25.03.2019 12:03
Nahe Galaxie bringt Licht ins Dunkel des frühen Universums
Ein Team von Astronominnen und Astronomen hat entdeckt, wie energiereiche Photonen einer nahegelegenen Galaxie entkommen. Auf diese Weise erleuchtete wahrscheinlich auch die erste Generation von Galaxien das junge und bis dahin lichtundurchlässige Universum weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall.
Astronominnen und Astronomen des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) haben zum ersten Mal den komplexen Mechanismus, wie ultraviolettes Licht aus Galaxien entkommt, mit Hilfe des in Potsdam entwickelten Instruments Potsdam Multi-Aperture Spektrophotometer (PMAS) untersucht. Eine detaillierte physikalische Analyse der jetzt veröffentlichten einmaligen Beobachtungen am Calar Alto Observatorium in Spanien belegt, dass aus einer untersuchten Galaxie Gas mit Überschallgeschwindigkeit ausströmt. Ein ähnlicher Prozess fand wahrscheinlich im frühen Universum statt.
Die Reionisierungsepoche
Das frühe Universum war ein dunkler Ort. Wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall bildeten sich die ersten Sterne. Deren ultraviolette Strahlung ionisierte die Wasserstoffatome, die das Weltall bevölkerten und bis dato die Strahlung absorbierten. Dieser Vorgang wird als Reionisierungsepoche bezeichnet, die dazu führte, dass das Universum transparent für Licht (und damit beobachtbar) wurde. Nun haben Astronominnen und Astronomen das PMAS Instrument dafür genutzt, eine sogenannte „Green Pea“-Galaxie zu untersuchen. Diese stellen ein lokales Gegenstück zu den ersten Galaxien dar und zeigen, wie ultraviolettes Licht ausgesendet und ferne Regionen in einem ähnlichen Prozess ionisiert werden. „Wegen der enormen Entfernung können wir die Galaxien, die die ersten Sterne beherbergten, nicht beobachten, auch nicht mit den in Zukunft geplanten Teleskopen. Wir können jedoch lokale Gegenstücke dazu finden und stattdessen untersuchen. Diese haben einen lustigen Namen, Green Pea, weil sie grün leuchten“, sagt Dr. Genoveva Micheva, Astronomin am AIP und Erstautorin der Studie.
Die der Erde nächste „Green Pea“-Galaxie ist NGC 2366, eine Zwerggalaxie mit unregelmäßigem Aussehen, die der Großen Magellanschen Wolke ähnelt. Mit nur 11 Millionen Lichtjahren Entfernung ist NGC 2366 nah genug, um sie im Detail untersuchen zu können. In ihrem südlichen Gebiet liegt Mrk 71, ein riesiger Nebel und zwei Ansammlungen junger, heißer Sterne, die das Gas (größtenteils Wasserstoff) um sie herum erleuchten. Solche großen nebelartigen Komplexe sind ein Ort aktiver und anhaltender Entstehung von Sternen.
Wie ultraviolettes Licht entkommt
Mrk 71 dominiert durch seine Größe die Ionisierungseigenschaften der gesamten Galaxie NGC 2366. Es werden Photonen ausgestoßen, die so energiereich sind, dass sie das einzelne Elektron jedes Wasserstoffatoms in ihrer Nähe herauslösen können. Energiereiches ultraviolettes Licht, von dem Astronominnen und Astronomen annehmen, dass es für die Reionisierungsepoche verantwortlich war, entkommt den Grenzen dieser Galaxie. Dieses Licht reagiert extrem empfindlich auf Gas und Staub und wird von beiden absorbiert und zerstreut. Aus diesem Grund war bisher nicht bekannt, wie es entkommt.
Als Micheva und ihr Team diese Region mit dem PMAS Instrument am Calar Alto Observatorium untersuchten, entdeckten sie Hinweise auf eine sehr schnelle doppelkonische Gasausströmung, wahrscheinlich ausgelöst von Sternentstehungsaktivitäten. Die Ausströmung von Gas beginnt bei einem jungen Sternhaufen mit mehrerer zehnfacher Sonnenmasse, der ursprünglich vom Hubble- Weltraumteleskop entdeckt wurde. Durch diese Ausströmung entsteht ein Loch im Gas, wodurch das energetische ultraviolette Licht ungehindert entkommen kann. „Stützende Beweise für dieses Szenario liefern uns die Erstellung und Untersuchung räumlicher Karten der Elektronentemperatur und –dichte sowie der Schallgeschwindigkeit und der Machzahl“, sagt Micheva. In Mrk 71 ist die durchschnittliche Machzahl, die das Verhältnis von Geschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit angibt, im Überschallbereich und steigt außerhalb des Kerns der Region sogar noch weiter an. Dies weist auf einen plötzlichen Abfall der Gasdichte hin. „Wir zeigen, dass dieser Dichteabfall sehr dramatisch sein kann und ausreicht, sie soweit zu reduzieren, dass das Gas transparent für ionisierende Photonen wird“, betont Micheva.
Es ist wahrscheinlich, dass ein ähnlicher Prozess im entfernten (frühen) Universum stattfand, bei dem gewaltige Ausströmungen das dichte Gas ihrer Heimatgalaxien durchbrechen und so den Weg freimachen konnten, wodurch das Universum nach seinem dunklen Anfang transparent wurde.
Das Deutsch-Spanische Astronomische Zentrum (CAHA) in Calar Alto befindet sich in der Sierra de Los Filabres (Andalusien, Südspanien) nördlich von Almeria. Es wird gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und dem Instituto de Astrofísica de Andalucía (CSIC) in Granada/Spanien betrieben. Junta de Andalucía wird in Kürze die Copartnerschaft von MPIA beim Calar Alto Observatorium übernehmen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Genoveva Micheva, 0331-7499-657, gmicheva@aip.de
Originalpublikation:
https://www.aanda.org/articles/aa/abs/2019/03/aa34838-18/aa34838-18.html
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Journalisten, Wissenschaftler
Physik / Astronomie
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