabei kann die Genetik eine wichtige Rolle spielen – dazu liefert jetzt ein Team vom Institut für Reproduktionsgenetik der Universität Münster neue Erkenntnisse. Die in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Studie zeigt erstmals, dass Störungen im sogenannten piRNA-Signalweg eine bislang unterschätzte Ursache für eine fehlerhafte Spermienbildung sind.

Viele Paare bleiben ungewollt kinderlos. Dass die Ursache dafür meist bei der Frau liegt, ist eine weit verbreitete Annahme – und falsch. Inzwischen weiß die Medizin, dass männliche Unfruchtbarkeit genauso häufig zu einem unerfüllten Kinderwunsch führt. Auch die Genetik kann hierbei eine Rolle spielen. Dazu liefern die Arbeitsgruppen um Dr. Birgit Stallmeyer und Prof. Dr. Frank Tüttelmann vom Institut für Reproduktionsgenetik der Universität Münster jetzt neue Erkenntnisse. Ihre in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlichte Studie zeigt erstmals, dass Störungen im sogenannten piRNA-Signalweg eine bislang unterschätzte Ursache für eine fehlerhafte Spermienbildung darstellen.

Die Ribonukleinsäure, englisch abgekürzt RNA, ist ein aus Nukleotiden aufgebauter Einzelstrang in jeder Zelle eines Lebewesens und fungiert dort als „Überträger“ genetischer Informationen. Bei der piRNA handelt es sich um spezielle, sehr kleine RNA-Fragmente, die im Hoden vorkommen und dort unter anderem die Aktivität von „Transposons“, auch bekannt als springende Gene, unterdrücken. „Der piRNA-Signalweg wurde bislang hauptsächlich bei Mäusen beschrieben, hingegen fehlten gute Daten zum Menschen bisher“, erklärt Birgit Stallmeyer. Um das zu ändern, untersuchte die Arbeitsgruppe die DNA von über 2.000 größtenteils am münsterschen Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie rekrutierten unfruchtbaren Männern auf Varianten in Genen des piRNA-Signalwegs – und die Forscher wurden fündig.

„Wir konnten 39 Männer mit Veränderungen in insgesamt 14 piRNA-Genen finden. Die meisten dieser Varianten wurden erstmals von uns beschrieben. Unsere Analysen zeigen, dass eine fehlerhafte Regulation von piRNAs deutlich häufiger als bislang angenommen ein Grund für männliche Unfruchtbarkeit ist“, betont die Biologin. Außerdem fiel auf, dass sich die Auswirkungen der Genvarianten auf die Spermienbildung bei den Männern und bei den entsprechenden Mausmodellen unterscheiden. Das heißt: Eine direkte Übertragung der bisherigen Erkenntnisse bei Mäusen auf den Menschen ist nicht generell möglich.

Bei einigen Patienten mit piRNA-Veränderung konnten mehr Transposons festgestellt werden: „Eine höhere Zahl der springenden Gene in den Keimzellen führt zu einer Instabilität des Genoms und dadurch zu vielfältigen Störungen der Spermienbildung. Diese reichen von einer veränderten Form bis hin zum kompletten Fehlen von Spermien“, erklärt Frank Tüttelmann, Direktor des Instituts für Reproduktionsgenetik und des Centrums für Medizinische Genetik sowie Letztautor der Studie.

Zwar lassen sich die neu gefundenen Störungen des piRNA-Signalwegs derzeit noch nicht heilen, doch kann dank der Erkenntnisse in Zukunft bei mehr Männern die richtige Diagnose gestellt werden – für viele Betroffene nach jahrelanger Ungewissheit eine Erleichterung. „Durch weitere Untersuchungen möchten wir feststellen, bei welchen Patienten mittels einer Operation mit Entnahme von Gewebe aus dem Hoden erfolgreich Spermien gewonnen und eine medizinisch-assistierte Reproduktion, also eine künstliche Befruchtung, durchgeführt werden kann. Umgekehrt wollen wir untersuchen, bei wem eine solche Operation keinen Nutzen bringt. Dadurch ermöglichen wir eine zielgerichtete Behandlung“, blickt Frank Tüttelmann nach vorn. Die Studie wurde durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung (IZKF) der Medizinischen Fakultät gefördert und entstand in internationaler Zusammenarbeit unter anderem mit Forschern der University of Edinburgh, der University of Newcastle und der Oregon Health and Science University in den USA.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Frank Tüttelmann
Institut für Reproduktionsgenetik / Universität Münster
Tel.: +49 (251) 83-55411
E-Mail: reprogenetik@ukmuenster.de

Dr. Birgit Stallmeyer
Institut für Reproduktionsgenetik / Universität Münster
Tel.: +49 (251) 83 – 53234
E-Mail: Birgit.stallmeyer@ukmuenster.de


Originalpublikation:

Stallmeyer B, et al. Inherited defects of piRNA biogenesis cause transposon de-repression, impaired spermatogenesis, and human male infertility. Nat Commun. 2024 Aug 9;15(1):6637. doi: https://doi.org/10.1038/s41467-024-50930-9


Weitere Informationen:

https://www.medizin.uni-muenster.de/reprogenetik/das-institut.html Institut für Reproduktionsgenetik


Bilder

Die beiden Leiter der Studie Dr. Birgit Stallmeyer und Prof. Frank Tüttelmann

Die beiden Leiter der Studie Dr. Birgit Stallmeyer und Prof. Frank Tüttelmann
Florian Kochinke
Uni MS – Florian Kochinke


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW