04.03.2021 17:00
Modell kann Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien voraussagen
Team unter Kölner Beteiligung hat ein Modell entwickelt, das Wachstumsraten und Resistenzentwicklung gängiger Bakterienmutanten bei unterschiedlichen Medikamentendosierungen vorhersagt / Publikation in Nature Ecology & Evolution
EMBARGO bis Donnerstag, 04.März, 2021 um 17 Uhr (CET)
Modell kann Entwicklung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien voraussagen
Team unter Kölner Beteiligung hat ein Modell entwickelt, das Wachstumsraten und Resistenzentwicklung gängiger Bakterienmutanten bei unterschiedlichen Medikamentendosierungen vorhersagt / Publikation in Nature Ecology & Evolution
Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Uni Köln und der Universität in Uppsala (Schweden) hat ein Modell erstellt, das beschreiben und vorhersagen kann, wie sich Antibiotikaresistenzen bei Bakterien entwickeln. Die Resistenzen gegen Antibiotika entstehen durch eine Vielzahl von Mechanismen. Eine zentrale und bisher ungelöste Frage ist, wie die Resistenzentwicklung das Zellwachstum bei unterschiedlichen Wirkstoffkonzentrationen beeinflusst. Die Forscherinnen und Forscher entwickelten nun ein Modell, das Wachstumsraten und Resistenzniveaus gängiger resistenter Bakterienmutanten bei unterschiedlichen Medikamentendosierungen vorhersagt. Diese Vorhersagen werden durch empirische Wachstumshemmungskurven und genomische Daten von Escherichia coli-Populationen bestätigt. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Ecology & Evolution veröffentlicht.
Resistenzen entstehen durch Evolution. Bakterien verändern ihr Genom und werden unempfindlicher gegen Medikamente. Resistenzmutationen haben für die Bakterien allerdings in Abwesenheit von Antibiotika oft einen Preis. Die mutierten Zellen wachsen zwar in Gegenwart des Medikaments stärker, in einer medikamentenfreien Umgebung ist das Wachstum allerdings geringer als beim antibiotika-anfälligen Wildtyp. „Die Zellen müssen die Entscheidung über Resistenz optimieren. Wir haben ein Modell erstellt, das diesen Prozess beschreibt“, so Erstautorin Fernanda Pinheiro vom Institut für Biologische Physik der Uni Köln. Sie vergleicht dies mit einem Unternehmer, der Häuser baut und verkauft: „Die Häuser wurden mit einem festen Budget gebaut. Je nach Standort muss man mehr oder weniger in den Schutz vor Kälte investieren und dafür Abstriche beim Design machen. Ein hässliches Haus verkauft sich aber auch schlecht. In ähnlicher Weise entscheidet die Evolution der Bakterien darüber, wievel Proteine in die Antibiotikaresistenz investiert werden.
Diese Vorhersage ist sehr schwierig, weil das Bakterium oft mehrere Optionen hat, um Abwehrkräfte aufzubauen. „Überraschenderweise sagt unser Modell erfolgreich voraus, welche Mechanismen der Antibiotikaresistenz sich in einer Bakterienpopulation unter bestimmten Voraussetzungen wahrscheinlich entwickeln werden“, so Pinheiro. „Um im Bilde des Hausbaus zu bleiben: Um das Haus warm zu halten, kann man zum Beispiel in dicke Fenster oder in die Heiztechnik investieren. Was besser ist, entscheidet sich aus dem Ganzen, denn im Bakterium stehen die verschiedenen Zellteile in Abhängigkeiten. Mutationen verändern diese Teile und hinterlassen Spuren im Wachstumsmuster, die wiederum genutzt werden können, um etwas über den Evolutionsprozess zu lernen und letztendlich die Evolution vorherzusagen“, erklärt Pinheiro.
Antibiotikaresistente Bakterien gefährden die Antibiotikabehandlung von Millionen von Menschen weltweit und verursachen jedes Jahr Hundertausende von Todesfällen. Im Jahr 2019 hat die WHO die Antibiotikaresistenz in ihre Liste der 10 größten Bedrohungen für die globale Gesundheit aufgenommen. Das Wissen um die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen kann daher helfen, optimale Behandlungsprotokolle, Angriffspunkte für Medikamente und neue Antibiotika-Kandidaten zu identifizieren. Die neuen Erkenntnisse können nützlich sein, um bessere Entscheidungen über den Einsatz von Antibiotika zu treffen. „Wenn wir antizipieren können, was Bakterien unter verschiedenen Umständen wahrscheinlich tun werden, können wir gezielter über Interventionen nachdenken, um die Evolution von Resistenz zu vermeiden“, so Pinheiro.
Inhaltlicher Kontakt:
Prof. Dr. Michael Lässig
Statistische Physik und Quantitative Biologie
Institut für Biologische Physik
+49 221 470-4309
lassig@thp.uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470-2356
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Link zur Publikation:
https://dx.doi.org/10.1038/s41559-021-01397-0
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch