Glioblastom: Humanin blockieren – Chemotherapie wirksam machen



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26.07.2024 11:52

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Glioblastom: Humanin blockieren – Chemotherapie wirksam machen

Strahlen- und/oder Chemotherapie nach der Operation – das sind die Behandlungsoptionen bei einem der gefährlichsten Gehirntumore überhaupt, dem Glioblastom. Doch bis heute sind diese Tumoren unheilbar, mit einer mittleren Überlebensdauer von 16 Monaten nach Diagnosestellung. Nun hat ein Team internationaler Forschender unter Federführung von Prof. Dr. Rainer Glaß vom LMU Klinikum München einen Mechanismus entdeckt, der die Krebszellen gegen gängige Chemotherapeutika unempfindlich macht. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Cell Reports Medicine“ veröffentlicht.

In Deutschland erkranken alljährlich 4.000 bis 5.000 Menschen an einem Glioblastom. Nur jeder zwanzigste der Betroffenen ist nach fünf Jahren noch am Leben. Die Ursachen für diese düsteren Aussichten sind vielschichtig. Einer der Gründe für die verbesserungswürdige Bilanz sind die Resistenzmechanismen, die die Tumoren gegenüber Chemotherapeutika entwickeln.

Zum einen ist es für viele dieser Medikamente per se schon schwierig, ins Gehirn zu gelangen, da der Körper sein Denk- und Gefühlszentrum mit der sogenannten Blut-Hirn-Schranke schützt. „Glioblastome sind nun in der Lage die Blut-Hirn-Schranke auch während des Tumorwachstums zum Teil aufrecht zu erhalten. Diese sogenannte Blut-Tumor-Schranke erschwert dann die Passage für Therapeutika“, sagt Rainer Glaß, Experte für neurochirurgische Forschung am LMU Klinikum. Zum anderen entwickeln die Hirntumorzellen Mechanismen, mit denen sie viele Schäden reparieren können, die eine Chemotherapie in ihnen anrichtet.

„Wir haben nun herausgefunden, dass es in Glioblastomen – nicht in allen, aber in einigen – einen koordinierenden Mechanismus gibt, der beides bewerkstelligt“, erklärt Glaß. Durch ein Zusammenspiel der Tumorzellen mit den sie umgebenden Immunzellen wird ein molekularer Signalweg ausgelöst, der letztlich zur Ausschüttung des Stoffes „Humanin“ führt. In Glioblastomen aktiviert Humanin ein Oberflächenmolekül, den Rezeptor GP130, der sowohl auf den Tumorzellen als auch auf den Blutgefäßen im und um das Tumorgewebe vorhanden ist.

Die Folgen: Einerseits kommt es in den Tumorzellen selbst zu einer großangelegten Reparatur der Schäden, die durch Chemotherapeutika verursacht werden. Andererseits signalisiert Humanin den Gefäßen um den Tumor, die Blut-Tumor-Schranke auszubauen. „Dann gelangt eine geringere Menge des Chemotherapeutikums zu den Tumorzellen“, sagt Glaß, „und diese verminderte Dosis wird in ihrer Wirkung blockiert, indem die Resistenzmechanismen hochgefahren sind.“

Und jetzt die Hoffnung: Blockieren die Forscher den Rezeptor GP 130 mit einem Medikament, das zur Therapie des Knochenschwunds zugelassen ist, kann Humanin dort nicht mehr andocken. “Damit”, so Glaß, „verhindern wir beide Resistenzmechanismen, wir schlagen sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe.“

Bisher funktioniert das alles im Zell- und Tierversuch. „Selbstverständlich benötigen wir klinische Studien mit Glioblastom-Patienten, um die Wirkung des Medikaments beim Menschen zu beurteilen“, sagt Rainer Glaß. Das Medikament heißt Bazedoxifene und kann als eines von wenigen die Blut-Hirn-Schranke passieren. Der Pferdefuß: Es verändert die Wirkung des weibliches Geschlechtshormons Östrogen und dadurch entstehende Nebenwirkungen müssten, vor allem bei Frauen, eventuell medikamentös kompensiert werden. Weibliche Mäuse reagierten jedenfalls mit Gewichtsverlust auf das Medikament.

Kurzum: Es braucht nun klinische Forschung, die zeigen muss, ob diese potenziell neue Therapie für das Glioblastom deutlichen Nutzen für die Patienten bringt.

Beteiligte Institutionen an der Forschung:
Sun Yat-sen University, Guangzhou, China; Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin; University of Texas, Austin, USA; LMU München; Johannes Kepler Universität Linz; MD Anderson Cancer Center, Houston, USA; Mayo Clinic, Scottsdale, USA; Universitätsmedizin Göttingen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Rainer Glaß
Professur für Neurochirurgische Forschung
Neurochirurgische Klinik
LMU Klinikum München
Campus Großhadern
E-Mail: rainer.glass@med.uni-muenchen.de


Originalpublikation:

Myeloid cells coordinately induce glioma cell-intrinsic and -extrinsic pathways for chemoresistance via GP130 signaling
Jiying Cheng, Min Li, Edyta Motta, Charlotte Flüh, Roland E. Kälin, Rainer Glass, Open AccessPublished: July 24,
DOI: https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2024.101658


Weitere Informationen:

https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/pressemitteilungen/humanin-blockieren-chem…


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW