Offen verabreichte Placebos helfen beim prämenstruellen Syndrom



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26.03.2025 08:51

Offen verabreichte Placebos helfen beim prämenstruellen Syndrom

Fast jede zweite Frau im reproduktionsfähigen Alter hat Beschwerden in den Tagen vor der Menstruation. Viele Behandlungen haben Nebenwirkungen, helfen nur bedingt oder nicht bei allen. Offen verabreichte Placebos könnten Abhilfe schaffen, insbesondere in Kombination mit einer Behandlungserklärung. Das zeigen Forschende der Universität Basel.

Die Tage vor der Regelblutung sind für viele Frauen geprägt von körperlichen und psychischen Leiden. Unterleibsschmerzen, Übelkeit, Stimmungsschwankungen und Angstzustände sind nur einige davon. Fast jede zweite Frau im fruchtbaren Alter ist vom sogenannten prämenstruellen Syndrom (PMS) betroffen, das Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit im Alltag einschränkt. Frauen mit PMS haben zudem eher Depressionen, Essstörungen, Migräne und ein höheres Selbstmordrisiko.

Um die Symptome zu lindern, verschreiben Ärztinnen und Ärzte unter anderem Naturheilmittel oder Magnesium bis hin zu Antidepressiva und hormonellen Wirkstoffen. Diese Mittel helfen jedoch nicht immer, manche haben obendrein Nebenwirkungen wie Benommenheit, Übelkeit, Gewichtszunahme oder Depressionen. Hormonelle Wirkstoffe sind bei bestehendem Kinderwunsch oft hinderlich. Es gilt also für jede Betroffene abzuwägen, welche Behandlungsmethode von PMS für sie am besten geeignet ist.

Das Gehirn hilft mit

Hier setzt eine Studie an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel an: Die Forschenden um PD Dr. Cosima Locher, Prof. Dr. Jens Gaab und Dr. Antje Frey Nascimento haben in Zusammenarbeit mit Forschenden der Harvard Medical School untersucht, ob offen verabreichte Placebo-Präparate den betroffenen Frauen helfen können. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift «BMJ Evidence-Based Medicine» erschienen.

«Placebos sind gut erforscht, weil sie in allen Medikamentenstudien eingesetzt werden. Und sie haben keine Nebenwirkungen», erläutert Jens Gaab die Vorteile. Gleichzeitig ist der Placebo-Effekt nicht zu unterschätzen. «Unser Gehirn hat gelernt, dass etwas, das wir regelmässig einnehmen, wirkt, auch wenn keine Wirkstoffe enthalten sind.» Studien zeigen, dass Placebos körperliche und psychische Beschwerden lindern können. Auch dann, wenn sie «open label» verabreicht werden, die Patientinnen und Patienten also wissen, dass sie eine Tablette ohne Wirkstoff einnehmen. Das haben randomisierte kontrollierte Studien unter anderem bei Reizdarmbeschwerden, chronischen Schmerzen und Hitzewallungen in der Menopause gezeigt.

Um herauszufinden, ob Open-Label-Placebos (OLP) auch gegen PMS helfen können, haben die Forschenden eine Studie mit 150 Probandinnen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren durchgeführt, die mässig bis stark von PMS betroffen sind. Teilnehmen durften nur Frauen, die keine Psychopharmaka einnahmen. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip in drei gleich grosse Versuchsgruppen eingeteilt.

Die erste Gruppe fuhr mit ihrer Behandlung fort wie bisher. Die anderen beiden Gruppen erhielten jeweils ein OLP und konnten selber entscheiden, ob sie die bisherige Medikation fortsetzten oder nicht. Eine der beiden Placebo-Gruppen bekam das Präparat ohne weitere Information. Der anderen Gruppe erklärten die Forschenden die Gründe für die Placebo-Behandlung im Rahmen eines etwa 20-minütigen Gesprächs. Die Placebo-Pillen sollten sie während sechs Wochen zweimal täglich einnehmen.

Behandlung ohne Nebenwirkungen

Sowohl offen verabreichte Placebos mit als auch ohne Erklärung linderten die Beschwerden. Am grössten war der Effekt bei jenen Frauen, die zusätzlich zum Scheinmedikament auch noch die Erklärung erhielten. Bei ihnen reduzierte sich die Intensität der Symptome um bis zu knapp 80 Prozent. «Mit derart grossen Effekten haben wir nicht gerechnet», sagt Studienleiterin Dr. Antje Frey Nascimento. Auch die anderen beiden Versuchsgruppen zeigten einen Rückgang der Symptomstärke. Am geringsten war der Effekt jedoch bei jenen Frauen, die einfach nur ihre bisherige Medikation fortsetzten.

Die Behandlungserklärung machte also einen wesentlichen Unterschied. Die Studienleiterin erklärt dies damit, dass sich die Frauen unter anderem durch das vorgängige Behandlungsgespräch besser wahrgenommen fühlten. Die zwischenmenschliche Komponente zwischen behandelnder Person und Patientin scheint also eine grosse Rolle zu spielen. «Damit einher geht ein Gefühl der Selbstwirksamkeit: Mein Körper ist in der Lage, sich selber zu helfen.» Diese Körper-Psyche-Interaktion sei ein wichtiges Element in der Behandlung mit OLPs.

All diese Faktoren machen Placebos zu einer sicheren, wirksamen und von den Patientinnen akzeptierten Intervention bei PMS, insbesondere in Kombination mit genügend Informationen. Der Haken: Placebos werden bislang nur in der Forschung eingesetzt. Und auch wenn es nun einen ersten Hinweis für deren Wirksamkeit gibt, fehlen für den Einsatz in der klinischen Praxis wichtige Erfahrungswerte sowie eine eindeutige rechtliche Grundlage. Doch die Forschung mit Open-Label-Placebos boomt. Auch die Basler Forschenden wollen weitere mögliche Einsatzbereiche erschliessen.


Originalpublikation:

Antje Frey Nascimento et al.
Efficacy of open-label placebos for premenstrual syndrome: a randomised controlled trial
BMJ Evidence-Based Medicine (2025)
doi:10.1136/bmjebm-2024-112875


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW