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16.09.2025 09:12
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Neue Forschungserkenntnisse zur Behandlung von Blutkrebserkrankungen
Forschende der Universitätsmedizin Mainz haben einen bisher unbekannten Mechanismus aufgedeckt, über den moderne Medikamente – die sogenannten Histon-Deacetylase-Hemmer – bei einer speziellen Gruppe von Bluterkrankungen Tumorzellen zerstören. Sie fanden heraus, dass die Medikamente bösartige Blutzellen mit einer bestimmten genetischen Veränderung abtöten. Die jetzt in der international sehr renommierten Fachzeitschrift Signal Transduction and Targeted Therapy publizierten Erkenntnisse eröffnen die Möglichkeit für die Entwicklung verbesserter Therapien bei Myeloproliferativen Neoplasien (MPN).
Myeloproliferative Neoplasien (MPN) sind seltene Bluterkrankungen, bei denen das Knochenmark krankhaft veränderte Blutzellen produziert. Die MPN gehören zu den chronischen Blutkrebsformen, die in der Regel langsam fortschreiten. Sie können aber auch in eine akute myeloische Leukämie übergehen, die unbehandelt in den meisten Fällen zum Tod führt. In Deutschland erkranken jährlich etwa 4.700, vor allem ältere, Menschen neu an einer MPN.
Ursächlich für die MPN sind Mutationen im Blutbildungssystem. Die MPN Polycythaemia Vera, Essenzielle Thrombozythämie und Primäre Myelofibrose werden durch eine Mutation im, nach dem römischen Gott Janus benannten, Protein Januskinase-2 verursacht. Hierdurch werden zelluläre Kommunikationswege, die zur Regulation der Zellentwicklung und zur Abwehr von Keimen dienen, dauerhaft aktiviert. In der Konsequenz werden Blutbildungsvorgänge übermäßig angeregt und das blutbildende Knochenmark erschöpft.
Für die Behandlung von MPN werden aktuell in klinischen Studien Medikamente erprobt, die gezielt Enzyme der Histon-Deacetylase (HDAC)-Familie blockieren. Die auch als HDAC-Inhibitoren oder HDAC-Hemmer bezeichneten Arzneimittel bewirken ein Absterben der Krebszellen. Bisher war jedoch nicht bekannt, welcher exakte molekulare Mechanismus der Wirksamkeit von HDAC-Hemmern bei MPN zugrunde liegt.
Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Mainz haben jetzt bei Untersuchungen im Zell- und Tiermodell herausgefunden, dass das Protein SIAH2 dabei eine wichtige Rolle spielt. SIAH2 hilft, bestimmte Zielproteine, die beschädigt sind oder nicht mehr benötigt werden, einem Protein-Komplex in der Zelle zum Abbau zuzuführen. Das Team um Dr. Al-Hassan Mustafa und Univ.-Prof. Dr. Oliver Krämer vom Institut für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz hat gezeigt, dass die Histon-Deacetylasen HDAC1 und HDAC2 SIAH2 unter Kontrolle halten. Das Hinzufügen einer Acetylgruppe zu einem Protein (Acetylierung) beeinflusst unter anderem, wie aktiv das Protein ist und kann durch HDAC-Inhibitoren ausgelöst werden. Blockierten die Forschenden die Funktion von HDAC1/HDAC2 gezielt durch einen HDAC-Hemmer, stieg die Acetylierung und damit die Menge an aktivem SIAH2. Das Protein stabilisierte sich und löste über den gezielten Abbau der überaktiven Januskinase-2 selektiv den Tod von MPN-Zellen aus.
Univ.-Prof. Dr. Oliver Krämer, Leiter der Abteilung Molekulare Toxikologie am Institut für Toxikologie der Universitätsmedizin Mainz, und Letztautor der Studie betont: „Wir konnten zeigen, dass die Hemmung von HDAC1/HDAC2 mit einem potenziellen Medikament zum Absterben der Tumorzellen führt, während normale Stammzellen verschont bleiben. Unsere Forschungsergebnisse könnten damit zur Entwicklung und Anwendung schonenderer Therapien für MPN-Betroffene beitragen. Die Erkenntnisse bieten zudem einen neuen therapeutischen Ansatz, um das Fortschreiten dieser Blutkrebsform zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie der akuten myeloischen Leukämie oder des verwuchernden Knochenmarks zu verhindern. Gleichzeitig liefert die Arbeit ein Beispiel dafür, wie epigenetische Enzyme, die Veränderungen herbeiführen, ohne die DNA-Sequenz zu verändern, über unerwartete Mechanismen tumorfördernde Signalwege kontrollieren. Damit werden Impulse für die weitere Forschung gesetzt.“
Für die jetzt veröffentlichte Studie arbeitete das Forschungsteam aus verschiedenen Einrichtungen der Universitätsmedizin Mainz mit Partnern aus Hannover (Medizinische Hochschule Hannover) und Mainz (Institut für Molekulare Biologie) zusammen.
Originalpublikation:
Mustafa AM, Petrosino G, Fischer MA, Schnöder TM, Gül D, Zeyn Y, Hieber C, Lossa J, Muth S, Radsak MP, Brenner W, Christmann M, Bros M, Heidel FH, Krämer OH; The deacetylases HDAC1/HDAC2 control JAK2V617F-STAT signaling through the ubiquitin ligase SIAH2.; Signal Transduction and Targeted Therapy (2025).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41392-025-02369-7
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Oliver Krämer
Institut für Toxikologie
Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131 17-9218
E-Mail okraemer@uni-mainz.de
Pressekontakt:
Veronika Wagner M. A.
Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131 17-8391
E-Mail pr@unimedizin-mainz.de
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich rund 403.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Rund 3.700 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 590 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 9.000 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter https://www.unimedizin-mainz.de.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Univ.-Prof. Dr. Oliver Krämer
Institut für Toxikologie
Universitätsmedizin Mainz
Telefon 06131 17-9218
E-Mail okraemer@uni-mainz.de
Originalpublikation:
Originalpublikation:
Mustafa AM, Petrosino G, Fischer MA, Schnöder TM, Gül D, Zeyn Y, Hieber C, Lossa J, Muth S, Radsak MP, Brenner W, Christmann M, Bros M, Heidel FH, Krämer OH; The deacetylases HDAC1/HDAC2 control JAK2V617F-STAT signaling through the ubiquitin ligase SIAH2.; Signal Transduction and Targeted Therapy (2025).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41392-025-02369-7
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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