16.03.2021 14:57
Krebstherapie: Wie unsere Zellen gegen Medikamente resistent werden
Menschliche Zellen verändern ständig ihre Form. Aus der Biologie ist bekannt, dass diese morphologischen Verformungen widerspiegeln, wie sich eine Zelle verändert. Bisher war die Forschung aber nur begrenzt in der Lage, die Bedeutung hinter der Form einer Zelle zu verstehen. In ihrer neuen Studie haben Rune Linding von der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) und seine Kolleg*innen mithilfe künstlicher Intelligenz Veränderungen in der Morphologie von Krebszellen untersucht und interpretiert, um zu verstehen, wie diese Zellen gegen Krebsmedikamente resistent werden.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Das Forscherteam verwendete einen Algorithmus (künstliche Intelligenz), um die Morphologie von etwa 850 Millionen Krebszellen über einen Zeitraum von drei Monaten zu analysieren. Damit untersuchten sie eine weitaus größere Zahl, als das für Biolog:innen möglich wäre. Durch KI erhielt das Team einen einzigartigen Einblick in sehr subtile Veränderungen in der Morphologie, die Krebszellen erfahren, wenn sie gegen Therapien resistent werden. Für das menschliche Auge sind derartige Abweichungen unsichtbar.
Der Algorithmus war nicht nur in der Lage, genau vorherzusagen, welche Krebszellen gegen Arzneimittel resistent waren, indem er sie nur „ansah“, sondern er konnte auch vorschlagen, welche Proteine in den Zellen diese Arzneimittelresistenz wahrscheinlich antreiben.
Die Forscher:innen hoffen, dass dieses Wissen genutzt werden kann, um bessere Therapien gegen Krebs oder Arzneimittelresistenz für die Zukunft zu entwickeln.
„Es wird immer deutlicher, dass die Analyse der Zellmorphologie mithilfe von Deep-Learning-Algorithmen verwendet werden kann, um Tumore in klinischen Gewebescans zu identifizieren und zu klassifizieren. Wir kratzen jedoch nur an der Oberfläche hinsichtlich der klinischen Auswirkungen. Wir glauben, dass die Morphologie in Zukunft hier eine Ergänzung darstellen kann und vielleicht sogar genetische Analysen von Tumoren bei der Entdeckung besserer Krebstherapien ersetzen kann“, sagt Rune Linding, leitender Forscher des REWIRE-Projekts an der HU.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Rune Linding
Lead Researcher – REWIRE
Humboldt-Universität zu Berlin
Lebenswissenschaftliche Fakultät
Institut für Biologie
Tel: +49 1522 136 7030
rune.linding@hu-berlin.de
Originalpublikation:
https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S2211124720316466
Weitere Informationen:
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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