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24.02.2025 11:12
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Neue Studie identifiziert einzigartige Astrozyten der weißen Substanz mit regenerativem Potenzial
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Judith Fischer-Sternjak von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München sowie Prof. Magdalena Götz von Helmholtz Munich, der LMU und dem SyNergy-Exzellenzcluster hat verschiedene Subtypen von Astrozyten in der weißen Substanz (WM) identifiziert – darunter eine besondere Zellart mit der Fähigkeit zur Vermehrung, die möglicherweise zur Regeneration des Gehirns beitragen kann.
Mithilfe von Einzelzell-RNA-Sequenzierung und räumlicher Transkriptomik kartierten die Forschenden die Vielfalt der Astrozyten in verschiedenen Hirnregionen und Spezies und erstellten damit erstmals ein detailliertes molekulares Profil der Astrozyten der weißen Substanz.
Die Vielfalt der Astrozyten in der weißen Substanz entschlüsseln
Astrozyten spielen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Neuronen und der Erhaltung der Gehirngesundheit. Bisher wurde ihre Heterogenität jedoch vor allem in der grauen Substanz (GM) untersucht, die für die Informationsverarbeitung verantwortlich ist. Die Astrozyten der weißen Substanz, die weitreichende neuronale Verbindungen unterstützen, sind hingegen noch wenig erforscht. Diese Studie schließt eine zentrale Wissenslücke, indem sie zeigt, dass WM-Astrozyten keine homogene Zellpopulation sind, sondern aus verschiedenen Subtypen mit spezialisierten Funktionen bestehen.
„Unsere Ergebnisse widerlegen die bisherige Annahme, dass Astrozyten der weißen Substanz eine einheitliche Zellgruppe bilden“, erklärt Judith Fischer-Sternjak. „Stattdessen haben wir deutliche Hinweise auf spezialisierte Subtypen gefunden, darunter eine Zellart mit erheblichem proliferativem Potenzial, das für die Gehirnreparatur genutzt werden könnte.“
„Da wir bereits nachweisen konnten, dass proliferierende Astrozyten zur Regeneration beitragen können, sind wir besonders begeistert, diese nun auch in der weißen Substanz gesunder Gehirne zu entdecken“, ergänzt Magdalena Götz.
Ein verborgenes Reservoir für die Gehirnregeneration
Die Studie identifizierte zwei unterschiedliche Typen von Astrozyten in der kortikalen weißen Substanz. Einer dieser Typen ist weit im Gehirn verbreitet, evolutionär konserviert und vermutlich an der Unterstützung von Nervenfasern, der Zellkommunikation und der Stoffwechselregulation beteiligt. Der andere ist ein hochspezialisierter Subtyp, der vor allem in der kortikalen weißen Substanz vorkommt. Diese Zellart zeichnet sich durch eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Proliferation aus und wird durch spezifische Signalwege beeinflusst, die mit anderen Gehirnzellen interagieren.
Bemerkenswerterweise fanden die Forschenden heraus, dass einige dieser proliferierenden Astrozyten aus der weißen Substanz in die graue Substanz wandern können. Dies legt nahe, dass bestimmte Regionen der weißen Substanz als verborgenes Reservoir für die Neubildung von Astrozyten dienen könnten und somit zur langfristigen Erhaltung der Gehirnfunktion beitragen.
Neue Perspektiven für therapeutische Anwendungen
Die Entdeckung proliferierender Astrozyten in der weißen Substanz eröffnet vielversprechende Möglichkeiten für die regenerative Medizin. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die die Astrozytenproliferation steuern, könnte zur Entwicklung neuer Therapien für Gehirnverletzungen und neurodegenerative Erkrankungen wie Multiple Sklerose führen, bei denen die Integrität der weißen Substanz beeinträchtigt ist.
„Diese Studie eröffnet aufregende Perspektiven für die regenerative Medizin“, sagt Dr. Riccardo Bocchi, Erstautor der Studie. „Die Entdeckung proliferierender Astrozyten in der weißen Substanz schafft neue therapeutische Ansätze, insbesondere für Erkrankungen, die mit Schädigungen oder Degeneration der weißen Substanz einhergehen.“
Über die Forschenden:
Dr. Judith Fischer-Sternjak, Deputy Director of the Institute of Stem Cell Research and Director of Operations Stem Cell Center at Helmholtz Munich, Contact: judith.fischer@helmholtz-munich.de
Prof. Magdalena Götz, Director of the Institute of Stem Cell Research at Helmholtz Munich, Professor and Chair of Physiological Genomics at the Biomedical Center of the LMU, and Board Member of the Munich Cluster of Systems Neurology (SyNergy), Contact: Magdalena.goetz@helmholtz-munich.de
Dr. Riccardo Bocchi, Principal Investigator at the Department of Basic Neuroscience, University of Geneva, Switzerland, Contact: Riccardo.Bocchi@unige.ch
Über Helmholtz Munich:
Helmholtz Munich ist ein biomedizinisches Spitzenforschungszentrum. Seine Mission ist, bahnbrechende Lösungen für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Interdisziplinäre Forschungsteams fokussieren sich auf umweltbedingte Krankheiten, insbesondere die Therapie und die Prävention von Diabetes, Adipositas, Allergien und chronischen Lungenerkrankungen. Mittels künstlicher Intelligenz und Bioengineering transferieren die Forschenden ihre Erkenntnisse schneller zu den Patient:innen. Helmholtz Munich zählt rund 2.500 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in München/Neuherberg. Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, mit mehr als 43.000 Mitarbeitenden und 18 Forschungszentren die größte Wissenschaftsorganisation in Deutschland. Mehr über Helmholtz Munich (Helmholtz Zentrum München Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt GmbH): www.helmholtz-munich.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Judith Fischer-Sternjak, Deputy Director of the Institute of Stem Cell Research and Director of Operations Stem Cell Center at Helmholtz Munich, Contact: judith.fischer@helmholtz-munich.de
Originalpublikation:
Bocchi et al., 2025: Astrocyte heterogeneity reveals region-specific astrogenesis in the white matter. Nature Neuroscience. DOI: 10.1038/s41593-025-01878-6
Bilder
Proliferative Astrozyten in der weißen Substanz des murinen Gehirns.
Judith Fischer-Sternjak
©Judith Fischer-Sternjak
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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