Koffein kann die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika schwächen



Teilen: 

23.07.2025 11:45

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Koffein kann die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika schwächen

Studie der Universität Tübingen zeigt: Substanzen, die Bakterien in ihrer natürlichen Umgebung finden, lösen ihre Alarmsysteme aus – Auswirkungen auf künftige Therapieansätze möglich

Bestandteile unserer täglichen Ernährung – darunter auch Koffein – können die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika beeinflussen. Das hat eine neue Studie eines Forscherteams der Universitäten Tübingen und Würzburg unter der Leitung von Professorin Ana Rita Brochado gezeigt. Das Team entdeckte, dass Bakterien wie Escherichia coli (E. coli) komplexe Regelungskaskaden orchestrieren, um auf chemische Reize aus ihrer unmittelbaren Umgebung zu reagieren, was die Wirksamkeit von Antibiotika beeinflussen kann.

In einem systematischen Screening untersuchte das Team um Brochado, wie 94 verschiedene Substanzen – darunter Antibiotika, verschreibungspflichtige Medikamente und Nahrungsmittelbestandteile – die Expression wichtiger Genregulatoren und Transportproteine des potenziell pathogenen Bakteriums E. coli beeinflussen. Transportproteine fungieren als Poren und Pumpen in der Bakterienhülle und steuern, welche Substanzen in die Zelle gelangen oder sie verlassen. Ein fein abgestimmtes Gleichgewicht dieser Mechanismen ist für das Überleben der Bakterien entscheidend.

Forscher beschreiben Phänomen als „antagonistische Interaktion“

„Unsere Daten zeigen, dass mehrere Substanzen die Genregulation in Bakterien subtil, aber systematisch beeinflussen können”, sagt Doktorand Christoph Binsfeld, Erstautor der Studie. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst alltägliche Substanzen ohne direkte antimikrobielle Wirkung – beispielsweise koffeinhaltige Getränke – bestimmte Genregulatoren beeinflussen können, die Transportproteine steuern, und so verändern, was in die Bakterien eindringt und sie verlässt. „Koffein löst eine Kaskade von Ereignissen aus, die mit dem Genregulator Rob beginnt und in der Veränderung mehrerer Transportproteine in E. coli gipfelt – was wiederum zu einer verminderten Aufnahme von Antibiotika wie Ciprofloxacin führt“, erklärt Ana Rita Brochado. Das Ergebnis: Koffein schwächt die Wirkung dieses Antibiotikums – ein Phänomen, das die Forscher als „antagonistische Interaktion“ bezeichnen.

Diese abschwächende Wirkung bestimmter Antibiotika war bei Salmonella enterica, einem eng mit E. coli verwandten Erreger, nicht nachweisbar. Dies zeigt, dass selbst bei ähnlichen Bakterienarten gleiche Umweltreize zu unterschiedlichen Reaktionen führen können – möglicherweise aufgrund von Unterschieden in den Transportwegen oder deren Beitrag zur Antibiotikaaufnahme. Die Rektorin der Universität Tübingen, Prof. Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, betont: „Solche Grundlagenforschung zu den Auswirkungen von täglich konsumierten Substanzen unterstreicht die entscheidende Rolle der Wissenschaft für das Verständnis und die Lösung realer Probleme.“

Die in der Fachzeitschrift PLOS Biology veröffentlichte Studie leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der sogenannten „Low-Level“-Antibiotikaresistenz, die nicht auf klassische Resistenzgene zurückzuführen ist, sondern auf Regulation und Umweltanpassung. Dies könnte Auswirkungen auf zukünftige Therapieansätze haben: Was während der Behandlung eingenommen wird und in welcher Menge – ob ein anderes Medikament oder ein Nahrungsmittelbestandteil – sollte stärker berücksichtigt werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ana Rita Brochado
Universität Tübingen
Interfakultäres Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin (IMIT)
Exzellenzcluster „Mikroben kontrollieren, Infektionen bekämpfen“ (CMFI)
ana.brochado@uni-tuebingen.de
Website

Christoph Binsfeld
Universität Würzburg
Abteilung Mikrobiologie, Biocenter


Originalpublikation:

Binsfeld C, Olayo-Alarcon R, Perez Jimenez L, Wartel M, Stadler M, Mateus A, Müller C, Brochado AR. (2025) Systematic screen uncovers regulator contributions to chemical cues in Escherichia coli. PLOS Biology 23(7). https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3003260


Bilder

Die Wissenschaftlerin Ana Rita Brochado (rechts) und ihre Labormitarbeiterin Laura Sniegula blicken auf die Daten des Pipettierroboters. Mit diesem Laborgerät untersuchte das Team die Wirkung von 94 verschiedenen Substanzen.

Die Wissenschaftlerin Ana Rita Brochado (rechts) und ihre Labormitarbeiterin Laura Sniegula blicken
Quelle: Leon Kokkoliadis
Copyright: Universität Tübingen

Kaffeebohnen vor dem Pipettierroboter, mit dem das Team ein umfangreiches Screening von 94 verschiedenen Substanzen, darunter Antibiotika und andere, auf ihre Auswirkungen auf das Bakterium E. coli, einen potenziellen Krankheitserreger, durchgeführt hat.

Kaffeebohnen vor dem Pipettierroboter, mit dem das Team ein umfangreiches Screening von 94 verschied
Quelle: Leon Kokkoliadis
Copyright: Universität Tübingen


Anhang

attachment icon Koffein kann die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika schwächen


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW