Mehr Ertrag in Mischkulturen



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24.06.2021 17:15

Mehr Ertrag in Mischkulturen

Was für das Wiesland gilt, gilt offenbar auch für das Ackerland: Mischkulturen sind ertragreicher als Monokulturen. Das zeigt eine ETH-Forschungsgruppe um Christian Schöb auf.

Heutzutage dominieren grossflächige Monokulturen das Ackerland. Angebaut werden (hoch)gezüchtete Sorten, die einen hohen Ertrag versprechen. Doch solche einheitlich bepflanzten Ackerflächen haben Nachteile: Pilze oder Insekten haben leichtes Spiel und bedrohen Ernten; um die Schädlinge in Schach zu halten, setzen Landwirte resistente Sorten und verschiedene Pestizide ein.

Eine mögliche Alternative zu Monokulturen sind Mischkulturen. Dabei wird nicht nur eine Art oder Sorte grossflächig angesät, sondern mehrere Arten oder Varietäten nebeneinander. Doch solche Kulturen sind besonders im Ackerbau noch wenig erprobt und deshalb im Agrarland kaum zu sehen.

Nun zeigt ein Team um ETH-Professor Christian Schöb auf, dass Mischkulturen im Ackerbau deutlich mehr Ertrag abwerfen als Monokulturen. Die entsprechende Studie ist soeben in der Fachzeitschrift «Nature Plants» erschienen.

Ökologisches Prinzip angewendet

Mischkulturen nützen ein ökologisches Prinzip: Ökosysteme können ihre Funktionen besser erfüllen, wenn die biologische Vielfalt gross ist. Zu solchen Funktionen gehören die Regulierung des Wasserhaushalts, der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit oder eine höhere Pflanzenproduktivität.

Das trifft auch für Agrar-Ökosysteme zu: «Forschung in landwirtschaftlich genutztem Wiesland hat gezeigt, dass vielfältigere Wiesen produktiver sind als solche, die nur aus einer oder wenigen angesäten Arten zusammengesetzt sind», sagt Schöb.

Für den Ackerbau habe es bislang kaum vergleichbare Studien gegeben. Er und seine Mitarbeitenden haben deshalb untersucht, ob der grundlegende ökologische Mechanismus auch im Ackerbau zum Tragen kommt, und zwar insbesondere in Bezug auf den Ertrag.
Die Forscher legten zwei Experimentalgärten an: einen in der Schweiz auf dem Irchel-Campus der Universität Zürich, und einen in der spanischen Provinz Extremadura. Dort ist es viel trockener und wärmer als in Zürich, was den Forschenden erlaubte, das Wachstum der Nutzpflanzen unter möglichen zukünftigen Klimabedingungen zu studieren.

Schon Zweiermischungen werfen mehr Ertrag ab

In ihrem Experiment testeten die Forschenden von acht ausgewählten Arten jeweils Mischungen aus zwei respektive vier verschiedenen Nutzpflanzen, wie Weizen, Hafer, Quinoa, Linsen, Lupine, Lein und Leindotter (eine Ölsaat ähnlich wie Raps) sowie Koriander. Von all diesen Arten werden nur die Samen genutzt. Ausgesät wurden die Pflanzen wechselweise in parallelen Streifen mit 12 Zentimeter Abstand dazwischen.
Schliesslich verglichen sie die Samenmasse der Pflanzen aus Mischkulturen mit derjenigen aus Monokulturen. Weiter massen die Forschenden auch die übrige oberirdische Biomasse der Pflanzen.

Das Resultat ist deutlich: Schon ab Mischungen von zwei Arten stieg der Ertrag gegenüber dem Anbau in Monokultur um 3 Prozent in Spanien und um 21 Prozent in der Schweiz. Säten die Forschenden vier Arten nebeneinander an, betrug der Mehrertrag sogar 13 beziehungsweise 44 Prozent in Spanien und der Schweiz.

Den erzielten Mehrertrag erklären sich die Forschenden vor allem mit dem Biodiversitätseffekt: Eine höhere Vielfalt erlaubt eine bessere Ausnutzung der verfügbaren Ressourcen und eine bessere, natürliche Schädlingskontrolle – die Experimente wurden pestizidfrei durchgeführt.

Pflanzen investieren viel in Blätter und Stängel

Die Forscher stellten jedoch auch fest, dass die Pflanzen in Mischkulturen mehr Blätter oder Stängel bildeten als in Monokulturen. Sie investierten also mehr Energie und Material in die Produktion von vegetativer Biomasse und im Verhältnis dazu weniger in die Samenproduktion. Die Pflanze mache einen Kompromiss, erklärt Schöb, je mehr sie in vegetative Biomasse hineinstecke, desto mehr fahre sie die Investitionen in ihre Samen herunter. «Trotz allem resultierte unter dem Strich mehr Samenertrag als in einer Monokultur», so der Agrarforscher.

Der Effekt, dass die Pflanzen mehr Energie in den Aufbau von vegetativer Biomasse investierten, führt er auf die in den Versuchen verwendeten Sorten zurück: «Das Saatgut ist für Monokulturen gezüchtet, dass also der Ertrag optimal ist, wenn diese Pflanzen nur unter ihresgleichen wachsen.»

Schöb hält es deshalb für wahrscheinlich, dass das Potenzial für Mehrertrag mit Saatgut, das an Mischkulturen angepasst ist, noch besser ausgeschöpft werden kann.
Im Lauf der Zeit hat der Mensch die meisten Kulturpflanzen auf grosse Früchte und mehr Ertrag unter Monokulturbedingungen gezüchtet. So sind moderne Tomaten riesig gross, die Früchte von Wildtomaten hingegen klein wie Heidelbeeren. Damit Nutzpflanzen in Mischkulturen den optimalen Ertrag erbringen, müssen gängige Züchtungsmethoden – die auf den Anbau in Monokulturen abzielen – angepasst werden.

Eigenes Saatgut gewinnen und testen

Zurzeit gebe es jedoch keinen Saatgutproduzenten, der Samen spezifisch für den Einsatz in Mischkulturen auf dem Markt hat. Die Forschenden sind deshalb daran, Saatgut aus den eigenen Versuchen zu gewinnen und zu testen. «Wir möchten unsere Experimente mit diesem selbst erzeugtem Saatgut wiederholen, um zu erkennen, ob die Selektion in einer Mischkultur im wahrsten Sinn des Wortes Früchte trägt», betont Schöb.

Damit die Mischkultur den Durchbruch schafft, ist aber auch eine Umstellung in der landwirtschaftlichen Praxis nötig. Unter anderem braucht es Maschinen, die gleichzeitig verschiedene Nutzpflanzen ernten und das Erntegut trennen können. «Solche Maschinen gibt es bereits, aber sie sind noch die Ausnahme und teuer, wohl weil sie bislang wenig nachgefragt wurden», sagt der ETH-Forscher. In Kombination mit optimiertem Saatgut und geeigneten Maschinen könnte die Mischkultur für viele Landwirte eine echte Option für die Zukunft sein.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Christian Schöb, Assistenzprofessor Agrarökologie

christian.schoeb@usys.ethz.ch

+41 79 721 73 81


Originalpublikation:

https://doi.org/10.1038/s41477-021-00948-4


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW