26.10.2021 16:50
TU Berlin: Keine Wildschäden durch Wildschweine auf Magerrasen
TU-Forschungsgruppe untersuchte den Einfluss des Schwarzwildes auf die Biodiversität von Grünland
Bei der Nahrungssuche durchwühlen Wildschweine unter anderem den Boden, was zu sichtbaren Störungen der Bodenoberfläche in Grünflächen führen kann. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Biodiversität von Pflanzen und Tieren, die diese Flächen besiedeln.
Die Biodiversität der Pflanzen nimmt hierbei im Gesamten nur geringfügig ab, ohne dass eine Gefährdung der einzelnen Arten an sich erkennbar ist. Bei den Tieren hingegen profitieren Heuschrecken und Zauneidechsen von den Aktivitäten der Wildschweine. Zu diesen Ergebnissen kam eine Forschungsgruppe des Fachgebietes Ökosystemkunde/Pflanzenökologie der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Sascha Buchholz und Dr. Moritz von der Lippe.
Magerrasen – Lebensraum für gefährdete Arten
Von September 2019 bis Juni 2021 untersuchte sie den Einfluss von Wildschweinen auf die Biodiversität auf insgesamt 22 Magerrasenflächen Berlins. Magerrasen sind gesetzlich geschützte Lebensräume und bieten nährstoffarme Umgebungen in der weitgehend nährstoffreichen Stadtlandschaft. Sie beherbergen besonders artenreiche Pflanzengemeinschaften, sind ein geeigneter Lebensraum für viele geschützte und gefährdete Arten und sind in Berlin weit verbreitet. Diese wertvollen Lebensräume werden allerdings auch von Wildschweinen aufgesucht, über deren direkte Auswirkung auf die Biodiversität bislang wenig bekannt war. Um diese Wissenslücke zu schließen, wurde ein Forschungsprojekt durch die Stiftung Naturschutz Berlin gefördert.
Um zunächst die Intensität der Wildschweinaktivitäten einschätzen zu können, wurden auf allen Untersuchungsflächen die Wühlspuren von Wildschweinen untersucht. Auch wurde auf den gleichen Flächen die Vielfalt von Pflanzen- und Heuschreckenarten sowie die Anzahl von Zauneidechsen erfasst, um den Zusammenhang zwischen der Wühlaktivität und der Biodiversität zu überprüfen.
„Die gesamte Pflanzendiversität reagiert negativ auf die Intensität der Wühlspuren. Für gefährdete Arten und Magerrasenrasenspezialisten konnte dagegen kein Zusammenhang zwischen Wildschweinaktivitäten und Artenvielfalt festgestellt werden.“ sagt Miriam Bui, studentische Mitarbeiterin in diesem Projekt.
Zerwühlte Flächen sind gut für Heuschrecke und Zauneidechse
Bei den Tieren beobachteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dagegen eindeutig positive Wirkungen der Wildschweine auf Heuschrecken und Zauneidechsen. Beide reagieren sehr empfindlich auf ökologische Veränderungen und sind somit gute Indikatoren für den Zustand eines Lebensraums. „Durch das Aufwühlen des Bodens werden die lokalen Bedingungen stark verändert. Offene Bodenflächen befinden sich neben bewachsenen Stellen. So entsteht ein Mosaik kleinerer Strukturen, aus abwechselnd schattigen und sonnigen Stellen, sowie auch Versteckmöglichkeiten – wir sprechen hier von heterogenen Mikrohabitatstrukturen –, und die machen den Lebensraum für ein breites Spektrum von Heuschreckenarten und auch die Zauneidechse attraktiv. Diese profitieren von den komplexen Strukturen, da manche Prozesse in ihren Lebenszyklus wie beispielsweise Temperaturregulation, Nahrungssuche, Verstecken, Überwinterung und Eiablage auf eine Kombination solcher Strukturen angewiesen sind.“, sagt Valentin Cabon, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt.
Schwarzkittel sind „positive Ökosystemingenieure“
Die Verknüpfung des Wildschweinaktivitätsgradienten und der Biodiversitätsdaten ergab, dass auf den intensiver durchwühlten Flächen mehr Heuschreckenarten und Zauneidechsen gezählt wurden als auf denen mit niedriger Wildschweinaktivität. Außerdem konnte auf den von Wildschweinen aufgesuchten Flächen eine höhere Anzahl an Heuschrecken der Roten Liste Berlins nachgewiesen werden wie zum Beispiel die Gefleckte Keulenschrecke.
Ziel des Projektes war es auch, die Frage zu beantworten, ob die Aktivitäten der Wildschweine auf den für die Biodiversität wertvollen Magerrasen als Wildschäden zu bewerten sind und ob sich daraus Konsequenzen für die Bejagung ergeben. „Da wir einen positiven Zusammenhang zwischen dem Wühlen der Wildschweine und dem Vorkommen von naturschutzrelevanten Tierarten auf Magerrasen nachweisen konnten, bewerten wir das Wühlen auch nicht als Wildschaden, sondern bezeichnen Wildschweine als positive Ökosystemingenieure“, sagt Valentin Cabon.
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Moritz von der Lippe
TU Berlin
Fachgebiet Ökosystemkunde/Pflanzenökologie
E-Mail: moritz.vdlippe@tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
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