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15.07.2025 11:51
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‚Wissenschaft‘, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Psychologie-Veröffentlichung in PNAS: Warum Stress Gruppen zusammenschweißt – und gegeneinander aufbringt
Warum halten sich gewaltsame Konflikte zwischen Gruppen so hartnäckig – selbst wenn alle Seiten darunter leiden? Forschende der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) aus der Psychologie und der Medizin haben nun die doppelte Wirkung von physiologischen Stressbotenstoffen auf soziales Verhalten in Konflikten untersucht. In einem Beitrag in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) stellen sie fest, dass Stress gleichzeitig Kooperativität gegenüber der eigenen Gruppe und Aggression gegenüber Fremden auslösen kann.
Wie wirken sich verschiedene Stressbotenstoffe auf das Verhalten von Menschen in verschiedenen Gruppenkonstellationen aus? Ein Team aus Psychologinnen und Psychologen um Prof. Dr. Tobias Kalenscher von der Arbeitsgruppe „Vergleichende Psychologie“ an der HHU hat untersucht, wie sich die beiden Botenstoffe Noradrenalin und Cortisol, die bei akutem Stress im Gehirn ausgeschüttet werden, auf Versuchspersonen auswirken. Unterstützt wurden die Forschungen von Prof. Dr. Alfons Schnitzler, Direktor des Instituts für Klinische Neurowissenschaften und Medizinische Psychologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.
Die Versuchspersonen erhielten in der psychopharmakologischen Studie entweder die Medikamente Hydrocortison (imitiert die Aktivität des Stresshormons Cortisol) oder Yohimbin (verstärkt den Erregungsbotenstoff Noradrenalin), beide gemeinsam oder aber ein Placebo. Sie wurden danach in Gruppen aufgeteilt und traten in ökonomischen Spielen gegen andere Gruppen an. Dabei ging es um reales Geld – die resultierenden Gewinne konnten die Versuchspersonen mit nach Hause nehmen.
Die Erstautorin der Studie Luca Marie Lüpken und der Erstautor Damon Dashti: „Wir wollten sehen, wie die verschiedenen Botenstoffe das Verhalten der Versuchspersonen beeinflussen. Tatsächlich förderte Cortisol kooperatives Verhalten innerhalb der eigenen Gruppe. Noradrenalin hingegen verstärkte feindseliges Verhalten gegenüber Fremdgruppen, selbst wenn es mit finanziellen Kosten für die Versuchspersonen verbunden war.“
Die Ergebnisse zeigen also ein komplexes Bild. Obwohl die beiden untersuchten Botenstoffe mit Stressprozessen assoziiert sind, reagieren die Versuchspersonen in der Versuchsumgebung sehr unterschiedlich, je nachdem, welche Stoffe ihnen verabreicht wurden. Dazu Studienleiter Prof. Kalenscher: „Stress macht nicht pauschal aggressiv oder kooperativ. Je nach neurochemischem Pfad, der in der physiologischen Stressantwort überwiegt, und je nachdem, mit wem man es zu tun hat – Freund oder Gegner – kann eines der beiden Verhaltensmuster dominieren.“
Die Erkenntnisse können, so die Autoren, dabei helfen zu verstehen, wie Stress eine Mentalität des „Wir-gegen-die-anderen“ verstärkt, die der zunehmenden Polarisierung in der Welt zu Grunde liegt.
Hintergrund: das Spielszenario
Jede Versuchsperson spielt insgesamt drei Runden, jeweils gegen eine andere Gruppe von Gegnern („Outgroup“). Sie ist einer Gruppe von Freundinnen und Freunden („Ingroup“) zugeordnet. In jeder neuen Runde erhält jede Versuchsperson vom Spielleiter jeweils 10 Euro pro Runde, die er frei auf verschiedene Optionen aufteilen kann.
Die Versuchsperson hat die Wahl,
– das Geld selbst zu behalten,
– einen Teil des Geldes so zu investieren, dass sie selbst Geld verliert, während die
Mitglieder der eigenen Gruppe (die Ingroup) finanziell profitieren,
– oder einen Teil des Geldes anders zu investieren, so dass sie selbst Geld verliert,
während die Mitglieder der Ingroup finanziell profitieren und gleichzeitig die Mitglieder
der Outgroup finanziell geschädigt werden.
Die Outgroup kann also nur geschädigt werden, wenn gleichzeitig die eigenen Teammitglieder Geld bekommen, die Versuchsperson sich also innerhalb seiner Gruppe kooperativ zeigt.
Autor: Dr. Arne Claussen
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Tobias Kalenscher
Originalpublikation:
Dashti D, Lüpken LM, Seidisarouei D, Forbes PAG, Schnitzler A, Kalenscher T. Dissociable Glucocorticoid and Noradrenergic Effects on Parochial Cooperation and Competition in Intergroup Conflict. PNAS 2025, Vol. .122 (29) e2502257122.
DOI: 10.1073/pnas.2502257122
Bilder
Unter dem Einfluss von Stressbotenstoffen können sich Menschen innerhalb einer Gruppe kooperativ ver …
Copyright: KI-generiertes Bild: HHU / Paul Schwaderer / Midjourney
Schematische Abbildung des Spielszenarios.
Copyright: Abbildung: HHU / Tobias Kalenscher
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
