18.01.2021 11:09
Schutz nach Herzinfarkt
Herzforscher*innen der Universitätsmedizin Göttingen haben den Effekt der Substanz „Roxadustat“ in einem Herzmuskelmodell getestet und einen schützenden Effekt festgestellt. Veröffentlicht in der kardiologischen Fachzeitschrift „Circulation“.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
(umg) Jedes Jahr erleiden rund 220.000 Menschen einen Herzinfarkt, 50.000 Patient*innen sterben daran. Bei einem Herzinfarkt wird das Herzmuskelgewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt (Hypoxie). Ursache ist der akute Verschluss eines Herzkranzgefäßes. Je mehr Zeit ohne Behandlung vergeht, desto mehr Herzmuskelzellen sterben. Um den Schaden für das Herz durch einen Herzinfarkt einzugrenzen, ist es besonders wichtig, die Herzdurchblutung zeitnah wieder herzustellen. Allerdings kann die Wiederherstellung des unterbrochenen Blutflusses (Reperfusion) die Zellen des Herzmuskels zusätzlich schädigen, wenn die Sauerstoffversorgung im Gewebe schlagartig ansteigt. Die Folge ist ein sog. Reoxygenierungsschaden.
Herzforscher*innen der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter der Leitung von Dr. Malte Tiburcy, Institut für Pharmakologie und Toxikologie der UMG, haben nun einen Weg entdeckt, mit dem sich die unerwünschte Schädigung der Herzzellen nach einer Wiederherstellung des Blutflusses vermindern ließe. In einem humanen, präklinischen Modell von Herzmuskulatur, die durch Sauerstoffmangel und erhöhte Sauerstoffversorgung (Reoxygenierung) geschädigt wurde, haben sie untersucht, welchen Effekt die Gabe der Substanz Roxadustat hat. Der Wirkstoff ist bekannt dafür, dass er den zell-internen Sauerstoffsensor stabilisiert, den Hypoxia Inducible Factor, kurz HIF. In den Untersuchungen zeigte sich, dass eine kurzzeitige Gabe von Roxadustat im Anschluss an die Hypoxie einen schützenden Effekt vor einem Reoxygenierungsschaden hat. Zusätzlich verbesserte sich die Fähigkeit des Herzmuskels, sich aktiv zusammen-zuziehen, deutlich. Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in der kardiologischen Fachzeitschrift „Circulation“.
„Da sich Roxadustat bereits als Therapie der Blutarmut bei Nierenschwäche im europäischen Zulassungsverfahren befindet, besteht die Hoffnung, dass die herzschützende Wirkung der Substanz zügig auch in die Therapie nach Herzinfarkt weiterentwickelt werden kann“, sagt Dr. Tiburcy.
Originalveröffentlichung: Elif Levent, Claudia Noack, Laura C. Zelarayán, Dörte M. Katschinski, Wolfram-Hubertus Zimmermann, Malte Tiburcy: Inhibition of Prolyl-Hydroxylase Domain Enzymes Protects From Reoxygenation Injury in Engineered Human Myocardium. Circulation (2020), doi: 10.1161, October 27th, 2020.
HIF-Faktor, der Sauerstoff-Sensor
Zellen „spüren“, wie viel Sauerstoff sie zur Zellatmung zur Verfügung haben, und passen sich entsprechend an. Immer wieder müssen sie mit wechselnder Sauerstoffversorgung zurechtkommen, z.B. bei Krankheit oder beim Sport. Vor mehr als 20 Jahren entdeckten drei Forscher aus den USA und Großbritannien ein Protein, das als Sauerstoffsensor in den Zellen dient: den Hypoxia Inducible Factor, kurz HIF. Ist die Sauer-stoffversorgung ausreichend, enthält eine Zelle kaum HIF, besteht Sauerstoffmangel, steigt die HIF-Menge. Zellen produzieren stetig neue HIF-Moleküle und bauen sie ebenso stetig ab. Der Abbau funktioniert aber nur solange genügend Sauerstoff vorhanden ist. Die Entdeckung des HIF-Systems wurde 2019 mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet.
WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Herzzentrum Göttingen
Dr. Malte Tiburcy
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Telefon 0551 / 39-20729
m.tiburcy@med.uni-goettingen.de
www.pharmacology.med.uni-goettingen.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Dr. Malte Tiburcy
Telefon 0551 / 39-20729
m.tiburcy@med.uni-goettingen.de
www.pharmacology.med.uni-goettingen.de
Originalpublikation:
Originalveröffentlichung: Elif Levent, Claudia Noack, Laura C. Zelarayán, Dörte M. Katschinski, Wolfram-Hubertus Zimmermann, Malte Tiburcy: Inhibition of Prolyl-Hydroxylase Domain Enzymes Protects From Reoxygenation Injury in Engineered Human Myocardium. Circulation (2020), doi: 10.1161, October 27th, 2020.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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